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Ausgabe:

1958 Nr. 12

Spalte:

841-842

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Williams, Charles S. C.

Titel/Untertitel:

A commentary on the Acts of the Apostles 1958

Rezensent:

Haenchen, Ernst

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841

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

842

Prädikat „Gott über alles" nachdrücklich Gott dem Vater zu und
sagt ausdrücklich, daß Christus nicht so genannt werden dürfte").

Selbstverständlich muß der heutige Exeget seine eigene
Stellungnahme mit in Betracht ziehen. Nach K. H. Schelkle ist der
irreale Wunsch des Paulus Rom. 9, 3 die überschwengliche Sprache
des Gefühls und er wehrt sich gegen eine übergenaue philologische
Erklärung (S. 327. 328). Es ist aber auffallend, wie gerade
an dieser Stelle die Kirchenväter unendlich viel Mühe aufgebracht
haben, den Ausruf des Paulus so exakt wie möglich zu verstehen.
Bei Chrysostemus und den folgenden griechischen Auslegern
findet sich die Annahme, Paulus habe die Lästerung von Seiten
der Juden hören müssen, das Evangelium mache Gott zum Lügner
, da es die gottlosen Heiden als Gottes Volk aufnehme, während
das erwählte Volk der Verheißungen verlustig gehe und
mit Schmach hinausgestoßen werde. Aus Kummer über diese
Lästerung wünschte Paulus Anathema zu sein, wenn dadurch die
Juden zum Heile gelangen und die Lästerung aufhöre. Es scheint
mir, daß hier das echte geschichtliche und nicht philosophisch
verstandene Problem der Entstehung des Römerbriefes durchschlägt
, das in der Gegenwart eine besondere Bedeutung hat. An
diesem Punkt würde ich über die Unsicherheit der Fragestellung
bei K. H. Schelkle S. 335 gern hinausgehen. Die vorsichtige und
sorgfältige Arbeit unseres Verfassers sollte von beiden Konfessionen
gern ausgewertet werden.

Tübingen Otto Michel

Williajfis, C. S. C: A Commentary on the Acts of the Apostles.

London: Adam & Charles Black [1957]. XVI, 301 S., 1 Kte. 8° =
BlaA's New Testament Commentaries, ed. H. Chadwick. Lw. 25 s.
Eine Bibliographie mit 56 Abkürzungen von Zeitschriften
und oft zitierten Werken, 245 Titeln von Büchern und
Zeitschriftenaufsätzen (vor allem die angelsächsische Literatur
wird hier reichlich verzeichnet) und 17 Titeln von Kommentaren
eröffnet das Werk. Dann folgt eine Einleitung von 53 Seiten
.

Sie bespricht (l) das äußere und (2) das innere Beweismaterial
für die Verfasserschaft der Apg, das auf „Lukas, den
geliebten Arzt" weist, der (3) nicht nur den „W i r - B e r i c h t",
sondern auch den Rest des Buches und das 3. Evangelium geschrieben
hat. (4) werden verschiedene Quellentheorien kurz
angedeutet. Der Verf. meint, Lukas habe dem Theophilus zunächst
einen frühen Entwurf mit Evangelienstoff als ersten „Logos
" geschickt. Dann habe er die Apg verfaßt, nachdem er eine
Abschrift des Mk bekommen habe, au6 der er einige Züge in die
Apg übernahm (z. B. Apg 6, 14). Danach habe er sein Evangelium
auf Grund der Mk-Chronologie überarbeitet; so 6ei unser Lk entstanden
. Ob Lukas für die Apg andere als mündliche Quellen benutzt
hat, bleibt offen (S. 12 f.). (5) Als D a t u m hält W. die
Jahre 66—70 für möglich; vielleicht habe Lukas aber das Buch erst
viel später veröffentlicht (S. 15). (6) Z w e c k und S c h 1 u ß der
Apg: Je 4 Theorien werden referiert; W.s Meinung ist aus Abschnitt
(4) zu ersehen. (7) Ob Lukas die Antiquitates des J o s e -
p h u s kannte, wird recht ausführlich besprochen und endlich verneint
. (8) Die Apg und die Paulusbriefe 6eien nicht so verschieden
, daß nicht ein Paulusgefährte das Buch geschrieben haben
könne. W. sympathisiert, was die Differenzen mit dem Galater-
brief angeht, mit W. L. Knox und F. Amiot: Gal sei vor dem
Apostelkonzil geschrieben (S. 26. 30). (9) Die Orts- und Behördenkenntnis
6ei groß und genau. (10) Das .Aposteldekret
': Die .westliche' Form sei sekundär; vielleicht habe erst
Lukas die Speisenfrage mit der Beschneidungsfrage des Apostelkonzils
verbunden. (11) Für die Chronologie werden dem
Leser die Tabellen von Turner und Lake mitgeteilt. Hier wird
auch die Frage der S u m m a r i e n im Anschluß an Cadbury's vorsichtiges
Urteil behandelt (S. 3 5). (12) Die Reden und die
Theologie der Apg: Mit B. Gärtners Hilfe wird die These
von M. Dibelius abgelehnt, daß die Reden freie Kompositionen
des Lukas seien. Lukas habe vielmehr seine Quellen treu wiedergegeben
; Sprache und Christologie der Petrusreden seien primitiv
und fassen das Christentum als reformiertes Judentum (S. 48).
(13) Der Text: Jede Variante muß für sich beurteilt werden.
Der sog. westliche Text sei eine Rezension des 2. Jhdt.s mit einigen
guten Lesarten.

