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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

721-722

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Eberhard

Titel/Untertitel:

Der Gottesdienst in der evangelischen Schloßkirche zu Dresden 1958

Rezensent:

Schmidt, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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die göttliche Norm in gleicher Weise eine beherrschende Rolle. Eine
doppelte Linie läßt sich hier verfolgen. Einerseits läuft dem Wissen um
die göttliche Norm mit der Fixierung des Gesetzes eine Veräußcrlichung
und Rationalisierung des Rechtsdenkens parallel. Es kann hier zu einer
den lebendigen Glauben gefährdenden oder gar bedrohenden Starre in
der Beziehung Gott-Volk und Gott-Mensch kommen, der am meisten
die Psalmen erlegen sind, die man am ehesten mit dem Terminus
..Rachepsalmen" belegen könnte. Man wird aber eher wegen der Verwandtschaft
zur Magie von ..Fluchpsalmen" zu sprechen haben, wenn
man einen eigenen Titel gebrauchen will. Daneben zeigen aber auch
gerade die Klagelieder und die Weisheitspsalmen, daß sich eine lebendige
Beziehung von unmittelbarer Glaubenstiefe erhalten hat, die in
persönlicher Verbindung mit dem strafenden und rettenden Gott steht.

Neben den Ergebnissen der formgeschichtlichen Schule werden im
ganzen Verlauf der Arbeit religionsgeschichtliche Vergleiche gezogen und
dabei mit besonderem Gewinn der ,,Hofstil" und die babylonische
Beschwörungspraxis herangezogen.

(Erscheint in veränderter Fassung im Druck.)

Schmidt, Eberhard: Der Gottesdienst in der evangelischen Schloßkirche
zu Dresden. Diss. Halle 19 56, III, 2 51, XXXI S., 8 Taf.

Der kurfürstliche Hof zu Dresden hat sowohl für die Liturgiegeschichte
als auch für die Kirchenmusik der lutherisch-orthodoxen
Kirche des 16.Il7. Jahrhunderts hervorragende Bedeutung. Johannes
Walter, Hans-Leo Haßler und Heinrich Schütz haben als evangelische
Kirchenmusiker an diesem Hofe gewirkt. Den Theologen und den Kirchenmusiker
unserer Tage bewegt die Frage: Wie mag der Gottesdienst
ausgesehen haben, in dem Walter und Schütz wirkten? An welchem
liturgischen Ort wurden ihre Kompositionen aufgeführt? Wie verhielt
sich der Gesamtablauf des lutherischen Gottesdienstes in Dresden zu
ihren kirchenmusikalischen Kompositionen? Der Verf. ist dieser bisher
kaum beantworteten Frage (z. B. ist in der Schützbiographie von Hans-
Joachim Moser: Heinrich Schütz, Sein Leben und Werk, 2. Aufl. Kassel
1954 das Problem der liturgischen Einordnung der Werke Schütz' kaum
berücksichtigt) mit den Mitteln historisch-kritischer Forschung nachgegangen
; dabei konnte er im Landeshauptarchiv Dresden und in der
Sächsischen Landesbibliothek eine große Anzahl handschriftlicher liturgischer
Akten auffinden, die uns einen umfangreichen Einblick in Gottesdienst
und Liturgie am Dresdener Hofe gestatten. Unter den Quellen
befindet sich z.B. eine 3 80-seitige handschriftliche Kirchenordnung für
die kurfürstliche Hofkirche aus dem Jahre 1581, in der sämtliche
Gottesdienste (Vespern, Wochenpredigten und Hauptgottesdienste) des
Kirchenjahres mit genauer Angabe der Lieder und Lektionen einzeln
aufgeführt sind. Der Verf. verglich die spezialen Quellen des Dresdener
Hofgottesdienstes mit den gedruckten kursächsi6chen Agenden und den
mitteldeutschen evangelischen Kantionalbüchern. Ferner wurden sämtliche
im 16. u. 17. Jahrhundert in Dresden gedruckten Gesangbücher
zum Vergleich herangezogen. Verordnungen des Oberkonsistoriums in
Dresden, die uns in großer Zahl im Landeshauptarchiv Dresden und in
der Ratschulbibliothek Zwickau erhalten sind, orientieren den Leser
über die Ausweitung des Gottesdienstes im 17. Jahrhundert, besonders
über die Bereicherung des Predigtteiles. Zahlreiche Predigten Dresdener
Hofprediger, die im Druck erhalten sind, wurden berücksichtigt. Der
Beziehung von Predigt und Sakrament im Dresdener Hofgottesdienst
des 16./l7. Jahrhunderts ist ein eigenes Kapitel gewidmet, wobei auch
über das Verhältnis der Beichte (sowohl der offenen als auch der geheimen
Bcidite) zum heiligen Abendmahl im Dresdener Gottesdienst
nachgedacht wird. In einem kurzen Abschnitt über Baugeschichte und
Innenarchitektur der Kirche, in der der Hofgottesdienst stattfand, wird
die Wechselbeziehung von Liturgie und Raum, von Liturgie und Kunst
angedeutet. Anhand der handschriftlichen liturgischen Quellen und
anhand zahlreicher Anstellungsordnungen aus dem Landeshauptarchiv
Dresden wird das Amtsverständnis der im Dredener Hofgottesdienst
wirkenden Personen untersucht. Dabei hat der Verf. dem Amtsverständnis
des Kapellmeisters Heinrich Schütz besondere Aufmerksamkeit
zugewandt. In den handschriftlichen liturgischen Ordnungen, die uns
aus der Zeit des Kurfürsten Johann-Georg II. (1656—1680) vorliegen,
wird der Kirdienmusik besonderer Wert zugemessen. Zuweilen werden
in diesen Gottesdienstordnungen Kompositionen von Heinrich Schütz
unter ausdrücklicher Angabe seines Namens genannt; z.B. die Johannispassion
im Frühgottesdienst des Karfreitag 1665 und die Auferstehungs-
historie in der Vesper des 1. Ostertages 1665. Zahlreich sind die Angaben
über die Verwendung de« Beckerschen Psalters in der Schütz-
schen Vertonung. Unter den genannten kirchenmusikalischen Werken
überwiegen jedoch die lateinischen Konzerte und Psalmenkompositionen
der italienischen Dresdener Kapellmeister Albrici, Peranda und C. Palla-
vicino. Der Verfasser konnte einen Teil dieser in den Gottesdienstformularen
aufgeführten Kompositionen mit handschriftlich überlieferten
Kompositionen in der Sächsischen Landesbibliothek und in der
Deutschen Staatsbibliothek Berlin identifizieren.

