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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

687-688

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Eckhart Meister, Deutsche Predigten und Traktate 1958

Rezensent:

Bornkamm, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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Dankbar wird man die der Edition beigegebene englische
Übersetzung begrüßen, die auch als Kommentar dient und bei
der schwierigen Latinität der Briefe — die Regeln und das Poeni-
tentialbuch sind sprachlich einfacher — selbst dem Fachmann eine
willkommene Erleichterung bringt. Auch im Nachweis der Zitate
und der literarischen Anklänge hat uns Walker ein gutes
Stück weitergeführt. Für alle künftige textkritische und überlieferungsgeschichtliche
Arbeit geben schließlich eine feste Grundlage
die der Einleitung Walkers beigegebenen „Notes on the
Text Tradition and Latinity of St. Columban's Writings" von
Ludwig Bieler, der noch die linguistischen Indices beigesteuert hat.

In Bielers Ausführungen über Columbans Latinität sowie in
Walkers Abschnitt über die literarische und theologische Stellung
Columbans wird in besonderem Maße das Fazit aus der Einzelarbeit
der Edition gezogen. Hier entsteht das Bild der literarischen
Persönlichkeit, in der sich in merkwürdiger Weise der
Humanist, der wohlbelesene Kenner klassischer lateinischer
Dichtung, mit dem christlichen Asketen verbindet. Kein Wunder,
daß Columban neben Cassian vorzugsweise gerade Hieronymus,
den „Humanisten" unter den Kirchenvätern und den Mönch,
gelesen hat. Stehen die Werke Augustins demgegenüber weit
zurück, so erweist sich Columban als eifriger Leser Gregors
d. Gr., mit dessen Wertschätzung der „Werke" er durchaus einig
geht, und damit ganz als Kind der werdenden mittelalterlichen
Welt. Hier zeigt sich wohl am deutlichsten, wie wenig berechtigt
es war, wenn einst Ebrard in Columban und den Iren die frühen
Künder einer „evangelischen" Kirche sehen wollte. Gewiß, auch
für Columban war die Bibel die Quelle aller kirchlichen Lehre,
und er erkannte niemand, selbst nicht dem Papst, ein Vorrecht
bei ihrer Auslegung zu. Wenn er aber den im Glauben irrenden
Papst dem Gericht seiner Untergebenen unterstellt sehen wollte,
so darf man bedenken, daß weder die Lehre von der Unfehlbarkeit
noch der Satz, daß der Papst von niemandem gerichtet werden
dürfe, damals Allgemeingut waren. Aus dem Fortleben solcher
Gedanken erklärt sich, daß Humbert von Silva Candida
einen in Häresie verfallenen Papst dem Gericht der ecclesia
Romana, d. h. der Kardinäle, unterstellen konnte. Und wenn
kürzlich dargetan wurde, daß der Konziliarismus des späten
Mittelalters keine Neuschöpfung, sondern nur die Neubelebung
einer im kirchlichen Denken auch des hohen Mittelalters stets
vorhandenen Gedankenrichtung waT1, so steht Columban — freilich
noch vor der Ausbildung des päpstlichen Systems — mit seiner
nach Walker S. LXXII „im Grunde mehr korporativen als hierarchischen
" Auffassung der Kirche in diesem Zusammenhang, und
es ist wohl kein Zufall, daß ein Satz Columbans nach einem Hinweis
Walkers (S. 50 zu Z. 26) an Cyprians De unitate ecclesiae
anklingt, dessen Auffassung der Gleichstellung aller Apostel mit
Petrus im Zeitalter der Reformkonzilien anstoßgebende Bedeutung
gewann. So teilte Columban zwar jene bei Gregor dem Großen
und seinen Zeitgenossen sowie später bei den Angelsachsen
anzutreffende Verehrung für Petrus, den Himmelspförtner, aber
er hat gegenüber den Päpsten seiner Zeit Worte gefunden, die
ein Bonifatius nicht gesprochen hätte. So regt auch dieser Teil
der Einleitung Walkers nach den verschiedensten Seiten hin zum
erneuten Nachdenken der Probleme an und gibt mit der 6org->^
fältigen Überprüfung der literarischen Kenntnisse Columbans
sichere Grundlagen für die weitere Arbeit.

Erlangen Heinz Löwe

J) Brian Tierney, Foundations of the Conciliar Theory. The Con-
tribution of the Medieval Canonists from Gratian to the Great Sdiism,
Cambridge Univ. Press 1955; dazu M. Seidlmayer, ZSavRG. KA. 74
(1957) S. 374—387.

jEckehart:] Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate.

