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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

720-721

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Sauer, Georg

Titel/Untertitel:

Die strafende Vergeltung Gottes in den Psalmen 1958

Rezensent:

Sauer, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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logie bzw. in allen Schichten der mand. Literatur findet, muß auf die
Ursprünglichkeit und alte« Gut geschlossen werden (so bei Kustä bzw.
Laufa, Wasserzeichnung bzw. Versiegelung, Bekränzung, Handauflegung
und Namennennung; sekundär sind Olzeichnung und die „Um-
bindung"). Die in reicher Auswahl herangezogenen Umweltsparallelen
zu den einzelnen Themen beweisen, daß die mand. Riten Berührungen
zu Judentum, Gnosis, Manichäismus, Iran und Christentum aufweisen.
„Wortgottesdienstliche Elemente" legt Abschnitt 4 vor. Der irdische
Kult hat sein Vorbild im „himmlischen Gottesdienst". Die Rezitationen
bestehen aus verschiedenen Gattungen (Bitten, Gebete, Hymnen, Lobpreisungen
, Responsien), die ein wesentlicher Bestandteil des offiziellen
Kultes und Gabe der Lichtwelt sind. Der Verdienstcharakter und die
an die Wirksamkeit des gesprochenen Wortes anknüpfende magische
Wirkung des Gebets fehlen nicht. Primär ist das dreimalige tägliche
Gebet (jüdisch); sekundär sind die Vigilien, das (persische) fünfmalige
und (christliche) siebenmalige Gebet. Für den liturgischen Bereich (§ 22)
konnte eine heute verblaßte ursprüngliche dialogische Gestaltung des
mand. Gottesdienstes nachgewiesen werden. Da die mand. Religion
wesentlich Kultreligion ist, ist eine Verwurzelung eines großen Teiles
der mand. Literatur in einer Art „Lehrvortrag" gegeben; das zeigt sich
auch an Stil und Aufbau einzelner Traktate. Ebenfalls festzustellen ist,
daß die mand. Gemeinde eine eigene Beichtordnung und Beichtliturgie,
vermutlich in Verbindung mit der Taufe, besessen haben muß. Die
Beichtpraxis zeigt Gemeinsamkeiten mit der persischen und manichä-
ischen.

Abschnitt 5 behandelt die Totenzeremonien (§ 25—27). Neben
der Taufhandlung ist der zweite Hauptritus der Mandäer das Ritual
des „Aufstiegs" (Masiqtä). Seine umfangreiche Ausgestaltung geht auf
eine einfache Form der rituellen Begleitung des Seelenaufstiegs zurück,
die den Sinn hat, den Weg der abgeschiedenen Seele durch die überirdischen
(dämonischen) Sphären zu unterstützen und zu sichern, damit
sie glücklich ins Lichtreich und in die himmlische „Laufa" eingehen
kann. Dazu dienen in erster Linie Hymnen- und Gebetsrezitationen.
Die ganze Fatiriahandlung erweist sich bei näherer Betrachtung als sekundär
. Auch die verschiedenen Totenmahle (Lofani, Zidqä-Brikhä,
Dukhranä) sind u. E. nicht zum primären Bestand gehörig (s. § 27),
sondern stellen sekundäre Zutaten aus dem iranisch-persischen Bereich
dar und knüpfen einmal an den ursprünglich nur mythologischen Begriff
der Laufa („Verbindung, Gemeinschaft") und zum anderen an die
neilsnotwendige, kultisch verankerte Rolle des Almosens (zidqä) an.
Ursprünglich wird u. E. die Rolle der „Reisezehrung der Seele" das
Mahl des Sterbenden gespielt haben. Ob nicht doch ein irgendwie geartetes
Totenmahl im Mandäischen älteren Datums ist, ist auf Grund
der Quelle nicht zu entscheiden.

In Abschnitt 6 (§ 28—31) werden rituelle Schlachtung, Priester-
und Tempelweihe und Hochzeitszeremonie dargestellt. Die kultischen
Zeiten werden im 7. Abschnitt betrachtet (§ 32 u. 33). Die Sonntagsfeier
der Mandäer geht offenbar letztlich auf den „dies 6olis" der antiken
Planetenwoche zurück (Mithrasreligionl), ist aber dann vom christlichen
her beeinflußt worden (Habsabä). Doch ist eine ursprüngliche
Sabbatfeier der Mandäer wahrscheinlich (vgl. bes. die Bedeutung des
„Vorabend des Tages", anpia jömä). Der mand. Festkalender ist zum
größten Teil sekundärer Natur und zeigt 6tark persischen Einfluß auf,
aber auch eine ältere mesopotamisch-jüdische Schicht.

