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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

700-701

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Harbsmeier, Götz

Titel/Untertitel:

Dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten 1958

Rezensent:

Konrad, Joachim

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699

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

700

von Lukas Cranach stellt der Verfasser niemals die Frage nach
der künstlerischen Bedeutung und ob in dieser Bedeutung eine
christlich-religiöse Inspiration sich verwirklicht. Sondern er fragt
nur nach dem Bildinhalt und ob er dem reformatorischen Verständnis
des Christentums entspricht. So wird die Fundamentalfrage
im Verhältnis von Kunst und Kirche nicht einmal erkannt,
geschweige denn beantwortet.

Im 2. Hauptteil wird das Bild als Diakonie (Dienst an der
Gemeinde), Martyrie (Ausdruck des Glaubens) und Liturgie (Ausdruck
der eschatologisch gegründeten Hoffnung) dargestellt. Obgleich
diese Gesichtspunkte anregend und dankenswert sind und
bei der Behandlung der Ikone sogar etwas von der Grundproblematik
anklingt, so zeigt sich doch gerade in diesem Versuch einer
„Theologie des Bildes", wie fremd dem Verfasser das Wesen der
künstlerischen Schöpfung ist. Überhaupt ist dieser 2. Hauptteil
sehr viel schwächer als der erste. Auch im historischen Überblick
, der bis zur frühchristlichen Kunst reicht, fehlen hier Kenntnisse
und tiefere Einsichten. Und mit Erstaunen und Bedauern
liest man in einem so klugen Buch ein so durchaus törichtes Urteil
über die „abstrakte" Malerei der Gegenwart, deren Künstler
der Hybris und deren Werke luziferischen Ursprungs bezichtigt
werden! Abgesehen von vielem, was hierzu gesagt werden müßte,
sollte doch das bloße Verantwortungsgefühl derartig urteilslos
verallgemeinernde Diskriminierungen von Künstlern und Kunstwerken
verbieten.

Trotzdem: Es bleibt das Gefühl des Dankes, daß der Verfasser
aus warmem Herzen und oft aus großer Kenntnis dafür
kämpft, dem Bild in der evangelischen Kirche den ihm gebührenden
Platz zu erringen.

Münster/W. Paul Girkon

V

LITVRGIEW1SSEN SCHAFT

Müller, Karl Ferdinand, u. Walter Bl ankenburg: Leiturgia,
Handbuch des evangelischen Gottesdienstes, hrsg. 3. Band: Gestak
und Formen des evangelischen Gottesdienstes. II. Der Predigtgottesdienst
und der tägliche Gottesdienst. Kassel: Stauda 1956. 344 S. gr. 8°.

Der dritte Band der Leiturgia bringt den zweiten Abschnitt
des Themas „Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes
", nämlich den Predigtgottesdienst und den „täglichen"
Gottesdienst. Eb. Weismann gibt auf rd. 100 Seiten eine vortreffliche
Monographie über die eigentümliche Form des „Predigt-
g o 11 e s d i e n s t e s", und zwar in der Hauptsache die Geschichte
dieses Typus seit der alten Christenheit, wie er sich im
Prädikantengottesdienst des Mittelalters entfaltet hat und in der
Reformation besonders im südwestdeutschen Raum übernommen
worden ist.

Hier wird in einer zuverlässigen und ausführlichen Geschichte
dem Predigtgottesdienst liturgiewissenschaftlich die Beachtung
zuteil, die ihm bisher nicht gegeben wurde. Daher werden auch
gewisse konfessionelle Vorurteile abgebaut. Für die evangelische
Gottesdienstgeschichte und ihre gegenwärtigen Aufgaben und
Probleme ist diese Darstellung von großem Wert.

In Ergänzung der Geschichte des Predigtgottesdienstes wird
im letzten Teil dieser Arbeit noch von den „verwandten Formen"
gehandelt: Katechismusgottesdienst, Betstunde, Bußtags- und
Karfreitagsgottesdienst, Bibelstunde, Evangelisation und Volksmission
. Es ist wichtig, daß auch diese Formen des Gottesdienstes
ihrer Bedeutung nach zur Geltung kommen.

Die zweite Monographie dieses Bandes ist an Umfang doppelt
60 groß: Sie handelt von dem „täglichen Gottesdienst" oder vom
Stundengebet. H. Goltzen hat uns in dieser umfassenden,
mit großer Liebe zur Sache geschriebenen Arbeit wohl die erste
evangelische Studie zur Geschichte des Stundengebets dargeboten,
in der von den Anfängen des Stundengebets über die abendländische
katholische Entfaltung und Vollendung des Stundengebets
im römischen Brevier bis zur Übernahme des Stundengebets in
der lutherischen Reformation alles Wesentliche zur Sprache gebracht
wird.

Neben dem großen geschichtlichen Teil steht eine eigene
Liturgik des Stundengebets, eine beachtliche Studie über Ordnung
, Struktur und Bestandteile der Hören, wie sie bisher im
Bereich evangelischer liturgiewissenschaftlicher Arbeit noch nicht
unternommen worden ist.

