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Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

776-777

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte von Martin Luthers Schmalkaldischen Artikeln 1958

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

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Auch die vorliegende Arbeit ist alles andere als 6chon eine
Geschichte des Schmalkaldisdhen Bundes. Aber dem Verfasser
liegt daran, wenigstens die Vorgeschichte des Bundes und die
Geschichte selber soweit darzustellen, daß der Verlauf der Dinge
bis zur ersten Bundesverfassung von 1533 klar übersehbar wird.
In keiner der vorliegenden Arbeiten über den Bund ist (vgl. 127)
diese erste Bundesverfassung überhaupt erwähnt! Linter wieviel
Schwierigkeiten die erste Bundesverfassung zustande gekommen
ist (erst die Maßnahmen des Reichskammergerichtes gegen die
Evangelischen haben überhaupt dazu geführt, daß die Verfassung
angenommen wurde!), wird in der vorliegenden Arbeit deutlich
genug. Die weitere Geschichte der Bundesverfassung, die immer
wieder erhebliche Änderungen erfahren hat (vgl. die Kriegsordnung
, die erst 1537 dazu gekommen ist, und die letzten bedeutsamen
Veränderungen auf dem Frankfurter Bundestag von
1545/6), muß noch geschrieben werden. Die Entwicklung wird
sich nicht weniger kompliziert und problemreich erweisen als die
bis 1533.

Die Verdienste der vorliegenden Arbeit scheinen mir im
Folgenden zu liegen: 1. Die Vorgeschichte des Bundes wird aufgehellt
. Und zwar wird nicht nur die evangelische Einung, wie
sie dann im Schmalkaldisdien Bund ihren am stärksten sichtbaren
Ausdruck gefunden hat, bis zu ihren Anfängen zurüdcverfolgt
(Torgauer Bund von 1526), sondern es wird darüberhinaus deutlich
gemacht, daß die Elemente der Schmalkaldischen Bundesverfassung
bis zum Magdeburger Bund von 1526 (Erweiterung des
Bundes von Torgau), ja bis zur letzten Verfassung des Schwäbischen
Bundes von 1522, dem Philipp von Hessen wie die oberdeutschen
Städte angehörten, nachweisbar sind. 2. Die verschiedenen
Entwürfe einer Bundesverfassung, die seit 1529 (!) hergestellt
worden sind und zur Verfassung von 1533 geführt haben
, werden bekanntgemacht und interpretiert. 3. Die eigentliche
Gründung des Bundes wird schon als im Dezember 1530 erfolgt
erwiesen, wenn auch die Gründungsurkunde das Datum vom
27. Februar 1531 erhalten hat. 4. Es wird dargetan, daß der Bund
ein Zusammenschluß zur Glaubensverteidigung gewesen ist, daß
aber die beiden prominenten Bundespartner Hessen und Kursachsen
ihre besondere Politik, auch im Bund und mit Hilfe des
Bundes, verfolgt haben, die sich nicht lediglich auf Glaubenssachen
bezog, und daß die besondere Bündnispolitik der beiden
Mächte die Geschichte des Bundes und seiner Verfassung mit bestimmt
haben. Wichtig sind die Ausführungen über weitere Einungen
, denen Hessen wie Kursachsen angehörte — Saalfelder
Bund und Rheinische Einung, gerichtet gegen Habsburg (Ferdinands
Königswahl). 5. Ein besonderes Anliegen ist es dem Verfasser
, deutlich werden zu lassen, welche Persönlichkeiten den
stärksten Einfluß auf die Entwicklung von Bund und Bundesverfassung
genommen haben: Brück, Landgraf Philipp und Jakob
Sturm von Straßburg. Philipp hat im allerstärlcsten Maße eigene
Interessen verfolgt und ist von Anfang an von Kursachsen mit
Mißtrauen angesehen worden (zeitweise auch, und das im Anfang
schon, Hinwendung zu Habsburg). Verfasser hat besondere
Neigung, die Rolle von Brück stark herauszuziehen, dessen Nachfahr
er ist. Darum auch die Brück-Bibliographie am Ende des
Buches!

Die Arbeit ist verdienstlich. Sie arbeitet geschichtliche Einzelvorgänge
heraus, die bislang so nicht zu übersehen waren. Möchte
sie ein erster Beitrag zu einer noch zu schreibenden Gesamtgeschichte
des zweifellos hoch bedeutsamen, aber doch auch einer
kritischen Betrachtung bedürftigen Bundes von Schmalkalden
sein! Darüber, wie notwendig es ist, daß diese Geschichte geschrieben
wird, ist hier nicht zu handeln. Eine wirkliche Beurteilung
der nichtschmalkaldischen Protestanten wie Moritz von
Sachsen oder Joachim II. von Brandenburg wird sicher erst möglich
sein, wenn die kritische Geschichte des Schmalkaldischen
Bundes geschrieben ist. Wir wollen also hoffen, daß ein Anfang
gemacht ist, der fortgesetzt werden wird.

