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Ausgabe:

1958 Nr. 11

Spalte:

770-771

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stauffer, Ethelbert

Titel/Untertitel:

Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu Christi 1958

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 11

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„ägyptischen" Textform, die sich stärker mit „westlichen" Textzeugen
berührt als spätere ägyptische Zeugen, noch besser herauszustellen
und auch für das übrige Neue Testament zu isolieren.
Noch wichtiger aber scheint mir, daß Zuntz durch seine Beobachtungen
an den Korrekturen im Papyrus 46 das Vorhandensein
alexandrinischer philologischer Methode bei der Entstehung dieser
Handschrift nachweisen konnte; denn dadurch ist die schon
seit langem aufgestellte Behauptung, daß der als besonders gut
anzusehende älteste „ägyptische" Text nicht einfach ein gut erhaltener
alter Text ist, sondern seine Güte einer guten Methode
der Text herstellung verdankt, jedenfalls für die Paulusbriefe
exakt bewiesen. Da6 ist nicht nur eine wichtige Erkenntnis
für die Geschichte der alten Kirche, sondern kann auch unser Zutrauen
zu dem Wert dieser handschriftlichen Überlieferung
erheblich verstärken. Es wäre sehr zu wünschen, daß auch in
dieser Richtung weiter geforscht würde. Die Arbeit von Zuntz
aber wird niemand übersehen dürfen, der sich mit der Frage nach
der methodisch zuverlässigen Begründung unseres neutestament-
lichen Textes ernstlich befassen will.

Versehen innerhalb der sehr sorgfältigen Wiedergabe der textkritischen
Tatbestände sind mir nur ganz wenige aufgefallen. S. 61
letzte Zeile lies Hebr I. 4 (statt I. 8); S. 62, Z. 3 ist die Angabe „(ta
P*")" zu streichen; der Papyrus liest ro (vgl. das Faksimile und Conjec-
tanea Neotestamentica XI, 41); S. 257 ist aufgrund desselben Versehens
eine deswegen hinfällige Folgerung gezogen; S. 163, Z. 24 lies
Nc (statt N*). wie das Faksimile eindeutig ergibt; S. 254, Z. 5 lies
„Rom. XII. 1" statt XIV. 10.

Marburg/Lahn Werner Georg Kümmel

Ridderbos, Herman N.: When the Time Had Fully Comc. Studies
in New Testament Theology. Grand Rapids/Mich.: Eerdmans Publ.
Co. [1957]. 104 S., kl. 8° = Pathway Books. $ 1.50.

In dem wie die ganze Reihe für einen größeren Leserkreis
bestimmten Pathway Book 3 behandelt der Kampener Neutesta-
mentler vor allem Themen seiner größeren Arbeiten1: Das Verständnis
der Gottesherrschaft nach den Synoptikern (Kap. I), die
Bedeutung der Bergpredigt (II), den heilsgeschichtlichen Charakter
der Paulinischen Predigt (III), die Bedeutung des Gesetzes
Gottes in der Paulinischen Erlösungslehre (IV), schließlich die
Beziehung zwischen Heilsgeschichte und Autorität des Neuen
Testaments (V).

Hier will R. offenbar einen gewissen Unterschied zwischen
den Evangelien und den sonstigen Schriften des Neuen Testaments
machen (94); in welchem Sinn, wird nur angedeutet: in
jenen liegt das Kerygma im ursprünglichen Wortsinn vor, in diesen
— besonders bei Paulus — die ausgeführtere Lehre (94 f.). Die
Autorität der Evangelien beruht auf der Autori6ierung der Apostel
als Ohren- und Augenzeugen durch Jesus (83). Wenn auch
die Evangelien keinen genauen Bericht der Geschichte Jesu geben
und nicht in Einzelheiten harmonisiert werden können, so schließt
ihre Autorität doch ihre historische Zuverlässigkeit ein; nichts im
Neuen Testament ist der Aufsicht des Heiligen Geistes entgangen
(92 f.). Paulus redet in für uns oft kaum verständlichen kos-
mologischen Ausdrücken (nous, sarx), sein dreistöckiges Weltbild
ist nicht das unsere. Aber von Gottes Offenbarungshandeln
in Christus her ist das Neue Testament das unfehlbare Wort Gottes
(96). Karl Barths Begriff des Wortes Gottes ist als spiritua-
listisch abzulehnen, weil er dieses nicht mit der Schrift identifiziert
wissen will (80).

Von diesem Schriftverständnis her wird das eindringliche Bemühen
R.s besonders begreiflich, die Einheit der Verkündigung
Jesu und der Predigt des Paulus möglichst weitgehend aufzuzeigen
. So behauptet er nicht nur, daß die Forderungen der Bergpredigt
lediglich Beispiele der rechten Erfüllung des alttestament-
lichen Gesetzes geben (36—38), dessen Bestimmungen für das
„natürliche" Leben durchaus in Geltung bleiben (41 f.), sondern
ist bemüht, nachdem er die negative Bedeutung des alttestament-
lichen Gesetzes bei Paulus klar herausgestellt hat, bei ihm einen
tertius usus legis für den Christen aus Rom. 13, 8—10; Gal. 5, 14;

') De komst van het Koninkrijk, Kampen 1951. — De strekking
der Bergrede naar Mathheüs, ebd. 1936. — Paulus en Jesus, ebd. 1952.—
The epistle of Paul to the churche6 of Galatia, London s1954. — Heils-
gesdiiedenis en Heilige Schrift van het N.T., Kampen 1955; usw.

