Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

726-727

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Tuchel, Klaus

Titel/Untertitel:

Von Wesen und Ursprung des Bösen 1958

Rezensent:

Tuchel, Klaus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

725

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

726

33,11) dem Leben gilt. Aus dieser elementaren Neigung heraus hat
der Gott seinen Willen zum Recht insoweit begrenzt, als er noch den
rechtens verdammten Frevler, statt ihn sofort hinzurichten, zu Umkehr
und Leben mahnen läßt und dem widersetzlichen Volk gegenüber seinem
Mitleid Raum gibt, statt es umzubringen (20, 17). Schlägt er doch vernichtend
zu, so hat er zuvor sich selbst bezwingen müssen (5, 11; 7, 4. 9;
8, 18; 9, 6. 10). Den Geschlagenen zeigt er sich dann in einer Tarnung
als Feind, den das Unheil erfreut (6,11). Von den Wirkungen dieser
Perversion muß Ez. mehr sprechen als von der göttlichen Neigung zum
Leben; das hebt diese Neigung aber nicht auf. Ursachen, welche sie
bedingten, lassen sich nicht finden. Affekt und Tat des Erbarmens gehen
aus dem Lebenswillen Gottes hervor; er nicht aus dem Affekt. Dieser
Befund wird nicht geändert durch die Begründungen jener Verheißungen,
welche für Israel Leben bedeuten (34,11; 11,17; 36,24; 37,21;
20, 34a, 41 f.). Die Begründungen dienen lediglich dem Zweck, einer
möglichen Selbstüberschätzung des begnadigten Volkes entgegenzuwirken
. Jahwes Neigung zum Leben wird durch sie nicht zu einer relativen
Größe, sondern bleibt unergründbarer und bestimmender Zug seines
Wesens.

Tannert, Werner: Jeremia und Deuterojesaja. Eine Untersuchung
zur Frage ihres literarischen und theologischen Zusammenhanges.
Diss. Leipzig 1956, 108, XVI S.

Die Botschaft Deuterojesajas weist literarische Berührungspunkte
mit der Botschaft Jeremias auf. Bisher hat die Forschung Parallelstellen
innerhalb der Schriften beider Propheten weithin nur aus der Einzelexegese
zu klären versucht. Dabei wurde das Urteil über einzelne Belegstellen
zuweilen vorzeitig ausgeweitet zur Beurteilung des Gesamtzusammenhanges
. So kam es zu Zufälligkeiten und Unschärfen in der
Konzeption des Verhältnisses zwischen Jeremia und Deuterojesaja.
Ferner mußte bisher bei vergleichenden einzelexegetischen Befunden
auch die Frage nach etwaigen traditionsgeschichtlichen Zusammenhängen
prophetischer Aussage unbeantwortet bleiben. Eine Antwort auf diese
Frage ist aber deshalb von Bedeutung, weil sie Auskunft darüber geben
könnte, was an prophetischer Kritik und prophetischer Heilserwartung
aus der letzten vorexilischen Zeit in das babylonische Exil hinübergerettet
, innerhalb der judäischen Gola tradiert und durch den namenlosen
Exilspropheten zur Ausformung seiner Heilserwartung herangezogen
wurde.

Deshalb geht die Untersuchung der Frage nach, in welchem Umfang
ein Zusammenhang zwischen Jeremia und Deuterojesaja besteht,
welcher Art die literarischen Gemeinsamkeiten sind und wie ihr Zusammenhang
theologisch zu interpretieren ist.

Damit ist die Aufgabe gegeben, das literarische Vergleichsmaterial
aus der Gesamtbotschaft beider Propheten zusammenzustellen, die
literarischen Gemeinsamkeiten auf Wesen und Herkunft zu untersuchen
und ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen. Dabei wird vorausgesetzt,
daß sich literarische Beziehungen nicht in rein sprachlicher Übereinstimmung
erschöpfen.

