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Ausgabe:

1958 Nr. 12

Spalte:

831-833

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Gesammelte Studein zum Alten Testament 1958

Rezensent:

Koch, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 12

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die Beziehungen zwischen Essenertum und erstem Christentum
noch enger erschienen.

Es ist angesichts einer solchen großen Zusammenschau leicht,
zu Einzelheiten Bedenken anzumelden, z.B. etwa zu der Frage, wie
weit die Theologie späterer Quellen vor die Zeit des Mose zurückgetragen
werden darf, oder ob etwa über den Gottesbegriff
des Ezechiel, bei dem er mit Recht zu der traditionellen Auffassung
eines Wirkens nur im Exil zurückkehrt, nicht doch noch etwas
mehr gerade in diesem Zusammenhang hätte gesagt werden können
. Aber es ist richtiger, den großen Wurf zu sehen, der darin
liegt, daß hier ein Geschichtsaufriß zugrundeliegt, der das archäologische
Material nicht nur zum Reden bringt, sondern es als
gleichberechtigte geschichtliche Erkenntnisquelle neben die schriftliche
Überlieferung stellt, die ihrerseits als Niederschlag mündlicher
Traditionen verstanden wird.

So verstanden ist das Werk gerade in der augenblicklichen
theologischen Situation eine Mahnung, den Beitrag der Archäologie
, der Kulturgeschichte und der Religionsgeschichte für die
Erfassung des Alten Testaments nicht zu übersehen, da ohne ihn
auch die theologische Bedeutung des Alten Testaments verkürzt
wird.

Erlangen Leonhard Rost

ALTES TESTAMENT

Noth, M.: Gesammelte Studien zum Alten Testament. München:
Kaiser 1957. 306 S. 8° = Theologische Bücherei. Neudrucke und Berichte
aus dem 20. Jahrhundert, Bd. 6. Kart. DM 10.—.

Der Verlag hat den Dank der Forschung verdient, daß er
einige schwer greifbare Aufsätze N.s neu veröffentlicht hat. Die
hier gesammelten Beiträge behandeln Probleme der alttestament-
lichen Theologie und erweisen wieder einmal jene souveräne
Überschau über den alttestamentlichen und altorientalischen
Literaturkreis sowie die Fähigkeit, mit knappen Sätzen wesentliche
Probleme herauszuarbeiten und zu klären, für die der Verf.
seit langem bekannt ist.

Der Band beginnt mit der Monografie über ,,D i e Gesetze
im Pentateuch (Ihre Voraussetzungen und ihr
Sinn)", 1940 in den Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft
erschienen und in dieser Zeitschrift Jg. 68/1943,
Sp. 241 f. von G. Beer besprochen; dem ist nur hinzuzufügen, daß
N.s Ergebnis auch in den seither verflossenen fünfzehn Jahren
nichts an Aktualität verloren hat. Seine These, daß die alttestamentlichen
Gesetze keinen abstrakten Gotteswillen zum Ausdruck
bringen, sondern nichts anderes bezwecken, als die vorgegebene
Ordnung des göttlichen Bundes zu wahren, — erst in
nachexilischer Zeit wird ,,das Gesetz" zu einer absoluten Größe —
wird nicht nur den Fachwissenschaftler, sondern auch den systematischen
Theologen noch lange beschäftigen.

In der Themastellung verwandt ist der Aufsatz: „Die mit
des Gesetzes Werken umgehen, die 6ind unter
dem Fluch" (Bulmerincq-Gedenkschrift 1938). Von
Gal. 3, 10 ausgehend, stellt N. die Frage, ob Paulus das alttesta-
mentliche Gesetz richtig gedeutet habe, wenn er es als fluchwirkend
versteht. Eröffnen nicht die feierlichen Gesetzesabschlüsse
Dt. 28 und Lv. 26 vielmehr die Möglichkeiten von Fluch und
Segen? Doch diese Abschnitte folgen nur dem üblichen altorientalischen
Brauch, Gesetze oder Verträge mit beiden zu beschließen
, bringen also keine besondere israelitische Auffassung zum
Ausdruck; diese zeigt sich aber darin, daß an beiden Stellen der
Fluch ein deutliches Übergewicht über den Segen innehat. Nach
deuteronomischer Vorstellung ist der Segen lange vor dem Gesetz
durch die Verheißung an die Väter gegeben, deshalb gibt es
im Grunde dem Gesetz gegenüber „nur eine menschliche Möglichkeit
eigenen, unabhängigen Handelns; das ist Übertretung,
Abfall" (S. 171). Damit aber Fluch und Gericht, vgl. Gal. 3, 10! —
Die kritische Frage entsteht angesichts Anm. 27 (S. 166), wo erwähnt
wird, daß das Dt. an einigen Stellen hinter Einzelforderungen
eine Segensverheißung setzt, für N. eine „sachliche Inkonsequenz
". Vielleicht aber war für den Israeliten der Segen kraft
göttlicher Verheißung und der Segen durch Gesetzeserfüllung
kein Gegensatz — wenn nämlich das Gesetz selbst als Verheißung

gedacht wurde, die der Mensch zu bewahren hat! Die Erfüllung
wäre auch dann kein menschliches Werk, der Abfall die einzige
Möglichkeit unabhängigen Handelns.