Die Darstellung umschließt den Zeitraum von der Reformation des
Albertinisch-Wettinischen Herrscherhauses 1 539 bis zu dessen Konversion
zum römischen Bekenntnis am Ende des 17. Jahrhunderts. Innerhalb
dieses Zeitraumes kann der Dresdener Hofgottesdienst in seinen geschichtlichen
Wandlungen von der reformatorischen Schlichtheit bis zur
barocken Übersteigerung aufgezeigt werden. Orthodoxe Starre und individualistische
Auflösung des liturgischen Lebens am Dresdener Hofe
werden dabei in gleicher Weise deutlich.

Der Monographie sind im Anhang einige Auszüge aus den benutzten
handschriftlichen liturgischen Quellen in photomechanischer Wiedergabe
beigefügt.

Seeber, Waltraud: Der Weg der Tradition von der Lade Jahwes im
Alten Testament. Diss. Kiel 1956, 157 S.

Im Unterschied zu der bisher geübten Methode, die Ladetexte nach
Herkunft, Aussehen und Zweck der Lade zu befragen, soll versucht
we[den, den Texten auf Grund des augenblicklichen Standes der Lite-
rarkritik mit Hilfe von form- und traditionsgeschichtlichen Erwägungen
ihre historischen Aussagen abzugewinnen. Dazu werden zuerst die bisherigen
Ergebnisse zu den einzelnen Fragenkomplexen möglichst vollständig
zusammengestellt. Für die Exegese wurde folgende Reihenfolge
gewählt: 1. Sam. 4—6; 2. Sam. 6; 1. Kg. 8; Chr.; Nu. 10, 29—36; Dt. 10,
1—8; 27, 1—14; 31, 9—13; Jos. 8, 30—35; Ex. 37; Ex. 25; Jos. 3; 4; 6;
Nu. 14,44; l.Sam. 3, 3 (Ps. 132 und die übrigen Stellen werden innerhalb
der anderen Abschnitte mit behandelt).

