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Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

783

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Portmann, Heinrich

Titel/Untertitel:

Kardinal von Galen 1958

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Seite 1

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783

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

784

Veröffentlichung. Hoffen wir, daß in absehbarer Zeit die dringend
benötigte kritische Gesamtdarstellung der in der Forschung bisher
so zurückgestellten letzten großen gesamtprotestantischen
Bewegung doch noch kommt. Möchte dann auch bei der deutschen
EB sehr deutlich ihr Standort innerhalb der gesamtprotestantischen
EB gezeigt werden. Anderseits könnte sie bei der heutigen
ökumenischen Konzentration auf die Patristik wieder stärker
an die anderen fruchtbaren ökumenischen Themen aus dem
19. Jahrhundert erinnern.

Leipzig Mfc • j ( Erich Bev reuther

Y cuy. v. i)

Portmann, Heinrich: Kardinal von Galen. Ein Gottesmann seiner
Zeit; Mit einem Anhang: Die drei weltberühmten Predigten. 5./6.,
erweit. Aufl. Münster: Aschendorff [1958]. 368 S., 25Taf. 8°. Kart.
DM 9.80; Hlw. DM 11.50.

Clemens August Graf von Galen, 1933—1946 Bischof von
Münster, ist eine der bemerkenswertesten Gestalten in der katholischen
Kirche der jüngsten Vergangenheit und zugleich eine der
markantesten Erscheinungen im Kampf gegen den Nationalsozialismus
. Am 18. März 1958 wäre er 80 Jahre alt geworden. Zu
diesem Zeitpunkt wurde daher seine vor zehn Jahren erstmalig
erschienene Biographie in erweiterter Form erneut vorgelegt. Die
Tatsache, daß das Lebensbild de6 am 22. März 1946, kurz nach
6einer Erhebung zum Kardinal und nach 6einer Heimkehr von
der damals recht beschwerlichen Romreise verstorbenen Bischofs
bereits in so vielen Auflagen verbreitet ist, beruht nicht nur auf
der Verehrung und Treue seiner Diözesanen, sondern auch auf
der Berühmtheit, die der „Löwe von Münster" durch sein mannhaftes
Auftreten im „Dritten Reich" in allen Schichten des deutschen
Volks und auch im Auslande erlangt hat. Der Verfasser
des vorliegenden Lebensbildes und langjährige Sekretär des Bischofs
berichtet teilweise als Augenzeuge über die damaligen Ereignisse
, beschreibt die Wirksamkeit des Bischofs in schweren und
schwersten Tagen und vermag vor allem ein inzwischen allgemein
als zutreffend anerkanntes Charakterbild zu entwerfen. Das
Buch ist lebendig und anschaulich geschrieben und besitzt bei
aller Genauigkeit der Darstellung die Vorzüge, die ein allgemein
zugängliches Buch haben muß. Der Anhang, der außer den drei
berühmten Predigten vom Sommer 1941 weitere zeitgeschichtlich
wichtige Dokumente im vollen Wortlaut bietet, erhöht für den
Historiker wie für jeden historisch interessierten Leser den Wert
dieses Bandes.

Münster/Westf. Robert Stupperich

KONFESSIONSKUNDE

Asmussen, Hans, u. Wilhelm S t ä h 1 i n, (Hrsg.): Die Katholizität
der Kirche. Beiträge zum Gespräch zwischen der evangelischen und der
römisch-katholischen Kirche. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1957].
392 S. 8°. Kart. DM 18.— ; Lw. 19.80.

Der vorliegende Sammelband mit Beiträgen von H. Asmussen
, H. Dombois, E. Kinder, P. Meinhold, O. Plank, K. B. Ritter,
W. Stählin und H. D. Wendland stellt sich die Aufgabe, die unterschiedlichen
Voraussetzungen und jenseits des Gegensatzes die
„Katholizität" von Protestantismus und Katholizismus an einigen
Hauptproblemen herauszustellen. Es ist bei aller Verschiedenheit
der Verfasser das gemeinsame Anliegen, die kirchengeschichtliche
Situation nicht zu versäumen, wie sie auf uns zukommt und
„das seit dem 16. Jahrhundert immer wieder abgebrochene Gespräch
" unumgänglich macht, sondern in Verantwortung die Begegnung
zu suchen und zu bestehen. Der gewichtige Beitrag von
Ernst Kinder zu „Schrift und Tradition" (S. 9—80) greift wohl
am weitesten über den Rahmen des Buches hinaus als eine grundsätzliche
Erörterung evangelischer Prinzipienfragen. Nicht minder
ist er aber als Begegnung mit der katholischen Theologie zu werten
, wie diese Begegnung besonders offen zutage tritt in K. B.
Ritters Beitrag zur Sakramentslehre („Kirche des Wortes und
Kirche des Sakramentes", S. 81—131), in Peter Meinholds Auseinandersetzung
mit dem katholischen und dem protestantischen
Verständnis der Geschichte der Christenheit („Grundfragen kirchlicher
Geschichtsdeutung", S. 133—160), in H. Asmussens gründlicher
Erörterung über das kirchliche Amt (S. 237—283), selbstverständlich
in seinen schon weiter bekannt gewordenen „Fünf
Fragen an die katholische Kirche" (S. 375—390), in O. Planks
Beschäftigung mit den (an Michaelsfest, Allerheiligen und Allerseelen
anknüpfenden) Gruppen der Engel, Heiligen und der „Abgeschiedenen
" („Unsere Verbindung mit der oberen Welt", S. 309
—374) und in Stählins programmatischem Aufsatz „Katholizität,
Protestantismus und Katholizismus" (S. 179—204). Die Beiträge
von Hans Dombois, „Zur Revision de6 Kirchengeschichtsbildes"
(S. 161-178) und „Der Kampf um das Kirchenrecht" (S. 285
—307), sowie H. D. Wendland (Gleichheit und Ungleichheit im
Leibe Christi und im christlichen Leben, S. 205—236) führen in
neuartigem und gesamtheitlichem Ansatz über protestantische und
katholische Anschauungen hinaus. Dombois begründet die unerläßliche
Revision des bisherigen Kirchengeschichtsbildes und
Kirchenrechtsverständnisses — sich mit P. Meinhold glücklich ergänzend
. Wendland führt unter dem Gesichtspunkt von Gleichheit
und Ungleichheit — „in und von diesem Gegensatze lebt die
Kirche"! (217) — recht wichtige Einsichten zum „Priestertum
aller Gläubigen" und zum Amt aus.