„Das alttestamentliche Bund schließen
im Lichte eines Mari-Textes" ist der Levy-Fest-
schrift 195 5 entnommen. In einem Brief an den König Zimrilim
berichtet einer seiner Funktionäre, daß er zwischen zwei menschlichen
Gruppen ein „Eseltöten" habe vollziehen lassen mit dem
Erfolg, daß eine Vereinbarung (salimum) zustande kam. Die
Ähnlichkeit zum Bundesschluß im AT, der zur Schaffung eines
salom führt, springt in die Augen. N. erwägt darüber hinaus,
ob das hebräische b^rit aus der Präposition birit „zwischen" entstanden
sei, die mit dem Eseltöten verbunden ist. Wichtiger ist
die Kritik an der Beritdarstellung Begrichs, der die Bundesauffassung
des alten Israel auf ein Schutzverhältnis beschränkt sehen
wollte, das ein überlegener Partner einem minder Mächtigen gewährt1
. N. weist demgegenüber darauf hin, daß nicht nur Gen. 31,
44—54, sondern auch in Mari vom Bund zwischen Gleichberechtigten
gesprochen wird; darüber hinaus gibt es eine dritte Form,
in der ein Höhergestellter zwischen zwei Partnern als Bundesmittler
auftritt.

Es folgt „Jerusalem und die israelitische
Tradition", ein Vortrag auf dem Leidener Alttestamentlerkongreß
1950. Wieder greift N. ein brennendes Problem alt-
testamentlicher Theologie auf. Die Bedeutung Jerusalems für das
israelitische Volk wurzelt in der Tat Davids, der die Stadt zum
politischen und — durch die Überführung der Lade — zum kultischen
Mittelpunkt der Stämme gemacht hat. Bei den Profeten
stehen aber später messianische Weissagungen merkwürdig un-
verbunden neben Aussagen über Jerusalem als Stätte der Gegenwart
Jahwes; N. folgert daraus mit Recht, daß das Heiligtum ein
Eigengewicht unabhängig von der politischen Einrichtung des
davidischen Königtums besaß. „Nur ein Kultobjekt mit schon
gefestigter und einmaliger Tradition konnte . . . Jerusalem zu
jener kultischen Rolle verhelfen", nämlich die Lade (S. 184).
Freilich tritt sie mit der Zeit in den Hintergrund, die Heiligkeit
der Stätte wird mehr und mehr unabhängig von der Lade, und
Jahwe Zebaoth wird zu dem, der „auf dem Berg Zion wohnt". —
Zum letzten Punkt mag man tragen, ob die Vorstellung von dem
auf dem Berge wohnenden (und thronenden) Gott nicht schon im
vorisraelitischen Jerusalem beheimatet war, wie man überhaupt
in den 6onst eindrucksvollen Aufsatz ein Eingehen auf die Einflüsse
, die von dieser Seite ausgegangen sind, vermißt.

„Gott, König, Volk im Alten Testament.
Eine methodologische Auseinandersetzung mit einer gegenwärtigen
Forschungsrichtung" (zuerst ZThK 47/1950, S. 157 ff.) nimmt
zu der heiß umkämpften Frage nach dem religiösen Rang der
israelitischen Könige Stellung. Was N. vorlegt, ist der bisher tiefgreifendste
Versuch, die Theorie vom göttlichen Königtum in
Israel zu widerlegen, wie sie unter skandinavischen und angelsächsischen
Forschern vertreten wird. Dennoch überzeugen die
Ausführungen nicht an allen Stellen. Zwar leuchtet es ein, daß
von einem semitischen oder auch nur nordwestsemitischen kultisch
-mythischen „pattern" nicht gesprochen werden kann. Auch
darin hat N. recht, daß Israel vor der Staatenbildung keine
zentrale Mittlergestalt zwischen Gott und Volk gekannt hat.
Ebenso leuchtet ein, daß im Nordreich, wo wenigstens in der
Theorie an der Designation des jeweiligen Königs durch Profetenmund
festgehalten wurde, für solche Ideen kein Raum war. Aber
Jerusalem? Wenn die geschichtlichen Überlieferungen von Abmachungen
berichten mit Volksvertretern, durch die David (und
später z. B. Rehabeam oder Joas) König wurden — schließt das
wirklich die Auffassung vom Königtum als einer göttlichen Weltordnung
aus (so S. 212 f.)? Hat Israel denn menschliches Wirken
und göttliche Schöpfung je entgegengesetzt? Bezüglich des
Königtums scheint mir gerade die von N. angezogene Thronnachfolgegeschichte
Davids zu andern Schlüssen zu zwingen (was
hier nicht entfaltet werden kann). In den „Adoptions"aussagen
Ps. 2, 7 (110, 3) 2. Sm. 7, 14 sieht N. „weniger einen Beweis für
ein davidisches Gottkönigtum... als vielmehr einen Hinweis

') Berit. Ein Beitrag zur Erfassung einer alttest. Denkform, ZAW
1944, S. 1—11.