Die historisch-kritischen Untersuchungen beschränken sich auf die
beiden Zentralriten Taufe und „Seelenmesse" (§ 34—36). Als Urbestand
der Masbütä wurde folgendes Ritual festgestellt: dreimalige Untertauchung
(urspr. Selbsttaufe), dreimalige Zeichnung (mit Wasser), dreimaliger
Wassertrunk, Bekränzung, Handauflegung, Kustä, Brot-Wasser-
Mahl, Kusta. Grundlegend ist die Taufe-Mahl-Einheit. Auf Grund der
gewonnenen Ergebnisse ist es möglich, die mand. Taufe als unabhängig
vom christlichen (syrisch-nestorianischen) Taufritual zu erweisen und
die Lietzmannsche Auffassung als unbegründet zurückzuweisen. Nur
einige Erweiterungen und Angleichungen an das nestorianische Ritual
(ölweihe und -Signierung, Wasserweihe? Schlußgebete) sind nachweisbar
. Auch in bedeutungsmäßiger Hinsicht läßt sich keine Abhängigkeit
der mand. Taufe von der christlichen feststellen; gewisse Gemeinsamkeiten
gehen auf gemeinsame Wurzeln (jüdischer Baptismus) oder gegenseitige
Beeinflussung zurück. Die babylonische und iranische Waschungspraxis
zeigt keine signifikante Ähnlichkeit mit der mand. Volltaufe
. Nur die häretisch-jüdischen Taufsekten liefern das einzige Vergleichsmaterial
, da hier die .Baptismen' eine zentrale Stelle im Kult
erhalten haben und offenbar an Stelle des jüdischen Opferkultes getreten
sind; vgl. auch die einheitliche Taufterminologie (sba, sb'). Weiterhin
zeigt das spärliche und mannigfach überlagerte syrisch-gnostische
Material, daß die mand. Taufe in Auffassung und Ritus in diesen Bereich
gehört. Das ältere Stadium der mand. Taufe wird jedoch durch
ihre Wiederholung gegenüber den einmaligen Initiationsriten gnosti-
scher Kreise belegt. In ihr setzt sich die alte Tradition der rituellen
(jüdischen) Waschungen fort. Sie geht zurück auf eine gnostisdie Interpretation
jüdischer Waschungsriten, die wiederum ihre besondere Ausgestaltung
in häretischen Kreisen gewonnen haben. Die gnostisdie Tauflehre
der Mandäer ist so zwar „sekundär", aber sie vereinigt Gnosis
und Wasserkult in der Weise, daß eine eigene und selbständige Einheit
geschaffen wurde: eine syrisch-gnostische Taufsekte.

Als älteste Gestalt der Masiqtä-Zeremonie werden folgende Grundbestandteile
festgestellt: Taufe bzw. Waschung, Wasserzeichnung, Bekleidung
, KuSStä, Mahl (Reisezehrung), Rezitation der Masiqtä-Hymnen.
Die Vergleichung mit iranisch-persischem, manichäischem, syr.-christ-
lichem und syr.-gnostischem Material führt zu dem Ergebnis, daß die
mand. „Totenmesse" ein iranisch-gnostisdies Produkt ist. Die praktischkultische
Sicherung des Seelenaufstiegs gnostischer Kreise muß als primär
angesehen werden (vgl. Totenzermonien der Markosier) und ist
offenbar in Syrien (als Vermittler iran. Seelenaufstiegsvorstellungen)
beheimatet. Ist somit der zentrale kultische Kern der mand. Religion in
das Gebiet der vorchristl.-syr. Gnosis zurückführbar, so ist damit der
bisher nur auf Grund der Stil- und Motivforschung vermutete Ursprung
der Urmandäer erst mit Sicherheit festzustellen. Die kultische Ontogenese
sichert die mythologische und umgekehrt.

Sauer, Georg: Die strafende Vergeltung Gottes in den Psalmen.
Eine frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchung. Diss. Basel 1957. III,
257, XIII S.

