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Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

786

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Mélanges de philosophie et de littérature juives 1958

Rezensent:

Schoeps, Hans-Joachim

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Seite 1

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785

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

786

Hammer Schmidt, Ernst, DDr.: Grundriß der Konfessionskundc.

Innsbruck-Wien-München: Tyrolia-Verlag [1955]. 211 S. 8°.

H. legt seinen Grundriß historisch an. Nach einem kurzen
Überblick über die katholische Kirche der ersten Jahrhunderte behandelt
er zunächst die Spaltungen und Sekten der ersten Jahrhunderte
; denn es ist „für die Konfessionskunde lehrreich, auch
einen Blick auf diese Vorgänge zu werfen, da Gedankengänge
frühchristlicher Häresien auch bei neuzeitlichen Sekten in vergröberter
Form wiederkehren" (18). Dann stellt H. die Entwicklung
der östlichen Nationalkirchen und das große Schisma zwischen
Ost und West dar mit einem anschließenden kurzen Kapitel
über mittelalterliche und neuzeitliche Sekten im Morgen- und
Abendland, soweit sie mittelalterlichen Geistesströmungen entstammen
. Hierhin rechnet er auch die Unitarier und Sozinianer,
weil sie aus dem Humanismus herkommen. Durch diese Gliederung
des Stoffes wird der große Einschnitt, den die Reformation
bedeutet, gebührend betont. Die Reformation und die reformatorischen
Kirchen, dann europäische und amerikanische Sekten der
Gegenwart sowie Bewegungen aus der Mitte der katholischen
Kirche sind die Themen der folgenden drei Kapitel. Eine Skizze
der ökumenischen Bewegung bildet den Schluß des Buches.

H.s Grundriß, der in einem flüssigen Stil geschrieben ist, gibt
einen guten Überblick über die Konfessionskunde nach dem heutigen
Stande. Die konfessionelle Haltung des Verf.s, der 195 5
noch der römisch-katholischen Kirche angehörte, sich inzwischen
aber der altkatholischen Kirche angeschlossen hat, tritt zugunsten
der sachlich-historischen Darstellung zurück. Scharfe Worte
finden sich nur bei einigen Sekten: bei den amerikanischen Sektengründern
findet man einen „wahren Hexensabbat auf biblischem
Gebiet" (158); von dem adventistischen Bibellehrgang
„Stimme der Hoffnung" heißt es, daß er „von Unkenntnis biblischer
Theologie und des wirklichen Sinns der biblischen Worte
nur so strotzt" (160). Im übrigen wird auch vom Andersdenkenden
mit Achtung und mit dem Bestreben, ihm gerecht zu werden
, gesprochen. Streiten kann man darüber, wo die Grenze zwischen
christlichen und „pseudochristlichen" Sekten zu ziehen ist.
H. rechnet zu diesen die Christian Science, die Liberalkatholische
Kirche, die Christengemeinschaft und die Gralssekte vom Vomper-
berg. H. charakterisiert 6ie zwar kurz, bemerkt aber ausdrücklich,
daß sie „eigentlich nicht mehr in den Rahmen der Konfessionskunde
, sondern in die spezielle Religionsgeschichte" gehören (171).

An Unebenheiten und Unrichtigkeiten fiel mir folgendes auf: S. 10:
Planck ist nicht der Begründer der Symbolik schlechthin, die es schon
vor ihm bei den Lutheranern gab, sondern der komparativen Symbolik.
S. Ii: Die Konfessionskunde von Mulert erschien in 1. Aufl. bereits
1927. S. 118: Schleiermacher bestimmt die Religion nicht als „das Bewußtsein
der absoluten Abhängigkeit von Gott", sondern als schlecht-
hiniges Abhängigkeitsbewußtsein im Unterschied zum teilweisen Abhängigkeitsbewußtsein
; jenes ist nach ihm das Gottesbewußtsein, dieses
das Weltbewußtsein. S. 124: Ein Abschnitt über Maria die Blutige
scheint ausgefallen zu sein. S. 130: Das Konkordienbuch enthält auch
„die drei Haupt-Symbole": Apostolicum, Nicaenum, Athanasianum.
S. 131: Die 67 Artikel von 1 523 und die Theses Bernenses sind vor-
kalvinisch. S. 142: Die beiden Sachsen müßten untersdiieden werden.
S. 192: „offizielle Vertreter der römisch-katholischen Kirche" 1952 in
Lund waren doch wohl nur als Beobachter anwesend und haben an der
Beschlußfassung nicht mitgewirkt.

Halle/Saalo Erdmann Schott

Baeck, Leo: Dieses Volk. Jüdische Existenz. I. u. II. Frankfurt/M.:
Europäische Verlagsanstalt [1955/57]. 182 S. u. 326 S. 8°. L: kart.
DM7.50; Lw. 9.80. IL: kart. DM 12.80; Lw. 14.80.

