Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

808-810

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schrey, Heinz-Horst

Titel/Untertitel:

Weltbild und Glaube im 20. Jahrhundert 1958

Rezensent:

Fischer, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

807

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

808

als die vom Verf. entwickelte: eine solche, bei der fragwürdig wäre, ob
man ihr das evangelische Zeugnis noch imputieren könnte.

Gerade wegen der Wichtigkeit der vom Verf. angeschnittenen Frage
für die systematische Theologie wäre eine Verständigung über dies
Problem dringend erwünscht und könnte vielleicht zeigen, daß sich trotz
der hier entschieden vorgetragenen Gegensätze die theologische Erörterung
in einem gemeinsamen Problemhorizont bewegt.

Ist Jesus von Nazareth der ermöglichende Grund der vier
Faktoren, so wird die Aufgabe der Theologie, speziell der Dog-
matik, doch erst vom Zusammentreten dieser Faktoren aus als die
Reflexionsgestalt des angefochtenen Glaubens bestimmbar (303).
„Der Anfang der Theologie überhaupt wie der Dogmatik ist der
Christ" (297). Aus diesem Sachverhalt entspringen die drei Grundprobleme
der Dogmatik: 1. Dogmatik gründet in der mündigen
Verantwortung des Einzelnen und ist doch nur möglich als Teilnahme
am christlichen Wir. 2. Dogmatik gründet allein im personalen
Gegenüber zu Christus und ist doch nur möglich als
Stellungnahme zu richtigen und falschen Satzwahrheiten. 3. Dogmatik
gründet in Vernehmen und Bezeugung des Evangeliums und
ist doch nur wirklichkeitsgemäß in der Auslegung des Gesetzes
als „lex universalis", als Bekenntnis zur Wirklichkeit des Sünderseins
, im Vollzug der Buße und im bezeugenden Ergreifen des
neuen Lebens (308). In der Unauflöslichkeit der damit aufgewiesenen
Spannungen wird die Geschichtlichkeit der christlichen
Existenz und damit aller dogmatischen Arbeit abschließend zum
Ausdruck gebracht (313).

Das Referat kann die Fülle der im Vollzug dieser Grundlegung
gegebenen Analysen und eigengeprägten, nicht immer
leicht verständlichen Gedankengänge nicht einmal andeuten. In
der Absicht, aus dem Horizont der Verkündigung Jesu Christi
die Wirklichkeit wahrzunehmen, greift diese Untersuchung in
weitem Rahmen die Einwendungen und Probleme auf, die —
programmatisch etwa in den Äußerungen von Bonhoeffer und
Ebeling zum Ausdruck gebracht — heute vor allem von den historischen
Disziplinen her der systematischen Theologie entgegengebracht
werden, angefangen bei der Neufassung der Frage nach
dem „historischen Jesus". Wer das Auseinanderstreben von
historischer und systematischer Theologie mit Sorge sieht, wird
daher nur wünschen können, daß dieses gewichtige Buch gerade
auch in seinen für die übliche theologische Sprache herausfordernden
Wendungen eine lebhafte Auseinandersetzung hervorrufen
möge, in der die hier vorgetragenen Probleme zu weiterer Verhandlung
kommen können.

Erlangen Wenzel Loh ff

Feiner, Johannes, T r ü t s c h, Josef, u. Franz Bö ekle: Fragen
der Theologie heute, hrsg. Einsiedeln-Köln: Benziger [1957]. 586 S.
gr. 8°. Lw. DM 26.80.

Es ist immer ein aussichtsloses Unterfangen, eine Gemeinschaftsarbeit
großen Umfanges angemessen zu rezensieren. Vielleicht
ist es einleitend am wichtigsten auszusprechen, daß dieses
von so namhaften katholischen Autoren als Spiegel gegenwärtigen
theologischen Denkens und Forschens verfaßte Werk nicht
nur in der Bibliothek der katholischen Geistlichen (für deren
Unterrichtung es geschrieben ist), sondern auch beim evangelischen
Leser vom Fach zu finden sein wird.

Das Werk bringt die 21 Spezialbeiträge (von 20 Vff.) in drei Abteilungen
unter: I. Fundamentalprobleme: Mythos und Offenbarung
(H. Fries); Glaube und Erkenntnis (J. Trütsch); Tradition (R.
J. Geiselmann); Inspiration und Irrtumslosigkeit der Hl. Schrift (J.
Schildenberger); Altes Testament (J. Schildenberger); Neues Testament
(R. Schnackenburg); Apostolische Nachfolge und Primat
(O. Karrer). II. Dogmatik: Natur und Gnade (K. Rahner);
Ursprung, Urständ und Urgeschichte des Menschen (J. Feiner); Christusbild
(A. Grillmeier); Mariologie (A.Müller); Einheit des Kirchen-
begriffs (O. Semmelroth); Kirche und Kirchen (Th. Sartory); Sakramente
(H. Schillebeeckx); Eschatologie (H. U. v. Balthasar). III. Praktische
Theologie : Moraltheologie (F. Böckle); Theologie und Sozialwissenschaften
(A.-F. Utz); Verkündigung heute (E. Haensli); Glaubensgrund-
lagen der liturgischen Erneuerung (F. Hofmann); Der Laie in der Kirche
(A. Sustar); Theologie der irdischen Wirklichkeiten (J.David).

