Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 12

Spalte:

833-834

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Elia 1958

Rezensent:

Ehrlich, Ernst Ludwig

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

833

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

834

auf die Abwehr eigentlicher Gott-Königs-Ideologie" (S. 222),
denn der König sei demnach gerade nicht göttlicher Herkunft
und göttlichen Wesens. Wird aber bei solcher Deutung nicht die
modern-europäische Vorstellung von Adoption dem israelitischen
Schriftsteller unterschoben? Muß bei der israelitischen
Vorstellung vom machtwirkenden Wort eine Adoption — noch
dazu durch Gott — nicht notwendig das W e s e n des Menschen
betreffen und verwandeln? Noch weniger überzeugt N., wenn er
den Gottesspruch an den König Ps. 110,3: „Setze dich nieder
zu meiner Rechten" nur im Sinn einer besonderen Ehrung des
Königs seitens seines Gottes — was soll man sich darunter vorstellen
? — und nicht eines göttlichen Ranges verstehen will.
(Von der Umdeutung, die Ps. 45, 7 erfährt, gar nicht zu reden).
Den Nachweis, daß im Blick auf Israel von einem „göttlichen"
Königtum nicht die Rede sein könne, hat N. zwar für weite
Strecken der israelitischen Geschichte, nicht aber für das Jerusalem
der Davididen erbracht.

Überzeugender ist die Rektoratsrede „G eschichte
und Gotteswort im Alten Testament". In den
Mari-Texten ist dreimal von einem „Gottesmann" die Rede, der
eine Botschaft seines Gottes an den König überbringt. In gleicher
Weise wissen sich die späteren israelitischen Profeten als Gottesboten
und formulieren entsprechend ihre Sprüche. Man wird N.
folgen müssen, daß hier ein Stück Vorgeschichte der Profetie
greifbar wird. Er sieht, in welche Bedrängnis der Theologe durch
ein solches Ergebnis kommen kann. Wird durch solchen religions-
gschichtlichen Zusammenhang die Gültigkeit des alttestament-
lichen Gottesworts nicht hinfällig? Doch von der biblischen
Gottesoffenbarung aus ist eine solche Frage nicht sachgemäß;
„für sie gibt sich Gott kund gerade in der Geschichte als in dem
Bereich, in dem menschliches Leben sich auf der Erde abspielt,
und durch Vermittlung von Gestalten und Erscheinungen, wie
sie in der Welt der Geschichte leben" (S. 243).

„Das Geschichtsverständnis der alttesta-
mentlichen Apokalyptik" behandelt die Dan. 2 und
7 zugrundeliegenden Traditionen. Sowohl die Vorstellung von
einer abgestuften Reihe der nach Metallen gegliederten Welt-
Zeiten wie die Vorstellung von vier aufeinanderfolgenden
Welt reichen haben eine verzweigte altorientalische und
antike Vorgeschichte. Auf Grund dieser Traditionsgeschichte
kann N. zeigen, daß es in den beiden Danielstellen nicht um die
Darstellung eines nach bestimmten Gesetzen ablaufenden geschichtlichen
Gesamtgeschehens, sondern um die Gegenüberstellung
von Weltreich und Gottesreich geht. (In der zweiten
Hälfte des Danielbuches ist allerdings die Geschichtsschau der
Apokalyptik, indem sie alles auf die in kürzester Frist zu erwartende
entscheidende Wende zuspitzt, von ihren eigenen Ansätzen
abgegangen und auf ein falsches Gleis geraten.)

Der letzte Aufsatz „Die Heiligen des Höchsten"
(aus der Mowinckel-Festschrift) weist überzeugend nach, daß mit
dem Ausdruck in Dan. 7 himmlische Wesen und nicht, wie fast
allgemein angenommen, die Israeliten gemeint sind, da abgesehen
von Ps. 34, 10 das substantivierte Adjektiv „Heiliger" im
AT, in den Toten-Meer-Texten und in der Damaskusschrift stets
für göttliche Wesen verwandt wird. (Nur Dan. 7, 21 wird unter
den Heiligen das Gottesvolk verstanden, doch der Vers ist zumindest
in der zweiten Hälfte sekundär.)

Reich belehrt legt der Leser die reichhaltige Sammlung aus
der Hand; selbst dort gewinnt er vielerlei Anregungen, wo er dem
Verfasser nicht unbedingt zu folgen vermag.

Hamburg Klaus Koch

Fohr*r, G.: Elia. Zürich: Zwingli-Verlag 1957. 96 S. 8° = Abhandl.
zur/Theologie des Alten und Neuen Testaments, hrsg. von W.Eichrodt
und O. Cullmann, 31. DM 12.—.

