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Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

794-796

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Luojola, Yrjö

Titel/Untertitel:

Die Religionsauffassung Willy Hellpachs und die Theologie Friedrich Schleiermachers 1958

Rezensent:

Hermann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

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vielen Varianten durch rechtliche Verfügung — also Recht von
außen — und . . . nicht ohne eine beträchtliche Dosis Zufälligkeit
— für den Bereich der lateinischen Kirche Verbindlichkeit
erlangt hat" (S. 283). Jedenfalls hat man bei der amtlichen Festlegung
des Rituale Romanum 1614 „die Gelegenheit zu einem
wirklichen Neuansatz versäumt". Es erfolgt abschließend eine
Bestandsaufnahme der Taufordines des Rituale Romanum.

Die letzten Ziele der Arbeit des Verf.s zeigt das abschließende
Kapitel „Stellungnahme und Ausblick". Stärkste Kritik
findet die Tatsache, daß man zu einer sachgemäßen Konzeption
des Kindertaufritus nicht gekommen ist. Der Scrutinienritus, der
diese Aufgabe erfüllen sollte, muß als Fehlleistung gewertet
werden. Schon auf der Grundlage der Augustinischen Theologie
vom Glauben der Kirche wäre es möglich gewesen, „die Gemeinde
(und sei es auch nur und vorzüglich in der konkreten Gestalt der
Paten) in die Verantwortung für ihre unmündigen getauften
Glieder zu rufen" (S. 295). Statt den Paten fiktive Dialoge als
Sprecher für das Kleinkind zuzumuten, sollte man sie in Pflicht
nehmen, für den zu entwickelnden Glauben ihres Patenkindes
sidi verantwortlich zu wissen. In diesem Sinne müsse durch direkte
Übergabe des Credo und Paternoster an die Paten und
deren akzeptierende Antwort beim Taufakt gleichsam ein Pakt
zwischen ihnen und der Kirche geschlossen werden. Ebenfalls
werden Vorschläge gemacht, die Kindertaufe wieder zu neuer
liturgischer Gemeindebezogenheit zu bringen. Auch bei der Erwachsenentaufe
schlägt der Verf. weitgehende Änderungen vor
mit dem Ziel, „ 'dieEpiphanie des Mysteriums' durchsichtig zu
gestalten und dem mündigen Menschen die lebendige, 'tätige Teilnahme
' zu ermöglichen" (S. 301). Hier bedarf auch das Katechu-
menat eines wirksamen Ausbaues. Das Buch schließt mit dem
Satz: „Bessere Gestaltung gab es, bessere Gestaltung und lebendigerer
Vollzug sind auch heute möglich und wünschenswert. Der
Rest ist das Vertrauen darauf, daß die Liturgie so lebendig ist
wie die Kirche; ein Vertrauen, das einem gerade in der heutigen
Stunde der Kirche nicht schwer fällt" (S. 308). —

Die evangelische Liturgik und ganz besonders die liturgischen
Kommissionen der Landeskirchen haben alle Veranlassung, angesichts
der gegenwärtigen Arbeit auch an den Ordnungen der
Taufe das Buch Alois Stenzeis sehr sorgfältig zu studieren. Gerade
die Taufformulare lutherischer Tradition stehen ja über
Luthers Taufbüchlein von 1523 in unmittelbarer Verwandtschaft
zum römischen TaufoTdo. So ermöglicht das Buch die Nachprüfung
der ursprünglichen Bedeutung und dementsprechenden Gewichtigkeit
oder auch Fragwürdigkeit noch heute von uns beibehaltener
Stücke des Taufrituak Vor allem wird erneut die
Frage ausgelöstt, ob nicht auch wir zu einer vom Wesen der
Kindertaufe her geformten Taufliturgie kommen müßten, die das
Taufgeschehen der Gemeinde zugänglicher machen würde als die
auch heute noch bei uns in Übung stehenden Nachwirkungen des
ursprünglichen Taufrituals für erwachsene Taufbewerber. Ein Buch
wie das vorliegende läßt die Sorge wach werden, ob nicht eines
Tages die römische Kirche im Zuge ihrer gegenwärtig so aktiven
liturgischen Erneuerung ein Taufritual zu bieten imstande ist,
dem wir nichts Gleichwertiges an die Seite zu stellen hätten.

Greifswald William Nagel

Eismann, Georg: David Köler. Ein protestantischer Komponist des
16. Jahrhunderts. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1956]. 128 S. m.
28 Abb. u. Notenbeispielen. 8°. DM 8.—.

