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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

718-720

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Rudolph, Kurt

Titel/Untertitel:

Die Mandäer 1958

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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evangelium", usw. Als Ergebnis stellt sich heraus, daß die Dichter aller
Zeitabschnitte in der Wahl der Schriftstellen sehr konservativ verfahren.
So zieht sich z.B. die Verwendung von Gen. 3,15 durch die ganze Zeit.
Aber es ist auch deutlich eine geschichtliche Entwicklung in der Wahl
der Stellen zu den verschiedenen Zeiten zu beobachten. Neben althergebrachten
erscheinen in jedem neuen Zeitabschnitte neue Stellen.
Z. B. tritt die Chokmaliteratur, der „Humanismus Israels" (Sellin), bezeichnenderweise
erst im und nach dem 30-jährigen Kriege auf. Die Arbeit
ist, soweit möglich, bestrebt, die Frage, warum diese oder jene
Stelle in dem betreffenden Zeitraum benutzt wurde, mit kirchengeschichtlichen
oder geschichtlichen Gründen zu beantworten. — Form und Inhalt
stehen in Beziehung zueinander. Andre Inhalte ziehen andere Formen
nach sich, und der Wandel der Form kann einen Wandel in der
Wahl der Schriftstellen bedingen.

Unterteil C bemüht sich nun besonders um die Geschichte der
Auslegung des AT im Kirchenliede: Wie wurden die einzelnen Schrift-
steilen zu den verschiedenen Zeiten von den Dichtern ausgelegt? Wie
in A und B in den einzelnen Zeitabschnitten einerseits konservativ
Immerwiederkehrendes und andererseits Neues vorkommt, so stellt die
Untersuchung auch bei der Geschichte der Auslegung (Unterteil C) beides
fest: Einerseits geht Luthers christologische Exegese des AT im
Liede wie ein „cantus firmus" durch den ganzen Zeitraum. Andererseits
kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis: „Aber dennoch konnte an
verschiedenen, für den jeweils behandelten Zeitraum charakteristischen
Erscheinungen nachgewiesen werden, daß eine geschichtliche Entwicklung
in der Auslegungskunst im Kirchenliede vorhanden zu sein scheint.
Die hermeneutische Entwicklung verläuft etwa von Luthers christolo-
gischer Exegese („Herr Zebaoth = Jesus Christus"!) über die typolo-
gische Exegese des Schulmeisters Nikolaus Hermann („Geschichte als
exemplum!") weiter in Richtung auf den Literalsinn der Schrift, der
unter dem Druck der Not der Zeit vor, im und nach dem 30-jährigen
Kriege (Bevorzugung von Motiven des 1. Glaubensartikels aus dem AT.
im Sinne des AT exegesiert!) in Erscheinung tritt, bis zu der Höhe des
Paul Gerhardtschen, von uns als „Flcischwerdung des Gotteswortes im
Kirchenliede" bezeichneten Auslegungsprinzips hin" (S. 129). Damit
erweist sich audi die These Gerhard Ebelings „Kirchengeschichte als
Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift" (vgl. gleichnamige Broschüre
, Tübingen, 1947) zu treiben, als brauchbar für das Thema.

Verfasser glaubt, erstmalig Folgendes herausgestellt zu haben:

1) die Unterscheidung der 8 Formen der Verwendung des AT im Liede;

2) die geschichtliche Entwicklung der Formen, des Inhalts und der Auslegung
des AT im Liede, und ihre Beziehungen zueinander; 3) die Anwendung
der Ebelingschen These auf die Beziehungen zwischen Schrift
und Kirchenlied (Bedeutung und Grenze); 4) die Herstellung einer
Synopse dreier Psalmenlieder über den gleichen Psalm zur Erhellung des
weniger wissenschaftlich zu erforsohenden als mehr gefühlsmäßig zu erfassenden
Auslegungsprinzips Paul Gerhardts; 5) die Erforschung dieses
Prinzips, das Verf. die „Flcischwerdung des Gotteswortes ATs im Kirchenliede
" nennt, wobei Verf. gleichzeitig eine Begründung für die
außerordentlich große Bedeutung liefert, die Paul Gerhardt in der Geschichte
der Kirchenliederdichtung hat.