Im 1. Kapitel seiner verdienstvollen Studie untersucht der
Wiener Alttestamentier den Erzählungskranz in 1. K. 17—19 sowie
die Erzählungen in 1. K. 21 und 2. K. 1, 1—17. Das 2. Kapitel
ist der Klärung der ursprünglichen Einheiten der Elia-Legenden
gewidmet, also dem Werden der Überlieferung. Fohrer
kommt zu dem Ergebnis, daß die Bildung und Ausformung der

Elia-Überlieferung bald nach den Geschehnissen begonnen hat
und noch im Ausgang des 9. Jahrhunderts zu einem ersten Abschluß
gelangt ist. Die Erzählungen sind legendär, aus prophetischen
Kreisen hervorgegangen und wurden dort zunächst mündlich
weitergegeben. Die schriftliche Niederlegung folgte jedoch
bereits ein Jahrhundert später: Die Erzählungen sind im reinsten
klassischen Hebräisch abgefaßt. Nicht lange nach der schriftlichen
Niederlegung der Einzelerzählungen ist die Elia-Überlieferung in
zwei große Erzählungsgruppen aufgeteilt worden: 1. K. 17—19
(außer 17, 17-24); l. K. 21 und 2. K. 1,2-8. 17aa. Zu diesen
beiden Gruppen treten als drittes Überlieferungselement die beiden
Anekdoten in 1. K. 17,17—24; 18, laa; 2. K. 1,9—16.

Die Elia-Überlieferung bildet weder eine literarische Einheit
noch einen Ausschnitt aus einem größeren Werk. Später erfuhren
diese Legenden eine deuteronomistische Bearbeitung. Motivgeschichtlich
fällt die Verwandtschaft zu den Mose-Erzählungen
auf. Fohrer chararakterisiert die Elia-Legenden folgendermaßen:
..Es ist das Bestreben der Legende, den Propheten in seinem Sein
und Handeln als geheimnisvoll, machtbegabt, bestürzend und
sogar unheimlich darzustellen. Dazu dient besonders das wunderhafte
Geschehen, das ihn umgibt.. . Diese Wunder bestätigen
ihn als Vertreter der durch ihn wirkenden Macht... Sie werden
zu Zeugnissen für das Walten des Gottes, der den Glauben segnet
und die Sünde straft" (S. 53).

Trotz des eindeutig legendären Charakters der Überlieferungen
lassen sich jedoch audi noch gewisse historische Elemente
in den Erzählungen erkennen, wenngleich man für deren Geschichtlichkeit
keine Beweise vorbringen kann: 1) Die Erzählung
von Dürre und Regen (vgl. Josephus, Ant. VIII, 13,2); 2) Der
kanaanäische Hintergrund des sogen. Gottesurteils auf dem Kar-
mel; 3) Der Bericht über die symbolische Handlung bei der Berufung
des Elisa; 4) Einige Elemente der Nabot-Erzählung: Der
Versuch Ahabs, von Nabot das Grundstück zu erhalten, die Weigerung
Nabots, dessen heimtückische Ermordung, die Aneignung
des Landes .durch Ahab und das Scheit- und Drohwort Elias.
5) Die Ahasja-Erzählung.

Elia wirkte zwischen 874 und 8 52 zur Zeit der Könige Ahab
und Ahasja. Die Tätigkeit des Propheten spielte sich vor dem
Hintergrund der neutralen Politik Ahabs ab, der das Vordringen
des Kanaanäertums duldete oder sogar förderte. Wie Mose hat
auch Elia grundlegende Ansdiauungen des reinen JHWH-Glau-
bens vertreten: Im Vordergrunde steht das Ringen um den alleinigen
Herrschaftsanspruch JHWH's in Israel. JHWH lenkt und
bestimmt das Geschick der Völker. Er ist der Gott, der Recht und
Gerechtigkeit will und Verstöße gegen seinen Willen ahndet.
Da es vor JHWH kein Ansehen der Person gibt, muß der Prophet
auch den herrschenden Mächten entgegentreten, wenn diese
JHWH's Willen mißachten.

Der Prophet Elia hat geistige Ahnen gehabt: Außer bei Mose
finden sich bei Samuel und Nathan verwandte Vorstellungen.
Hinter diesen Einzelgestalten standen gewiß Gruppen von Israeliten
, die für einen reinen JHWH-Glauben eingetreten sind. Die
Herkunft solcher Strömungen ist noch ungeklärt. Fohrer vermutet
, daß Ideen vom reinen JHWH-Glauben sich im Ostjordanlande
entwickeln konnten, weil dort keine Einwirkung der ka-
naanäischen Kultur stattgefunden hätte.

Besonders stark ist dann später die Wirkung der Elia-Gestalt
gewesen: In Mal. 3, 23 f. wird Elia bereits als eine messia-
nische Gestalt verstanden (vgl. Mal. 3,1), und vollends im Judentum
steht dann die Person des Elia im Zusammenhange mit der
messianischen Hoffnung. Der Prophet erscheint als prae-messia-
nische Gestalt, als der Vorläufer des Messias schlechthin.

Fohrers Arbeit zeichnet sich durch eine sorgfältige literar-
kritische Analyse aus. Diese befähigt ihn zu einer vollen Würdigung
der historischen Persönlichkeit des Elia und seines Gedankengutes
. So ist Fohrers Studie ein schönes Beispiel für eine saubere
Exegese eines wichtigen Abschnittes des Alten Testaments.

Ba9el Ernst Ludwig Ehrlich