Um an einigen Stellen beiläufig den Nachweis einer spezifisch prophetischen
Tradition erbringen zu können, wird der literarische Zusammenhang
zunächst in 4 thematisch gegliederten Kapiteln dargelegt:
1. Kap.: Die Erwählung des Volkes (I. Die Brautzeit Israels, 2. Der
Schöpfer als Erwähler, 3.Berith —als Ausdrude der Erwählung); 2. Kap.:
Heil für die Deportierten; 3. Kap.: Das Gericht als Läuterung; 4. Kap.:
Umkehrung der Unheilspredigt in Heilsbotschaft und Weiterführung der
Heilsverheißung. Ein 5. Kapitel untersucht gemeinsame Bildworte beider
Propheten (1. Der Becher Jahwes; 2. Die Hand Jahwes; 3. Der Töpfer;
4. Die Hirten). Im 6. Kapitel werden nachtragsweise kleinere Anklänge
in Einzelworten geboten.

Das Ergebnis der Durchsicht zeigt eine Vielfalt in der Art und im
Grad der Abhängigkeit innerhalb des literarischen Zusammenhanges.
Nachgewiesen werden direkte literarische Abhängigkeit einzelner Ausdrücke
(kanäh. l'"bonah. cajit — Kap. 6) und teilweise wörtliche Übernahme
und Fortführung jeremianischer Sprache in der Hcilscrwartung
für die Gola (Kap. 2) neben einer ganz verschiedenartigen Verwendung
einzelner Bilder (Hand Jahwes; Hirten — Kap. 5, 2 und 5,4) und Begriffe
(berith — Kap. 1.3 und zaraph — Kap. 3,2). In der Weiterverwendung
von Bildern finden sich Beispiele, in denen Deuterojesaja gegenüber
Jeremia ein Bild in gleicher Weise aber in Beziehung auf eine
neue Situation anwendet (Becher Jahwes — Kap. 5, 1), neben einem Beispiel
, in dem ein vorgeformtes Bild von beiden Propheten unabhängig
voneinander eingeführt wird (Töpfer — Kap. 5. 3). Ferner wird eine unmittelbare
Anknüpfung Deuterojesajas an Jeremia in der Umkehrung
von Unheilsdrohung zur Heilsweissagung festgestellt (Kap. 4). Eine besondere
Art des Zusammenhanges zwischen beiden Propheten zeigt sich
in ihrer gemeinsamen Abhängigkeit von geformter hymnischer Tradition
in wörtlicher Übereinstimmung (Kap. 1,2) neben einer Aufnahme gemeinsamer
Tradition in einer voneinander unabhängigen Diktion (Israels
Brautzeit in der Wüste — Kap. 1, 1). Beachtenswert ist, wie sich
die Textstellen Deuterojesajas, die einen Zusammenhang mit Jeremia

aufweisen, auf die Zeit der Wirksamkeit des Exilspropheten verteilen:
Ein beträchtlicher Teil des herangezogenen Textmaterials stammt aus
der ersten Zeit Deuterojesajas (9 Belege). Von den übrigen Stellen entzieht
sich ein erheblicher Teil einer genauen zeitlichen Fixierung
(7 Belege). Nur 2 Belege haben wir aus jener Zeit, in der sich der Bruch
der Zukunftserwartung Deuterojesajas vollzieht, und nur eine Stelle
findet sich aus den letzten Wirkungsjahren des Propheten, die durch die
Cyruserwartung geprägt sind. Daraus folgt, daß Deuterojesajas Rede
in der ersten Zeit stärker von jeremianischer Sprache geprägt erscheint
als in der Zeit der Krise oder gar in den letzten Jahren, wenngleich
sich Spuren einer Beziehung auf Jeremia bis in die letzte Zeit Deuterojesajas
verfolgen lassen. Es ist auffällig, in welch hohem Maße der Exilsprophet
, der im übrigen durchaus eigenwillig mit der Tradition um-
Sjht, Gedankengänge und Inhalte der Verkündigung seines propheti-
sdien Vorgängers in seine Botschaft aufnimmt.

Das 7. Kapitel versucht zu begründen, warum Deuterojesaja in der
dargelegten Weise eine literarische Beziehung zu Jeremia aufweist. Nach
einer Klärung der Vorfrage über das Verhältnis von prophetischer Eigenart
und Bindung an die Tradition schließt sich ein Vergleich beider
Prophetenpersönlichkeiten an. Der Vergleich ergibt Linterschiede im
persönlichen Erleben prophetischer Existenz (Berufungserlebnis, Krise).
Die Gemeinsamkeiten bestehen im Auftrag, der beide Propheten universal
an die Völkerwelt und national an das eigene Volk weist. Alle
persönlichen Gemeinsamkeiten (Erwählung, Schutzzusage) stehen jedoch
im unmittelbaren Zusammenhang mit der prophetischen Verkündigung.
Das beweist, daß Deuterojesajas Interesse weniger an der Person Jeremias
als an dessen Botschaft haftet. Weil aber gerade audi die persönlichen
Gemeinsamkeiten prophetischer Existenz sämtlich unter dem
Blickpunkt der sachlichen Weiterführung prophetischer Botschaft stehen
, ist der literarische Zusammenhang zwischen Jeremia und Deuterojesaja
theologisch nur zu erklären als eine Bindimg an prophetische
Tradition.