Die Arbeit ist aus dem Bemühen erwachsen, dem Problem der
„Rachepsalmen" näherzutreten. Aus den Voruntersuchungen ergab sich,
daß die Basis, die sich nur auf die „Rachepsalmen" beschränken wollte,
aus inhaltlichen Gründen zu klein ist. Läßt sidi doch die Zahl der hierher
gehörenden Psalmen nicht fest umreißen, wie ja auch der Terminus
„Rachepsalmen" kein eingeführter Begriff im Sinne der Gattungsforschung
ist. Gerade mit Hilfe dieser Methode läßt sich vielmehr zeigen,
daß die Aussagen der „Rachepsalmen" nur Teile im Aufbau verschiedener
Psalmengattungen, besonders natürlich der Klagelieder sind, die
das die Feinde strafende Eingreifen Jahwes erbitten. Es gibt also keine
Psalmen, die nur die „Rache" zum Inhalt hätten.

Diese Erkenntnis hat dahin geführt, das Problem der „Rachepsalmen
" in dem größeren Rahmen der strafenden Vergeltung Gottes
in den Psalmen zu sehen. Die Arbeit weitete sich damit zu einer Betrachtung
von etwa zwei Drittel aller Psalmen aus.

So wurde an den Anfang ein erster gesdiiditlicher Teil gestellt, der
einen Abriß der Geschichte der Auslegung der Psalmen, die dieses
Problem berühren, von der Reformation bis in die Gegenwart geben
will. Der Schwerpunkt liegt dabei bei Luther und Calvin und im
19./20. Jahrhundert. Die Übersicht über die verschiedenen Auslegungen
offenbart zugleich die grundsätzliche Stellung der Exegeten zur hermc-
neutischen Frage des Alten Testaments. Es konnte festgestellt werden,
daß der Terminus „Rachepsalmen" zum ersten Male bei F. A. G.
Tholuck (Übersetzung und Auslegung der Psalmen, Halle 1843, S. 64)
auftaucht (Seite 1—5 5).

In dem darauf folgenden Teil wird der Nachweis erbracht, daß der
Gedanke der strafenden Vergeltung Jahwes nicht von außen an den
israelitischen Glauben herangetragen sei, sondern von Anfang an einen
integrierenden Bestandteil bildet, und zwar nicht nur nach dem Schema
Heil dem Volke — Unheil den Völkern, sondern auch so, daß gerade
auch das eigene Bundesvolk die strafende Vergeltung zu fürchten hat.
Dies kann sowohl aus alten Erzählungen, als auch aus einer Reihe von
Psalmen ersehen werden, wobei die von A. Weiser behandelten Psalmen
mit Thcophanie-Schilderungen besonderen Dienst leisten (Seite 56—94).

Danach erst werden die Aussagen über die göttliche Vergeltung in
den einzelnen Psalmengattungen je in ihrer besonderen Ausprägung
untersucht: Königspsalmen S. 95—142, Thronbesteigungspsalmen S. 143
—171, Hymnen S. 172—191, Weisheitspsalmen S. 192-207, Dankpsalmen
S. 208—218 und Klagelieder S. 219—251. Mit Hilfe einer Unterscheidung
zwischen den Aussagen, die eine autoritäre Vergeltung aussprechen
, die die Ehre Jahwes wahrt, und solchen, die eine richterliche
Vergeltung ausdrücken, die die Gerednigkeit Jahwes erfordert, wurde
das Material gegliedert und der Gedanke der Vergeltung in seinen
Wandlungen verfolgt.

Diese doppelte Linie läßt 6ich nun in mannigfacher Variierung durch
alle Gattungen hindurch verfolgen. In den Königspsalmen, auch in den
Hymnen und Dankpsalmen, wird eine Steigerung der autoritären Vergeltung
sichtbar, jedoch so, daß dabei weniger die statische Ordnung
einer unter dem Machtanspruch Jahwes stehenden Welt als Ziel erstrebt
wird, als vielmehr in dem Sinne einer eschatologischen Vollendung, an
der zwar an erster Stelle das eigene Bundesvolk teil hat, der aber auch,
wie die Thronbesteigungspsalmen zeigen, die Heidenvölker zugeführt
werden.

Eine reichere frömmigkeitsgeschichtliche Entwicklung macht der
Gedanke der richterlichen Vergeltung durch. Von Anfang an richtet er
sich auf die sittliche Durchdringung audi der Welt, die durch Jahwes
Gerechtigkeit an die von ihm gesetzte Ordnung gewiesen ist (Hymnen,
Thronbesteigungspsalmen), von der her auch das Richten des Königs
seine Sinngebung erhält. Für das Leben des einzelnen Frommen spielt