Nicht nur an diesem Beispiel wird deutlich, daß die Arbeit mit
z. T. neuen Betrachtungsweisen auch andere alte Probleme beinahe
„mühelos" und „nebenbei" mit klären zu helfen versucht, die jahrzehntelang
die hymnologische Forschung beschäftigt haben: Auch das
Problem der „Ich- und Wir-Liedcr" oder die Frage, ob das Lutherlied
„Ein feste Burg" ein Psalmenlied sei oder nicht, werden so behandelt.
Desgleichen wird von der Problemstellung der Arbeit und ihren Ergebnissen
aus zu einigen anderen Fragen moderner oder älterer Literatur
auf dem Gebiete des Kirchenliedes Stellung genommen.

Aus den Werken des „genus irritabile vatum" kann u. E. besser
als an mancher wissenschaftlichen Darlegung aus dieser Zeit erkannt
werden, welche Bedeutung das AT für das Kirchenlied und damit für
die Gemeinde der damaligen Zeit hatte, wie überhaupt die kirchliche
Kunst theologische Durchblicke ermöglidit und Probleme zu erhellen
vermag, die sonst nicht so ohne weiteres erkennbar sind.

Rhein. Christoph: Grundlinien der Theologie Paul Tillichs. Ein Beitrag
zum Thema „Offenbarung und Wirklichkeit". Diss. Erlangen
1956.

Die Arbeit unternimmt es, die Grundzüge des theologischen und
philosophischen Denkens Paul Tillichs in ihrer geschichtlichen Entwicklung
zu analysieren und im Licht der theologischen und geistigen Lage
der Gegenwart zu interpretieren. Sie hat in ihren beiden Hälften die
Theologie und Philosophie des früheren Tillich und seine spätere Theologie
des Neuen Seins zum Gegenstand.

Eine Einleitung entwickelt das Problem Offenbarung und Wirklichkeit
und zeigt die Notwendigkeit einer neuen Lösung über das in
der Theologiegeschichte Vorhandene hinaus. In der ersten Hälfte der
Arbeit wird darauf in der Mitte des Tillichschen Denkens angesetzt.

bei dem theologischen Grundgedanken der Rechtfertigung und seinen
philosophischen Implikationen (1. Kapitel: Voraussetzungen), und von
hier aus sodann der gesamte Kreis der theologischen und philosophischen
Verwirklichung des ursprünglichen Programms beschrieben (2. Kapitel
: Durchführung).

Nachdem die weiterführende Frage nach dem Verhältnis von
Philosophie und Theologie als die Frage nach der Wirklichkeit in beiden
aufzeigt und Tillichs Lösung des Problems in seiner Methode der
Korrelation beschrieben ist (Überleitung), verläuft die Untersuchung
in der zweiten Hälfte in umgekehrter Richtung. Zunächst wird der
ganze Umfang der Theologie des Neuen Seins abgesteckt (3. Kapitel:
Sein und Existenz) und sodann das Offenbarungsverständnis dieser
Periode in seiner Eigenart, wiederum als Mitte Tillichschen Denkens,
herausgehoben (4. Kapitel: Vernunft und Offenbarung).

Schließlich wird an Hand des theologischen Problems die Frage
nach der Gültigkeit des Tillichschen Ansatzes noch einmal ausdrücklich
gestellt (Schluß: Das Problem der Wirklichkeit zwischen Theologie und
Philosophie. A: Der Widerstreit zwischen biblischem Personalismus
un<* ontologischem Verständnis des Seins) und ihrer Beantwortung
näher geführt (B: Tillichs theologische Umfassung der Ontologie in der
Rechtfertigungslehre, im ontologi6chcn Prinzip der analogia entis und
in der Methode der Korrelation).

(Die Dissertation ist in umgearbeiteter Form im Evangelischen
Verlagswerk Stuttgart unter dem Titel „Paul Tillich — Philosoph und
Theologe. Eine Einführung in sein Denken" erschienen: 1957, 200 Seiten
, DM 9.80.)

Rudolph, Kurt: Die Mandäer. II. Der Kult. Phil. Diss. Leipzig 1957,
XII, 380 S.