Tuchel, Klaus: Von Wesen und Ursprung des Bösen. Eine Auseinandersetzung
mit der Theologie des 19. Jahrhunderts. Diss. Münster
1956. XI, 179 S.

Die Intensität, mit der auf theologischem und philosophischem
Gebiet in den letzten Jahrzehnten die anthropologische Problematik
diskutiert worden ist, zwingt zu einem neuen Durchdenken der Hamar-
tiologie. Die Arbeit hat sich zur Aufgabe gesetzt, zur Klärung der
Frage

beizutragen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Beziehung
die Wirklichkeit des Bösen erkannt werden kann und was mit
seiner theologischen Benennung als Sünde gesagt ist. Die theologische
Frage nach dem Wesen und Ursprung des Bösen verweist auf die Sünde
des Menschen, in und an der ,das Böse' in Erscheinung tritt. .Das Böse'
ist kein absolutum, sondern zunädist aus dieser Bezogcnheit zu verstehen
. Darum ist die theologisdie Anthropologie der Ort, an dem
dieser Tatbestand erkannt wird und zu verhandeln ist.

Unter Voraussetzung des Satzes, daß der Mensch nicht aus sich
selbst, sondern nur aus Gott zu erkennen sei, hängt die Antwort auf
die gestellte Frage von der Art dieses .Erkennens aus Gott' ab. Eine
Erhellung dieses Vorganges versucht die Arbeit, indem sie in Auseinandersetzung
mit Luther, Schleiermacher und der Begrifflichkeit des
Neuen Testaments danach fragt, was unter der Offenbarung Gottes zu
verstehen sei und wie die Erkenntnis des Menschen sich zu dieser Offenbarung
verhält. Dabei ergibt sich, daß man an keiner Stelle von dem
Einbezogensein des Menschen in den Offenbarungsvorgang absehen
kann und daß daher auch nicht Gottes Offenbarung als Objekt dem
Menschen als Subjekt des Erkennens gegenübergestellt werden kann.
Sofern man mit der Theologie des 19. Jahrhunderts von einem .Wesen'
Gottes spredien will, liegt dieses hinter Gottes Offenbarungshandcln
verborgen und ist dem Mensdien nicht zugänglich. Entsprechend ist zu
sagen, daß auch der Mensch noch ein Wesen außerhalb und jenseits des
als Gesetz und Evangelium zwiespältigen Betroffenseins durch die Offenbarung
Gottes hat. Dieses als wahre Ebenbildlichkeit Gottes in Jesus
Christus erschienene Wesen hat ebenfalls seine Eigenart darin, daß es
nicht im Zusammenhang der Zeitlichkeit aufgeht, sondern auf das Ende
der Zeiten als die Aufhebung der Zeitlichkeit verweist.

Im Gegensatz zu diesem den Offenbarungsbegriff bestimmenden
Ernstnehmen der Verborgenheit Gottes stellte die Theologie des
19. Jahrhunderts im allgemeinen die Frage nach dem Wesen Gottes und
in Analogie dazu die nach dem Wesen des Menschen. Diese verobjektivierende
Tendenz ermöglichte ihr es, vom bösen Menschen auf .das
Böse' als vorzufindende Eigenschaft zu schließen, die nicht dem ganzen
Menschen eignet, sondern an ihm vorgefunden wird und von seinem
Wesen zu unterscheiden ist. Als Probleme ergeben sich a) Wie verhält
sich das Böse zur .Natur' des Menschen, die immer noch als ein
schöpfungsgemäßer guter Rest in ihm da ist? und b) Wie verhält sich
das Böse zu Gottes Schöpfer- und Erlösersein, zu seiner Vorsehung und
Erhaltung? Unter dieser Fragestellimg ist es grundsätzlich gleich, ob
man mit Julius Müller, mit dessen großer Monographie die Arbeit sidi