Diese beiden Bände zu besprechen ist deshalb schwierig,
weil ihr literarisches Genus nicht feststeht. Sie stehen in der
Mitte zwisdien Predigt und Abhandlung; am besten wird man
sie als Meditationen über das Wesen und die Erscheinungsformen
des Judentums bezeichnen. Obwohl eine exakte gedankliche Deduktion
und eine durchschaubare Linienführung auf weite
Strecken zu fehlen scheint, gelangen doch so ziemlich alle Gehalte
und Themen des Judentums zur Besprechung. Die Ausführungen
wurden seinerzeit (1943-1945) in Theresienstadt auf
lose Blätter niedergeschrieben und waren ak eine Art persönliche
Rechenschaft gedacht. Zehn Jahre 6päter hat dann der über
80jährige Autor, der am 2. November 1956 in London verstorben
ist, noch selber die Veröffentlichung vorbereitet; der zweite
Band erschien bereits postum. Man wird diese Bände als ein
letztes Zeugnis und Vermächtnis des einstigen deutschen Judentums
religiös-liberaler Richtung in Ehren zu halten haben.

Erlangen Hans-Joadiim Schoeps

M e I a n g e s de Philosophie et de Litteraturc Juives. Tomes I et II
(Annees 1956—1957). Paris: Presses Universitäres de France [1957]
334 S. gr. 8° = Institut International d'fitudes hebrai'ques.

Diese Jahrbücher sind an die Stelle der von 1949—1952 erschienenen
„Revue de la Pensee Juive" getreten, in der das religiös
-liberale Judentum zu Wort kam. Diese vom Centre Hillel,
einem neuen Institut für hebrai6tische Studien in Paris, betreute
Publikation will der Wissenschaft vom Judentum dienen, die
heute in Europa keine eigenen Organe mehr hat. Die Aufsätze
des vorliegenden Bandes behandeln Themen der Theologie,
Philosophie, Geschichte und Literatur. Herausgehoben seien:
A. Dupont-Sommers Aufsatz über den essenischen Ursprung der
Qumränrollen (219-234), eine Zusammenfassung seiner inzwischen
in der Zeitschrift „Evidences" ausführlicher dargestellten
neuen Forschungen, Arbeiten von S. Pines über Jehuda Halevi
(253—260) und J. Shirmann wie A. Chouraqui über Salomon ibn
Gabirol (261-314). M. Buber schreibt über den Chassidismus
und den westeuropäischen Menschen (47—58), V. Jankelevitch
über Bergson und das Judentum (64—94); in Scholens Spuren
geht E. A. Levy — Valensis Arbeit über das radikal Böse und die
Erlösung in der jüdischen Mystik (134—152). Wissenschaftlich
ergiebig sind besonders zwei Spinoza-Studien von A. Goldenson:
Reflexions sur quelques doctrincs de Spinoza et de Hasdai Crescas
(95—133) und R. Misrahi: Le Droit et la Liberte Politique chez
Spinoza (15 3-172).

Erlangen Hans-JoachimSchor.ps

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

B e s e 1 e r, Hartwig u. Roggenkamp, Hans: Die Michaeliskirdie
in Hildesheim. Berlin: Gebr. Mann 1954. 181 S., 48 Zeichnungen im
Text, 6 Taf. Risse und Schnitte, 112 Abbildungen auf 40 Kunstdrucktafeln
. 4°. DM 50.—.

Der Architekt Hans Roggenkamp analysiert Proportionssysteme
des ottonischen Baues, der Kunsthistoriker Hartwig
Beseler stellt „Gestalt und Geschichte" eines Bauwerkes dar, das
zu den bedeutendsten Denkmalen frühmittelalterlicher Baukunst
gezählt werden darf. Die beiden Begriffe „Gestalt" und „Geschichte
" überschreiben das Inhaltsverzeichnis des B.schen Anteils
, sie hätten ebenso gut als Untertitel auf dem Titelblatt erscheinen
können: Sie bezeichnen Forschungsprogramm, geschichtlichen
Standort und methodische Grundeinstellung des gesamten
Werkes. Hier wird einmal gefragt nach der „Geschichte" der Kirche
, nach dem geschichtlichen Geschehen, in dem sie entstand,
nadi der Zeit der Entstehung und den Faktoren, die wirkten, nach
dem ganzen, vielfältigen Netz von Beziehungen, in dem jedwedes
Entstehende eingefangen ist. Zum anderen aber wird das Entstandene
als ein Ganzes genommen, das weder aus den einzelnen
Phasen seiner Entstehung noch aus einzelnen Komponenten des
geschichtlichen Prozesses noch aus der Summe seiner einzelnen
Teile verstanden werden kann und soll. Erstrebt wird die Erkenntnis
einer Ganzheit, die mehr ist als das Miteinander einzelner
Stoffe, mehr ist als die Wechselwirkung einzelner Elemente, die
beinahe verglichen werden kann mit der Lebendigkeit einer
menschlichen Gestalt.

An der Erforschung der „Geschichte" arbeiten die Kunsthistoriker
seit den ersten Tagen ihrer Wissenschaft, Fragen nach
der Entstehungszeit, nach Namen und Zahlen des geschichtlichen
Prozesses haben schon die vorwissenschaftlichen Kunsthistoriker
der Renaissance und des Barock gestellt. In den letzten 150 Jahren
ist eine Fülle allerfeinster Methoden entwickelt worden, mit
deren Hilfe der geschichtliche Charakter eine6 Werkes ermittelt
werden kann. Stilkritik verbindet sich mit der Analyse schriftlicher
Quellen, Bodenbefunde unterstützen Maueruntersuchungen,
Bauinschriften verschiedenster Art werden zum Sprechen gebracht.
Sogar in der Rekonstruktion längst vernichteter Formen können