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1958 Nr. 12

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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835 Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12 836

S c h u b e r tKKurt: Die Religion des nachbiblischen Judentums. Frei-
burg-Wieh: Herder 1956. VIII, 244 S. 8°. Lw. DM 14.80.

Seh. unternimmt es, eine Darstellung der Religion des Judentums
vom babylonischen Exil bis in die unmittelbare Gegenwart
des Staates Israel auf 200 Seiten zu geben, denen 30 Seiten Anmerkungen
folgen. Es ist begreiflich, daß man ein solches Buch
mit einer gewissen skeptischen Neugier zur Hand nimmt und
seine Erwartungen an der im Vorwort (S. VI) zu lesenden Bemerkung
orientiert, es solle „einen praktischen informatorischen
Zweck haben und sozusagen ein .Lehrbuch' sein".

Diesen Charakter hat das Buch in der Tat in seinem 2. Teil,
der das Judentum im Mittelalter (S. 101—163) und in der Neuzeit
(S. 167—208) behandelt und den „informatorischen Zweck",
so gut das eben in solcher Kürze gehen will, erfüllt. Den Vorrang
gibt Sch. der Darstellung der jüdischen Religion „in der talmudischen
Zeit" (gemeint ist die Zeit bis zum Abschluß des
Talmud) und widmet ihr die erste Hälfte des Buches. Wir dürften
der Absicht des Verf.s gerecht werden, wenn wir vor allem diesem
Teil unsere Aufmerksamkeit zuwenden.

Nach einer Orientierung über Ursprung, Entwicklung und Formen
der rabbinischen Tradition (S. 3—12) wird zunächst die Religion des
hellenistischen Judentums und der Einfluß des hellenistischen Geistes auf
die Theologie des Rabbinats skizziert (S. 13—25). Unter der Überschrift
„Die Grundichren des Frühjudentums" folgt die eigentliche Darstellung
der rabbinischen Lehren, wobei die eschatologischen und Jenseitsvorstellungen
32 von 43 Seiten einnehmen. In der folgenden Schilderung der
religiösen (Sch. sagt „politischen") Parteien der Sadduzäer und Pharisäer
(je 1 knappe Seite) und der „Essener" gibt Sch. hauptsächlich ein
Resümee seiner in früheren Aufsätzen vertretenen Ansicht über die Bedeutung
der Qumrän-Dokumente als einer Teilerscheinung des „Essenismus
", wofür er im übrigen auch den größten Teil der sog. apokryphen
jüdischen Literatur in Anspruch nimmt. Die Darstellung der
„talmudischen Zeit" beschließt ein Kapitel über „die jüdische Gnosis",
wobei er die Gnosis in der Sektenrolle, die jüdisch-rabbinische Gnosis
und eine häretisch-jüdische Gnosis unterscheidet.

Überblickt man dieses reichhaltige Programm, so läßt sich
eine gewisse Skepsis gegenüber seiner Durchführbarkeit auf ganzen
95 Seiten schwer unterdrücken. Denn es handelt sich ja um
Gegenstände und Probleme, die zu einer kompendiösen Behandlung
noch keineswegs reif sind. So trägt denn auch die Darstellung
im Gegensatz zu der oben genannten Zielsetzung weitgehend
den Charakter hypothetischer Kombinationen, mit denen in
dunkle Abschnitte der jüdischen Geschichte Licht gebracht und
die leeren Räume zwischen den spärlichen Fixpunkten der Überlieferung
überbrückt werden sollen. Die Kürze der Darstellung
aber hindert den Verf., solche Hypothesen jeweils mit der nötigen
Vorsicht und Umsicht als solche zu entwickeln, so daß der
unkundige Leser 6ie für sichere Ergebnisse halten muß. Erst der
Blick in die Anmerkungen, in denen die Forschungslage und
-Problematik einzelner Themen ausgebreitet wird, behebt gelegentlich
diesen Irrtum.