Die Ladetradition tritt uns im Gewände verschiedener Überlieferungen
entgegen: Bericht, Beschreibung, Predigt (Paränese), Jahwerede,
unpersönliche Anweisung.

Auf dem Bericht basiert die Bitte Nu. 10, 3 5 f. Die Sam-Lade-
geschichte ist ein durch Reden vorwiegend aus der sakralen Sphäre veranschaulichter
Bericht. Sie läßt den Bruch erkennen zwischen dem einstigen
„pansakralen" Mutterboden und der bewußt vollzogenen Trennung
zwischen Sakral und Profan. Denn der Wunsch nach Veranschaulichung
sakraler Vorgänge kommt aus der Reflexion.

Das wird noch deutlicher in 1. Kg. 8, wo die Beschreibung schon
eine Rolle spielt. Beschreibung ist dann vonnöten, wenn das zu Beschreibende
nicht mehr selbstverständlich und Allgemeingut ist.

Eine eigenartige Mischung von Bericht und Beschreibung zeigt
Ex. 37, während Ex. 25 deutlich von paränetischem Interesse geleitet ist.
In paränetischem Zusammenhang erscheint die Lade erstmalig Dt. 10.
1—5. Ein Vergleich mit Ex. 34, 1—4 macht das deutlich. Im Vordergrund
steht das Streben, die Gesetze mit Hilfe des Berichtes einzuschärfen.
Die vielleicht den Geboten zuzuordnende, ihnen eigentümliche Form
dürfte die Jahwerede sein, die „du sollst.. ." und „du sollst nicht. . ."
gebietet. Im Zusammenhang mit der Lade tritt die Jahwerede nur in
kultischen Befehlen in Jos. 3; 4; 6 und in der davon abgeleiteten Mosc-
rede auf (Ex. 25; Dt. 27; Jos. 8). In Chr. genügt sogar die Anordnung
Davids, und zwar bei kultischen Belangen in unpersönlicher Form, wie
sie später die Mischna häufig gebraucht.

Es finden sich hier zwei nebeneinander laufende, form- und traditionsgeschichtlich
gleichwertige Redetypen: Bericht und Jahwerede.
Der Bericht spiegelt in der menschlichen Reaktion das Erlebnis des übermächtigen
Gottes. Er findet in der Geschichtsschreibung seine besondere
Fortführung. Andererseits wirkt er da6 Interesse an der Beschreibung
von Details.

Die Jahwerede, die ihren ursprünglichen Ort vielleicht in der
Orakelantwort hatte, ist der Ausdruck der Erfahrung der Realität des
dotteswortes. Im weiteren gehören hierher alle Arten von Geboten,
Gebotsreihen, kultischen Anweisungen, Agenden usw. und schließlich
auch die unpersönlichen und anonymen Formen in der Chr. und der
Mischna. Anhand der Ladetradition als ganzer und besonders von
Dt. 10, 1—5 und V. 8—11 legt es sich nahe, die beiden Formen verschiedenen
Erlebniskreisen zuzuweisen: Bericht und Auszugs- bzw.
Schilfmeerüberlieferung; Jahwerede und Sinaitradition. In der dt. Predigt
finden wir sie zusammengewachsen, aber so, daß die Naht noch deutlich
erkennbar ist. P. kombiniert den beschreibenden Bericht von Ex. 37
mit Paränese und läßt dadurch nicht nur Rückschlüsse auf seine Theologie
zu, sondern auch darauf, daß er aus alter, bereits fest formulierter,
reflektierter Tradition schöpft. P. hat also einen vergleichsweise jüngeren
Ansatzpunkt als Dt. ihn ahnen läßt.

Parallel zu diesem Formenwandel läuft eine Änderung in der
Auffassung der Lade. Nu. 10, 3 5 f. ist der einzige Text, der uns unmittelbar
in die Zeit des Geschehens versetzt. Zwar ist auch er wie
alle rituelle und metrische Form durch das Filter der bewußten Gestaltung
gegangen, aber er ist ein Stück einer alten Aufbruchsliturgie und
daher unmittelbar zu dem Geschehen. Die Sam-Ladegeschichte zeigt
auch hier wieder etwas von der Übergangssituation. Man kann sagen,
der Bruch zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit zum Geschehen
geht nach 1. Sam. 6 mitten durch sie hindurch. Doch hat das noch kei-