Die Übersicht über die (abgekürzten) Titel der Beiträge —
bedeutsame Themen und von bedeutenden Fachleuten behandelt —
weckt starkes Zutrauen zur monographischen und enzyklopädischen
Zuverlässigkeit dieses neuen Werkes der Darstellung katholischer
Theologie. Auf protestantischer Seite käme dem in der Art
die mit ihren umfangreichen monographischen Artikeln noch
immer unüberbotene und — wenn neu verfaßt — so dringend
erwünschte Realenzyklopädie gleich. Wohltuend ist in der Wissenschaftlichkeit
des neuen Werkes die intensive Berücksichtigung
der wichtigsten Veröffentlichungen zu den speziellen systematisch
theologischen Bereichen, oft ohne Beachtung des Konfessionsstandes
. Die protestantischen Arbeiten sind z. T. besonders erwähnt
, z. T. — etwa im Abschnitt zur Moraltheologie, zu den
Sozialwissenschaften, zur Verkündigung — mehr versteckt in den
Anmerkungen zum Text. Über die dort bei allen Abschnitten
reichhaltig angeführte Literatur hinaus findet sich am Schluß jeweils
eine Liste mit „Literatur in Auswahl" (je 10 bis zu 80 Titel
). Ferner wird das ganze Werk erschlossen durch ein Personenregister
(moderne und alte Autoren) und ein zehnseitiges ausführliches
Sachregister. Wohl nicht ganz vermeidbar, aber u.U. bedenklich
, ist die z.T. einseitige Auswahl protestantischer Literatur. Das
macht bisweilen den Eindruck des Zufälligen. Karl Barth gilt als
der — sehr ernst genommene — protestantische Normaldogmatiker.
Das Buch ist überhaupt ein Zeugnis für seine Wirkung im katholischen
Raum. Auffällig ist, daß Asmussen elfmal, P. Althaus und
P. Tillich dreimal, C. Stange einmal, Brunstäd und Rud. Hermann
keinmal berücksichtigt wurden, obwohl diese Autoren zur Religionsphilosophie
, zur Ethik u. a. behandelten Themen Wichtiges
beigebracht haben. In diese Linie paßt dann auch, daß H. Schlier
zehnmal, ebensooft wie Schmaus, zu Worte kommt.

Wesentlich bleibt an diesem Werk die Tatsache, daß die
Verwandtschaft theologischer Fragestellungen und Erkenntnismethoden
, die Aufgeschlossenheit für die modernen Forschungsprobleme
und der Fortgang exegetischer, historischer und philosophischer
Erkenntnis konstatiert werden darf. Freilich stehen
daneben die den protestantischen Leser wie erratische Blöcke anmutenden
herkömmlichen dogmatischen Aussagen. Aber zunächst
wird er vielfach überrascht die Möglichkeit gemeinsamen wissenschaftlich
-theologischen Gesprächs begrüßen können, wie denn
auch Schildenberger „mancherlei Anregungen verwerten" kann,
„die ihm die akatholische Wissenschaft bietet" (l 30). Der katholisch
-kirchliche Standpunkt wird naturgemäß nicht verlassen. Kritik
an einzelnen oder grundsätzlichen Standpunkten ist dazu vom
Rez. auch nicht angebracht. Es ist klar, daß damit die ganze
kontroverstheologische Problematik aufgerollt werden müßte.
Wie könnte der katholische Autor die bahnbrechenden exegetischen
und theologischen Beiträge, die er von „akatholischen"
Forschern — wo es angeht und meist nicht zu laut — übernimmt,
noch allzu deutlich als solche herausstellen!

Die protestantische Theologie möchte ihrerseits Anteil — in
Auseinandersetzung — gewinnen an so sachlich gereiften Beiträgen
wie denen von Heinrich Fries (Mythos und Offenbarung), von
Joseph Trütsch (Glaube und Erkenntnis), von Karl Rahner (Natur
und Gnade), Joh. Feiner (Ursprung, Urständ und Urgeschichte
des Menschen), von Hans Urs von Balthasar (Eschatologie) und
an diesem und jenem Beitrag zur Praktischen Theologie auch.
Nicht, weil hier unbesorgter auf die allgemeine Wissenschaftsbasis
zurückgegriffen werden konnte, sondern weil Ernst und Aufgeschlossenheit
für die Problemlage, wie zugegeben oft von der
protestantischen Theologie in Gang gebracht, dazu verpflichtet.

Greifswald Horst B ein tk e r

S c h r e y, Heinz Horst: Weltbild und Glaube im 20. Jahrhundert. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht [1955]. 80 S. 8° = Kleine Vanden-
hoeck-Reihe 17. DM 2.40.

In der kleinen Vandenhoeck-Reihe, der wir eine Fülle wertvoller
Darstellungen aus allen Wissensgebieten für eine breitere
Öffentlichkeit danken, hat Heinz-Horst Schrey ein Bändchen
herausgegeben, das über Weltbild und Glauben im 20. Jahrhundert
orientieren will.

Er teilt seinen Stoff ein in 3 Abschnitte:

1. Zur Pathologie des Zeitgeistes.

2. Die Spannung von Weltbild und Glaube in Vergangenheit
und Gegenwart.