Die Kürze verfuhrt Verf. offensichtlich zu manchen Formulierungen
, die zu weit gehen oder weiter Auseinanderliegendes
in einen Satz zusammenpressen, was weder der Klarheit noch auch
der Richtigkeit dient und mehrfach bis an die Grenze des Unmöglichen
führt. Nicht selten muß er im zweiten Satz modifizieren,
was im ersten uneingeschränkt behauptet worden war. Dem
Zwange zur Raffung muß wohl auch das bei der Darstellung der
Eschatologie wie der der „Essener" eingeschlagene Verfahren zugeschrieben
werden. Hier mischt Sch. rabbinisches und apokryphes
Material bzw. Belege aus Josephus, Sektenrolle, Damaskusschrift
und Habakuk-Midrasch zur Gewinnung von kurzen Gesamtschilderungen
ohne die erforderlichen Differenzierungen zusammen
. Daß das für die Darstellung der Eschatologie gewählte Verfahren
unsachgemäß ist, hätte Sch. aus Herfords Pharisäerbuch
lernen sollen, wenn er diesem Buch, das er nur einmal in den
Literatur-Übersichten erwähnt, auch sonst vielleicht mit Recht
keinen Einfluß auf das seine einräumt. Und für die Schilderung
der „Essener", wenn sie nützlich sein soll, gilt bei der gegenwärtigen
Forschungslage erst recht, daß die verschiedenen Aspekte,
die sich aus Josephus, den Qumrän-Texten und den sog. Apokryphen
ergeben, sauber und klar nebeneinandergestellt und sorgsam
zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen. Weder jetzt noch
vermutlich irgendwann einmal wird es richtig sein, das alles als

ein einheitliches Ganzes zu behandeln. Daß Verf. diese bessere
Einsicht gelegentlich selbst ausspricht, kann mit der Tatsache,
daß die Darstellung in allen Teilen das erforderliche Feinprofil
vermissen läßt, schwerlich aussöhnen.

Ganz ungeeignet scheint mir die Verwendung gewisser philosophischer
, religionsphilosophischer und dogmatischer Termini,
die dem Verf. aus scholastischer Denkgewohnheit nahezuliegen
scheinen, zur Kennzeichnung altjüdischer Theologie zu sein, so
wenn vom Sanhedrin gesagt wird, er behandelte das kanonische
Redit (S. 27), wenn befden Rabbinen ein „teleologischer", ein
„kosmologischer" und ein „psychologischer Gottesbeweis" nachgewiesen
werden soll (S. 29) oder wenn beim 4. Esra von „dieser
Welt der Privationen und der Kenose" gesprochen wird.

So viel zur Charakteristik des Buches im allgemeinen. Das
Gesagte konkretisieren würde nun bedeuten, das Buch Seite für
Seite durchzunehmen; denn gewagte Hypothesen, ungewöhnliche
Zeitansätze, Verallgemeinerungen, anfechtbare Formulierungen,
die manchmal im Gegensatz zu einsichtigen sachlichen Darlegungen
stehen, Konstruktion geistesgeschichtlicher Zusammenhänge
(in den Abschnitten über zeitgenössische Philosophie und rabbi-
nische Tradition und über die jüdische Gnosis) und die Übersetzung
und Interpretation kanonischer und außerkanonischer
Texte im Dienst der vorgetragenen Thesen, die die Kritik
herausfordern, finden sich überall.

Als besonders problematisch in dieser Hinsicht erscheint die Behandlung
von Esra 7, 10 (S. 5) und der Texte III 13—17 und XI 10 f.
der Damaskusschrift (S. 17 f.). Die allgemein akzeptierte Einfügung
eines durch Haplographie ausgefallenen in XI 10, von der Sch. keine
Notiz nimmt, dürfte doch unvermeidlich sein. Freilich verlöre Sch. damit
die Hauptstütze für seine Definition des essenischen Determinismus.

Besonderen Anreiz zur Kritik geben schließlich Sch.s Bemerkungen
über den Einfluß des „Essenismus" auf das frühe Christentum
(S. 80) und seine allgemeine Charakteristik der Gnosis
(S. 80 ff.) wie das, was er zur Deutung von Koh. rab. 1,8 (S. 96)
vorträgt.

Die Fülle von Kombinationen und Perspektiven wären, als
solche mit entsprechender Begründung zur Diskussion gestellt,
wohl der Erörterung wert. Damit, daß Sch. sie in Form eines
„Lehrbuches", also als lehrbare Ergebnisse vorträgt, hat er 6ich
und der Sache nicht den besten Dienst getan. Man wird also
besser daran tun, sich an seine Spezialuntersuchungen, die er zu
den in Frage stehenden Gegenständen bereits veröffentlicht hat
und noch veröffentlichen dürfte, zu halten (s. auch diese Zs.
1957/11, Sp. 837).

Ein neues Buch Sch.s: „Die Gemeinde vom Toten Meer" (München/
Basel 1958), von dem ich neuerdings Kenntnis nehmen konnte, scheint
einen wesentlichen Teil der hier ausgesprochenen Beanstandungen zu beheben
.

Rostock Konrad Weifl

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