In der vorliegenden Arbeit tritt die Gestalt eines frühprotestantischen
Meisters an das Licht, über den bisher wenig bekannt
war. David Köler (um 1532—1565) wirkte als Kantor in Schönfeld
und Joachimsthal in Böhmen, sodann in Altenburg, kurze
Zeit als Hofkapellmeister in Schwerin und schließlich wieder als
Kantor in seiner Heimatstadt Zwickau. Die gut zu lesende Darstellung
des Verf.s vermittelt auf Grund von reichem Akten-
und Briefmaterial lebendige Bilder vom Leben und Arbeitsbereich
sowie von der Umwelt des Meisters, worin der eigentliche Wert
6einer Arbeit liegt. Fraglich ist, ob er für das richtige Verständnis
aller Zusammenhänge im einzelnen die nötigen fachlichen
Voraussetzungen mitbringt. So hält das Einleitungskapitel „Das
zeit- und kulturgeschichtliche Kräftespiel" nicht, was die Überschrift
verspricht. Oder wenn Eismann von der Zwickauer Schulordnung
von 1523 die Forderung mitteilt, „daß in den oberen
Klassen eine Ode des Horaz oder eine6 anderen lateinischen Dichters
vierstimmig (1) gesungen wurde" (S. 34), so wird der Eindruck
von etwas Außergewöhnlichem erweckt, indes es sich doch
dabei um gar keine Besonderheit, sondern um eine musikgeschichtlich
allgemein bekannte Tatsache handelt. Oder wenn
es heißt, daß „wesentlicher Übungsstoff in der einzelnen Klassensingstunde
. .. der einstimmige Choral- und Gemeindegesang
sowie die im Gottesdienst verwendeten liturgischen Gesänge"
(S. 38) gewesen seien, dann fragt man sich, was der Verf. unter
einstimmigem Choralgesang versteht, wenn eben nicht die liturgischen
Gesänge. Bei dem Satz „Von seinen (gemeint ist N. Her-
man) eingängigen Kirchenliedern leben heute noch die schönen
Weihnachtschoräle .Erschienen ist der herrlich Tag' (sie!) und
Xobt Gott, ihr Christen' " will man schwerlich an ein Versehen
glauben; es hätte doch spätestens bei der Korrektur bemerkt werden
müssen. - Für einen 2. Band kündigt der Verf. eine stilkritische
Untersuchung von Kölers nicht gerade umfangreichem
Werk an; erst dann wird ein Urteil darüber möglich sein, ob
dieser mehr als ein Kleinmeister gewesen ist. Sicherlich aber nimmt
er eine nicht unwichtige Stellung bei der Entstehung der deutschsprachigen
Motette (vgl. vor allem seine „Zehen Psalmen Davids"
von 15 54) aus dem Geist des Luthertums um die Mitte des 16.
Jahrhunderts ein. — Ein besonderes Lob verdient die schöne Bebilderung
des kleinen Buches.

Schlüchtern Walter B la n ken b u rg

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

L u o j o 1 a, Y.: Die Religionsauffassung Willy Hellpachs und die Theologie
Friedrich Schleiermachers. Turku: Turun Yliopiston Kustantama
1956. 148 S. gr. 8° — Turun Yliopiston Julkaisuja (Annales Universitär
Turkuensis). Serie B, Tom. 61. Fm. 450.—.

Der noch nicht allzu lange (1955) verstorbene Mediziner,
Psychologe und Philosoph Willy Hellpach war ein originaler
Denker und fesselnder Autor, dem es in seiner Lebensarbeit nicht
zuletzt um das Verständnis der Religion ging. Er trat für die
Bedeutung der Religion als lebendiger, zum menschlichen Wesen
gehöriger Wirklichkeit ein, die aber nun nicht den anderen Lebensgebieten
vornehmlich gegenübersteht, sondern sie durchdringt
und in sich einbezieht. Das betrifft vor allem das s i 11 -
I i c he Leben, aber überhaupt unser Dasein, Erleben und Streben
. Das Religiöse hebt 6chon bei den Instinkten an, vertieft das
Geistige und ist auf unsere Stellung in der Gesamtwirklichkeit
gerichtet. Ja, Hellpach vertrat, womit der Verf. seine Zusammenfassung
beginnt, eine „Pantheologie", d. h. er wollte „die Gesamtheit
der Wirklichkeit in das religiöse Denken" einbezogen
wissen (132).

Es ist nun ein entschiedenes Verdienst des Verfassers, eines
finnischen Theologen, die theologische Auffassung dieses in der
theologischen Literatur wohl etwas zu wenig berücksichtigten
Religionspsychologen aufgrund genauer Kenntnis darzustellen
und sie der religionsphilosophischen und theologischen Beachtung,
bzw. Kritik, dadurch näher zu bringen, daß er sie, szs. auf Schritt
und Tritt, mit der Theologie Schleiermachers vergleicht und sie
als mit dieser nicht nur verwandt, sondern auch von ihr abhängig
charakterisiert. Letzteres freilich cum grano salis, da Hellpachs
Selbständigkeit nicht zu verkennen sei, — in mancherlei Beziehung
, vor allem aber darin, daß er das Ethische betontermaßen
in das religiöse Leben selber hineinnehme. Schleiermacher dagegen
geht es bekanntlich zunächst um einen reinen und eigenständigen
Begriff der Religion.

Verf. bemüht sich demgemäß auch um Schleiermacher selbst
und entwickelt, mit vornehmlich kritischer Absicht, die Grundlinien
und Hauptlehren seiner Theologie und Religionsphilosophie
, gut unterrichtet und in Schi, selber, nicht zuletzt in seinen
nachgelassenen philosophischen Vorlesungen, tüchtig belesen. Die
Literaturbasis könnte freilich breiter sein.

Den Vergleich zwischen Hellpach und Schleiermacher, nahegelegt
durch H.s eigenes freudiges Bekenntnis zu Schi., 6ucht der
Verf. aber auch über H.s ausdrückliche Berufungen auf jenen