Die Arbeit ist der zweite Teil meiner thcol. Dissertation über das
„Mandäerproblem" (Die Mandäer. I. Prolcgomena, Leipzig 1956, s.
ThLZ 1957 Sp. 3 8 5 f.) und will auf Grund der Untersuchung des kultischen
Bereichs der mandäischen Gnosis für die Wesens- und Ursprungsfrage
dieser Religion einen Beitrag liefern. Sie zerfällt in zwei
Hauptteile, deren erster und umfänglicherer Teil den phänomenologischen
Tatbestand der kultischen Begehungen in möglichst weitem Rahmen
ausbreitet (mit Heranziehung parallelen Materials aus der Religionsgeschichte
des Vorderen Orients), während der 2. Teil historischkritische
Erörterungen enthält, die zur Lösung der Urbestands- und
Ursprungsfrage notwendig sind.

Grundsinn des kultischen Geschehens ist die „Vergegenwärtigung
des mythischen Urzeitge6chchens, d. h. aber ständige Gegenwart des
Heilsgcschehens und so Teilnahme am Heil und Segen der jenseitigen
Welt für den gläubigen Mandäer". „Der Kult stiftet die Möglichkeit
der Verbindung (mand. „laufa") mit der Lichtwelt mitten in der Finsternis
und gibt das Angeld für das künftige Heil" (3).

Abschnitt 1 behandelt Kultareal, Kultpersonal und Kultzubehör
(§ 3—6) und zeigt hier u. a., daß die mand. Religion einer „Klerikali-
eierung" erlegen ist; der Kult erforderte aber wohl von jeher kultische
„Funktionäre". In vielen Dingen wurde enge Berührung mit dem
iranisch-persischen Bereich festgestellt. Der 2. Abschnitt (§ 7—10) behandelt
den mand. „Wasserkult". Das vielgestaltige Taufritual wird
auf Grund der Quellen und neuerer Reiseberichte dargestellt und beurteilt
. Abgewiesen wurde eine Interpretation mit Hilfe nicht-mand.
Quellen; die Liturgie gibt der Handlung ihren Sinn, sie darf vom Ritus
nicht getrennt werden. Hauptsinn und -zweck der Masbütä ist Anteilhabe
der Frommen bzw. seiner Seele an dem lebensspendenden
„Wasser des Lebens", das aus der Lichtwelt stammt. Sie ist Stiftung
der Lichtwelt in der Urzeit. Als Heilsgaben vermittelt sie „Festigung"
„Sieghaftigkeit" und „Heilung", d. h. sie ist wesentlich eschatologisch
bedeutsam (Taufe und Seelenaufstieg, Masiqtä, gehören zusammen),
schenkt Sündenvergebung und hindert die bösen Mächte. Völlig fehlt
die Verbindung mit einem ethischen Imperativ. Der Lustrationszweck
und der Exorcismus sind nicht die primäre Bedeutung der Taufe. Die
Taufe ist keine Himmelsreise der Seele (Reitzenstein), sondern ein
Geschehen, das unter Beteiligung und Gegenwart der Lichtwelt vor sich
geht. Im Unterschied zur „Volltaufe" lassen sich einfache Waschungen
abheben (risamä und tamasä), die reine Reinigung6riten, aber in ihrer
heutigen Form und Ausgestaltung sekundär sind (s. u.). Abschnitt 3
umfaßt „sakramentale und rituelle Beglcithandlungen" (§ 11—19). Das
mand. „heilige Mahl" als ein Teil des Taufrituals, besteht aus Brot und
Wasser (Pihtä und Mambüha), stammt aus der Lichtwclt, ist in der Urzeit
gestiftet und sein Genuß ist heilsnotwendig. Die im Rahmen von
Totenzeremonien stattfindenden rituellen Mahle gehören offenbar nicht
zum ältesten Bestand und zeigen enge Berührungen mit persischen
rituellen Mahlen. Die einzelnen kultischen Handlungen, wie der rituelle
Handschlag (kuStä), Zeichnung, Ölsalbung und Siegelung, Bekränzung
bzw. Krönung, Bekleidung, Handauflcgung, Namennennung (Invoka-
tion), werden auf ihre Bedeutung, Stellung und ihr Alter hin untersucht
. Sofern eine dieser Handlungen sich fest verwurzelt in der Mytho-