Der Schlußabschnitt erörtert die Frage der Wiedergewinnung
des täglichen Gottesdienstes in der evangelischen Kirche, wobei
es nicht überraschen wird, daß der Verfasser hier eine sehr wichtige
und notwendige Aufgabe der evangelischen Kirche sieht.

Man darf für diese Monographie besonders dankbar sein, da
sie der evangelischen Kirche erstmalig einen wirklichen Einblick
in das Stundengebet der abendländischen Kirche gewährt.

Am Ende dieses 3. Bandes findet sich ein umfassendes
Register zu Band I—III: Bibelstellen, Personennamen, Sachen
und Formeln, was den praktischen Gebrauch der ersten drei Bände
der Leiturgia erheblich erleichtert.

rf Joachim B eck ma n n

Harbsmeicr, Götz: Daß wir die Predigt und sein Wort nicht verachten
. Eine Aufsatzsammlung zur Theologie und Gestalt des Gottcs-
y/dienstes. München: Kaiser 1958. 181 S. gr. 8°. DM 10.80.

Unter diesem Titel hat H. eine Reihe von Aufsätzen zusammengefaßt
, die in der Zeit von 1949 bis 195 5 zerstreut publiziert
waren. Sie sind dadurch charakterisiert, daß sie mit einer
scharfen, mitunter auch überschärften kritisch-dialektischen Sonde
den liturgischen Erneuerungsversuchen deT letzten 30 Jahre und
deren Theorien vor allem im Kreise der „Lutheraner" zu Leibe
rücken und sie am reformatorischen „Wort"-Verständnis zu
messen suchen, wie es in der Schule Barths und Bultmanns neu zu
Tage getreten ist.

Der erste Aufsatz (aus der Bultmann-Festschrift 1949) beschäftigt
sich mit dem „Problem des Kultischen im Evangelischen
Gottesdienst"; der zweite mit „Wort und Sakrament in ihrer Bedeutung
für die Erneuerung des Gottesdienstes"; der dritte,
„Theologie und Liturgie", setzt sich mit K. F. Müllers 1952 erschienenem
Bericht „Die Neuordnung des Gottesdienstes in Theologie
und Kirche" auseinander; der vierte, „Gottesdienst und
Geschichte", mit Vilmos Vajtas Buch „Die Theologie des Gottesdienstes
bei Luther"; der fünfte kritisiert W. Hahns Lehre vom
Gottesdienst; der sechste, „Der Gottesdienst in katholischer
Sicht", nimmt Stellung zu Jos. Piepers Lehre vom Kultus; der
siebente zum römisch-liturgischen Eucharistie-Verständnis Jos.
Paschers und anschließend zu H. Asmussens „Mediator-Dei"-Inter-
pretation und seiner Gottesdienstlehre.

Man täte H. Unrecht, wollte man ihn der bloßen Verneinung
aller liturgischen Erneuerung bezichtigen. Er selbst steht ja dem
Kreis der Alpirsbacher nahe. Aber so ernst wir seine Kritik zu
nehmen haben, die sich vor allem auf die „Gesetzlichkeit" und
„Eigengesetzlichkeit" und die sich unwillkürlich von daher ergebenden
katholisicrenden Tendenzen des Liturgischen bezieht,
so bedauerlich bleibt doch der von H. selbst empfundene Mangel
an eigenen positiven Vorschlägen (cf. S. 92). So wichtig seine
diesbezüglichen grundsätzlichen Postulate sind, sie reichen ohne
das „Charisma" des darin fundierenden gestaltenden
Liturgikers noch nicht aus.

Die dialektische Kritik H.s muß vom Gegensatz „Religion"
und „Offenbarung" (Barth) und „Mythos" und „Kerygma" (Bultmann
) her verstanden werden. Von daher werden die Konsequenzen
nun für die Liturgik gezogen. Es gibt kein refugium in eine
kultische und sakramentale „Objektivität", in eine dem Profanen
gegenüberstehende An-sich-Heiligkeit des Liturgischen, es gibt
keine „Verkultung" der Heilsbotschaft, die nicht dem radikalen
Subjekt- und Seins-Verständnis des auch liturgisch unverfügbaren
solum Verbum ins Gesicht schlüge. Es darf keine Vermischung
von Mythos und Kerygma in der Form liturgischer „Darstellung",
keine Vermischung von religiöser Selbstbehauptung und souveränem
Wort Gottes in der Form liturgisch sakramentaler Verding-
lichung der Gnade geben, aus der der Gottesdienst, aus der das
Leben der Kirche erneuert werden könnte. Vielmehr ist das
„Wort", repräsentiert in dem vor den Toren der heiligen Stadt
gekreuzigten Christus, ist sein „Extra nos" die radikale Krisis
alles Kultischen. Das heißt nicht, es dürfe nun nur noch gepredigt