Eine Einzelheit: Anm. 25 auf S. 11 ist gänzlich unverständlich
. Was hat der 1525 verstorbene Friedrich der Weise mit der
Reformation im Bistum Merseburg zu tun, die weit nach seinem
Tode erfolgt ist?

Markkleeberg/Leipzig Franz Lau

V o 1 z, Hans, Dr.: Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte von
Martin Luthers Schmalkaldischen Artikeln (1536-1574). Unter Mitarbeit
v. Heinrich Ulbrich hrsg. u. erläutert. Berlin: de Gruyter 1957.
234 S. 8° = Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, 179.
DM 19.50.

Vielfältig und über mehrere Jahrzehnte sich erstreckend ist
die Geschichte der Schmalkaldischen Artikel. Gerade in letzter
Zeit ist die Diskussion um ihre Entstehung zwischen Volz und
Bizer wiederaufgelebt (vgl. ZKG 67, 1955/56 und 68, 1957). Als
Verhandlungsgrundlage für ein eventuell zu beschickendes Konzil
wurden die Artikel auf ausdrücklichen Wunsch des sächsischen
Kurfürsten Johann Friedrich von Luther verfaßt. Erst langsam
konnten 6ie sich ihren Platz als Bekenntnisschrift erkämpfen.
Endgültige Anerkennung fanden sie erst mit der Aufnahme in
das Konkordienbuch. Die Dokumente sind Legion, die die wechselvolle
Geschichte dieser Artikel widerspiegeln: Briefe, Bedenken
, amtliche Verlautbarungen, Druckschriften, Gesprächsaufzeichnungen
, Verhandlungsprotokolle, Rechnungen und vieles
andere mehr. Naturgemäß für die Jahre 1536—1538 häuft sich
das Material.

Hier liegt auch das Schwergewicht der Volzschen Edition,
die sich in sechs Hauptteile gliedert:

1. Die Konzilsausschreibung und der kurfürstliche Auftrag
an Luther (Konzilsbulle Paul III., vier Briefe).

2. Die Niederschrift der Lutherschen Artikel und die Wittenberger
Theologenkonferenz (Dezember 1536) (Tischreden Luthers
, seine Einladungsschreiben, seine Erkrankung am 18. und
19. Dezember 15 36, die Schmalkaldischen Artikel in ihrer Erstfassung
mit den Zusätzen und Korrekturen von 1538 in einem
besonderen Apparat u. a.).

3. Die Ausschreibung des Bundestages nach Schmalkalden
und die Stellungnahme des Kurfürsten Johann Friedrich zu Luthers
Artikeln (u. a. Briefe Melanchthons, aus denen die kurfürstliche
Ansicht hervorgeht).

4. Die Verhandlungen über Luthers Artikel auf dem Bundestag
in Schmalkalden und die Entstehung von Melanchthons
„Tractatus de potestate et primatu papae".

a) Die Reise der Wittenberger Theologen nach Schmalkalden
(Reiserechnungen und -briefe).

b) Die Verhandlungen in Schmalkalden (Briefe und Aktenstücke
).

c) Die Verhandlungen in Schmalkalden (Berichte von Städteboten
und Gesandten).

5. Die Veröffentlichung der Schmalkaldischen Artikel als
einer Privatarbeit Luthers und ihre Aufnahme bei den Gegnern.

a) Die Prorogation des Konzils,

b) Die Drucklegung der Schmalkaldischen Artikel (Kritik
des Cochläus und seine Gegenschrift sowie die von Witzel und
Hoffrneister im Titel, dazu Luthers mündliche Stellungnahme).

6. Die Entwicklung der Schmalkaldischen Artikel zur Bekenntnisschrift
. (Neuausgabe von 1543, 1553, 1554 und 1574,
Briefe, Vorreden und Denkschriften.)

Das Entscheidende an dieser von Volz veranstalteten Sammlung
iet die nun leichte Zugänglichkeit der bisher meist sehr verstreuten
Dokumente. Daß sich dabei auch viele zum ersten Male
abgedruckten Stücke befinden, ist nur ein weiterer besonders zu
betonender Punkt. Volz bietet außerdem einen vielfach berichtigten
Textabdruck bisher schon bekannter Stücke. So druckt er
z. B. den Brief des Kurfürsten an Luther vom 7. Januar 15 37 nach
dem eigenhändig korrigierten Konzept des Fürsten aus dem
Weimarer Archiv ab. Bisher war nur der nach einer Abschrift in
Gotha veranstaltete Druck in der Weimarer Briefausgabe bekannt.
Hier hatte O. Gemen seinerzeit nur Enders übernommen, ohne
auf den Sachverhalt hinzuweisen — noch dazu unter Angabe der
Weimarer Signatur. Dieses Beispiel mag für die Wichtigkeit der
Volzschen Publikation für die reformationsgeschichtliche Forschung
genügen; die Beispiele ließen sich aber noch beliebig vermehren
. Dem Studenten und Historiker wird hier eine Sammlung
von Quellen an die Hand gegeben, die von einem ausgezeichneten
Kenner der Materie unter weitgehender Erhaltung der ursprünglichen
Orthographie veranstaltet wurde. Ob die Schmalkaldischen