6.2; l.Kor. 9, 21 zu erheben (73—76); an den beiden letzten
Stellen dürfte indessen nicht vom Alten Testament die Rede
6ein, und die beiden ersten sprechen nicht von einem usus legis.
Im übrigen stellt R. in Kap. II heraus, daß die Bergpredigt nicht
zu verstehen sei ohne die Verkündigung der Gottesherrschaft (28)
und das Kreuz (als den Offenbarungsort der Liebe, die in der
Bergpredigt gefordert wird; 32 f.); sie wendet sich an den Menschen
, der von Gott das Heil empfangen hat (31 f.).

Die Gottesherrschaft tritt mit Jesus in die Geschichte ein (18),
60 betont R. in Kap. L Es gibt keine Gottesherrschaft ohne
Messias und keinen Messias ohne ekklesia, die Jesus, als der Menschensohn
und als der Gottesknecht, in Tod und Auferstehung
repräsentiert (22 f.). Das geschlossene Bild von dem Verständnis
des Reiches Gottes durch Jesus, das R. ohne jede Scheidung
zwichen Jesusworten und Gemeindeüberlieferung gewinnt, ist
mindestens in seiner Weise durchaus eindrücklich. R. erweist sidi
ganz allgemein als ein guter Kenner der wissenschaftlichen Diskussion
zum Neuen Testament; wenn er von ihren Ergebnissen
nur in bestimmten Grenzen Gebrauch macht, so ist das durch
seine andersartige Beurteilung (z.T. kann man auch sagen: in
seinen Vor-Urteilen) begründet. Kap. I und II beginnen mit einem
sachgemäßen Überblick über die Geschichte der Auffassung von
Gottesherrschaft und Bergpredigt in der neueren Forschung.

Mit ihr setzt sich R. dann auch in Kap. III auseinander, wenn
er die Formel „in Christus" mit der Rechtfertigung zusammenschaut
und beide heilsgeschichtlich versteht (56): auf Golgatha
sind die Seinen mit Christus gestorben, im Garten des Joseph von
Arimathia mit ihm auferstanden (55); dahinter steht die Vorstellung
von dem Messias, der sein Volk repräsentiert (bei Paulus
: die prädestinierte Kirche; 56 f.). R. sieht (in Abgrenzung
von Luthers einseitiger Hervorhebung der Rechtfertigung, 47 f.;
auch sonst distanziert sich R. betont von Luther) die Rechtfertigung
mit der Geistgabe zusammen als eschatologisches Ereignis
(50 f.); die Rechtfertigung besteht (consist) im (neuen) Leben, im
Geist (52). Kann der Rez. hier am weitestgehenden zustimmen,
so möchte er doch auch die Auseinandersetzung mit anderen
Partien des Heftes für lohnend halten.

Halle (Saale) Gerhard Delling

S t a u f f er, Ethelbert: Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu Christi.

Bern: Francke Verlag 1957. 164 S. kl. 8° = Dalp-Taschenbücher 331.
sfr. 2.80.

Schon der Buchtitel zeigt, daß S. sich hier wieder einmal mit
einem seiner zentralen Forschungsgebiete befaßt, dem er in entsagungsvoller
Arbeit schon so viele Ergebnisse abgerungen hat.
Dem Charakter der Taschenbuchreihe entsprechend gibt er seine
besonderen Einblicke in die Zeitgeschichte Jesu Christi in der
Verbindung eindringlicher Quelleninterpretation und -nähe mit
erstaunlich „aktueller" Darstellungsweise. Solch eine spannungsgeladene
, lebendige und doch bis ins einzelne durchkonzipierte
Führung der „Fabel" bleibt selbst bei vielen Romanen nur Desiderat
; auch hier ist sie, wie gesagt, voll gerechtfertigt, zumal so
„schwierige" Quellengruppen wie die Qumräntexte oder so komplizierte
Institutionen wie das Große Synhedrium einem breiteren
Leserpublikum kaum anders dargeboten werden können. Auf die
Gefahren dieser Darstellungsweise, die mindestens teilweise an
eine unhistorische Modernisierung (S. 24: „um es ganz modern
und nüchtern zu sagen") streift, muß jedoch auch hier verwiesen
werden, wobei einige Beispiele für sich sprechen können.

Wenn (S. 14) von „Kampfgruppe der Chasidim" („Frommen") gesprochen
wird, so lassen sich trotz der grundsätzlichen Aktualität des
Terminus verschiedenartigste Vorstellungen damit verbinden. Formulierungen
wie „der frostige Augustus" (S. 9 5) oder „Simon Magus war
eine propagandistische Natur" (S. 101) erscheinen recht gesucht, wobei
ich nicht verkennen will, daß die Fülle gerade von biographischen Bemerkungen
und Skizzen, die S. in seine Darstellung einbaut, naturgemäß
Sdiwierigkeiten bereitet. Titus als Kronprinzen und „Gcneralstabschef"
zu bezeichnen (S. 9 5), ist mindestens unexakt. Ähnliche Großzügigkeit
begegnet aber sehr häufig.

Der Schwerpunkt des Buches liegt, was der Titel nun nicht
ohne weiteres erkennen läßt, auf Jerusalem bzw. auf dem Judentum
; Rom ist von den 12 Kapiteln nur eines ausdrücklich gewidmet
(II: Die römische Reichsmetaphysik in Ost und West) — und