Die S. 54—278 bringen eine neue Übersetzung (die jedem Abschnitt
vorangeht und dem englischen Leser sehr willkommen
sein wird) und die Erklärung. Kap. 1—8, la werden überschrieben:
„Die frühen Szenen in Jerusalem", 8, lb bis 10,48: „Die Ausdehnung
der Kirche", 11,1 — 16,5: „Das Evangelium und die
Heiden", 16,6 — 19,41: „Paulus in Griechenland und Ephesus",
20—28: „Paulus wird nach Rom gebracht".

Auf diesen Hauptteil (er ist in 69 Einzelabschnitte nebst einigen
Exkursen untergliedert) folgen: Anhang 1: „Die Apostel"
(S. 279-282), Anhang 2: „Die Kirche" (S. 283-286), Anhang 3:
..Die Gabe des Geistes" (S. 287—293). Eine Landkarte, die von
Jerusalem bis Rom reicht, ein Register der Gegenstände (S. 295 f.)
und der Eigennamen (S. 297—301) bilden den Beschluß.

Von den 225 Seiten der Übersetzung und Erklärung beanspruchen
Übersetzung, Überschriften usw. rund ein Drittel. So
bleiben für die Erklärung nur etwa 150 Seiten übrig. Das ist (auch
bei der Kürze der englischen Sprache) wenig. Der Verf. kann also
nur auf das im Text eingehen, was eine Erklärung ihm besonders
zu fordern und verdienen schien.

Trotzdem hat W. hier, wie auch in der Einleitung, viel Stoff
aus der Sekundärliteratur verarbeitet. Wo sie nicht einig ist,
überläßt er manchmal dem Leser die Wahl; meist entscheidet er
sich gegen die kritischen Möglichkeiten. Das hängt mit der Tradition
zusammen, in der er steht; sie läßt ihn auch vor allem nach
der Historizität des Berichteten fragen. Dabei ist sein Maßstab
bisweilen fragwürdig. So bemerkt er zu 25,27: „Das Bild des
ratlosen, von einer Auferstehungslehre verwirrten römischen Beamten
, der bei einem palästinischen Kleinfürsten Rat sucht, ist so
naiv, daß es wahr sein muß" (S. 261). W. übersieht, daß Lukas
hier ein in den letzten Kapiteln immer wieder verwendetes Motiv
verwendet: die Römer bemühen sich vergeblich, die religiösen
Streitpunkte zwischen Christen und Juden zu fassen, und zeigen
damit, daß sie hier unzuständig sind; daraus folgt, daß Rom sich
darum nicht kümmern und die christliche Verkündigung dulden
sollte. In Wirklichkeit hatte Festus mit der Gewährung der
Appellation den Fall aus der Hand gegeben; er brauchte nur die
Akten über die Anklage und den bisherigen Prozeßverlauf als
Begleitbericht mitzusenden. Schuld oder Unschuld des Paulus
ging ihn nichts mehr an.

W. traut auch der Sekundärliteratur zu unbedenklich. So
läß er z. B. nach B. Gärtner (The Areopagus Speech and natural
Revelation 1955, S. 57—59) Paulus vor dem .Erziehungsausschuß
des Areopags' informatorisch vernommen werden. Diese Vermutung
geht zurück auf Bruno Keils nachgelassene Schrift „Beiträge
zur Geschichte des Areopags" von 1920. Daß aber der Areopag
noch zur Römerzeit seine frühere Gerichtsbarkeit ausübte, belegt
Keil S. 60 gerade mit Apg. 17,19. Er nahm die Apg ebenso selbstverständlich
als eine historisch genaue Urkunde wie das ebenfalls
von Gärtner angerufene Werk von BusoltVSwoboda, „Griechische
Staatskunde"3, S. 937. So berufen sich die Theologen auf
die Verfassungsgeschichtler und diese wieder auf eine frühere,
noch unkritische Theologengeneration. Faktisch ergibt sich aus
Plutarch (Cicero 25, 14) und den von Keil behandelten Inschriften
nur, daß der Areopag in der römischen Zeit wohl Beschlüsse über
Ehrungen faßte (u. a. die Bitte an den Philosophen Kratippus,
weiter in Athen zu lehren, da er eine Zierde der Stadt sei), aber
nicht mehr ein Aufsichtsamt über das Erziehungswesen, das wohl
der Boule unterstand (Keil S. 57). Übrigens hatte Paulus nicht
beansprucht, in Athen „Vorlesungen zu halten"; mit Gesprächen
auf dem Markt hätte er eher einem Redner auf dem Hydepark
geglichen.

Für deutsche Leser ist der Kommentar von Williams vor
allem eine ausgezeichnete Einführung in die angelsächsische Acta-
forschung in ihrer ganzen Breite.

Münster/Westf. Ernst Hoenchen

Aschermann, Hartmut: Neutestamentliche Forschung und Christusverkündigung
in der Gegenwart.
Die Zeichen der Zeit, 1958 S. 367-371.

Bärbel, Joseph: Zur „Engel-Trinitätslehre" im Urchristentum.
Theologische Revue 54, 1958 Sp. 103—112.