Zu einem solchen Werk mit der Fülle von neuartigen Gesamtproblemstellungen
bei konfessionell oft sehr freimütiger Kritik
nach hüben und drüben und auch deutlich unterschiedlicher
Position im einzelnen, ist es nicht möglich, Einzeldarlegungen vorzunehmen
, die den Leser als genügend eingeführt entlassen. Es
ist gar keine Frage, daß dieser Niederschlag von Erfahrungen des
Kirchenkampfes und ihre tastende oder prägnante Anwendung
entsprechende Beachtung verdient und einen dokumentarischen
Wert als Ausdruck einer evangelischen Besinnung auf die Einheit
der Christenheit hat. Daß bei dieser Bemühung eine Reihe kurzschlüssiger
oder einfach unrichtiger Urteile unterlaufen sind, sollte
gegenüber der großen Konzeption nicht allzu ernst genommen
werden. Sucht man nach einem gemeinsamen Standort der Beiträge
, so findet er sich in der in ständiger Berührung mit den
ältesten Traditionen ergehenden Umorientierung von
historischen Gegensätzen weg auf eine Einheit in aller Verschiedenheit
zu: eine Einheit, die Gott „längst selber gelegt hat"
(204). — „Katholizität" ist m. E. dabei freilich nur als Arbeitsbegriff
möglich I Und gerade in den Fragen der Verwirklichung
der Konzeption wird es brennend und werden die Meinunger. aufeinanderprallen
. Aber der Mut, die geschichtliche Entwicklung
ernst zu nehmen und, etwa hinweg über das Verzeichnen
der evangelischen Kirchen durch Rom und hinweg über das
Vergessen der hier in einer Gesamtschau analysierten Führungen
in den dreißiger Jahren bei den Bruderräten (vgl. S. 256ff.),
ein Neues zu pflügen, verlangt unsere Aufmerksamkeit und korrektive
Mitarbeit. Die lebhaftesten Bedenken stellen sich bei
Asmussens Abwertung der Lutherischen These „simul justus et
peccator" ein, die in ihrer eigentlichen Tiefe dort verfehlt ist.
Gleichwohl ist Asmussens Beitrag, wie die beiden von Dombois,
eine wichtige Darstellung des auf die Gesamtlage sich bemerkbar
machenden Wandels kirchlicher Grundfragen. Eine Antwort auf
die Frage nach dem Verhältnis der (sich selbst als Tradition enthüllenden
) Heiligen Schrift zur sog. Tradition gibt die das Konkurrenzverhältnis
von Schrift und Tradition überwindende Einsicht
E. Kinders: „Das Evangelium, um das es in aller kirchlichen
Tradition immer zuoberst zu gehen hat, nötigt zum Ernstnehmen
der Tradition, die es hervorrief, durch die es zu uns kommt, und
durch die es weiter ergehen will; es verbietet aber die Verabsolutierung
irgendeines Stückes von ihr. Es will sie im rechten Zusammenwirken
haben; und es will in allem seine heilschaffende
und schöpferische Eigenmächtigkeit behalten" (79).

An Fehlern im Drucksatz fielen mir auf: S. 88 (Zeilen vertauscht),
S. 248 (weiter), S. 250, Z. 10 (selbst), S. 263, Z. 11 (sinnfällig?).

Die in der Sammelarbeit vereinigten Beiträge zum Gespräch
zwischen der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche
dürfen gelten als ein Stück evangelischer Selbstbesinnung und
wollen dazu aufrufen. Ob das Sprechen auf die „Katholizität" hin
und das Rom vielfach kritische und auch sehr kritische Befragen
dort gehört und, allerlei Wandlungen voraussetzend, zur Begegnung
wird, ist allerdings eine Frage für sich.

Greifsvrald Horst B e i n t k e r