' Hrsg. u. übersetzt v. Josef Quint. München: Hanser [1955]. 547 S.
8°. Lw. DM 17.80; Ldr. 25.—.

J. Quint hat seinen Verdiensten um das deutsche Schrifttum
Eckeharts nach den kritischen Editionen in der großen Ausgabe
und des „Buches der göttlichen Tröstung" (vgl. ThLZ 1956,
Sp. 170) ein neues hinzugefügt, das ihm über den engeren Kreis
der Forschung hinaus besonders gedankt werden wird. Nach einer
zuverlässigen Übersetzung der z. T. schwierigen Texte besteht

seit langem ein Bedürfnis, das die bisherigen nicht befriedigt
hatten. Die meistgelesene, die von Hermann Büttner im Verlag
Eugen Diederichs, war so 6ehr eine eigenstilisierte Neuschöpfung
aus dem Geist einer um die Jahrhundertwende aufkommenden
neuen vitalen Mystik, daß sie das Bild Eckeharts vielfach schwer
entstellte. Ein Teil der grotesken Verzerrungen des Eckehart-
Bildes in Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts" beruhte
auf Büttners Übersetzung. So kann man es nur freudig begrüßen
, daß wir nun eine Auswahl besitzen, die sowohl im Blick
auf den Textbefund wie auf die Übersetzung den Anspruch auf
Zuverlässigkeit erheben kann. Sie bietet drei Traktate (Reden der
Unterweisung, Das Buch der göttlichen Tröstung, Vom edlen
Menschen), 59 Predigten, die man als echt ansehen darf, ein paar
Eckehart-Legenden und die Bulle Johannes XXII. vom 27. März
1329, die das Urteil der Kirche über die inkriminierten Häresien
wie den vorsorglichen Widerruf des Verstorbenen festhält. Eine
ausführliche Einleitung und eingehende Nachweise und Erläuterungen
geben dem Leser die nötigen Hilfen zum Verständnis der
Texte. Die Übersetzung ist klar und angenehm lesbar, verzichtet
aber glücklicherweise auf jede dichterische Gewalttat gegenüber
dem Text, sondern ist von strenger Werktreue bestimmt. Sie verschleiert
die Sprödigkeit und Verschlossenheit des Eckehartschen
Denkens nicht, macht sie aber dem ernsthaften Leser vielleicht
dadurch reizvoller. Die Schwierigkeit der Texte wird daran deutlich
, daß selbst gegenüber der Übersetzung eines so hervorragenden
Kenners wie Quint noch gelegentlich Fragen bleiben. Ich notiere
einige aus dem z. T. besonders schwer zugänglichen „Buch
der göttlichen Tröstung".

S. 102, 27 scheint mir „nimmt" (empfängt) statt „nennt" (bezeichnet
) durdi einige Handschriften und die Rechtfertigungsschrift (RS) wie
auch durch den Gegensatz nehmen-geben gesichert. Der ansdilicßende
Satz bei Quint hat keine Unterlage im Text, der freilich noch von niemandem
befriedigend erklärt ist. Ob das Subjekt ez nicht doch „das
Gute" ist? Es soll ja offenbar etwas zum Vorigen Gegensätzliches ausgesagt
werden. — S. 104,21 sunder bedeutet hier nicht „insonderheit",
sondern „außer" (RS praeter). — S. 117, 5 ff. besser: „daß die Seele . ..
um so reiner und mehr in Gott Gott erfaßt und Gott anschaut und
Gott 6ie. . ." — S. 118, 12 hat offenbar die RS den richtigen Text bewahrt
, den auch Lasson konjizierte: die (statt in) glichnisse hazzet
(anima simulitudinem odit). — S. 119, 28 besser: „nach seiner natürlichen
Wirklichkeit". — S. 134,3 etwa: „Darum könnte sehr wohl Gott keinesfalls
dulden . .."

Heidelberg Heinrich B o rn k a m m

Varangot, O. A.: Analogia de Atribucion Intrinseca en Santo
Tomas (I).

Ciencia y Fe XIII, 1957 S. 293—319.
Walker, G. S. M.: Richard of St. Victor: An Early Scottish Theo-
logian?

Scottish Journal of Theology 1 1, 1958 S. 37—52.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Link, Wilhelm f: Das Ringen Luthers um die Freiheit der Theologie
/' von der Philosophie. Hrsg. von E. W o 1 f und M. M e z g e r. 2., ujt
veränd. Aufl. München: Kaiser 1955. IX, 392 S. gr. 8°. DM 13.50;
Lw. DM 16.50.

Die vorliegende Arbeit von Link ist kein neues Buch. Bereits
im Jahre 1938 hat der Verfasser das Manuskript so gut wie abgeschlossen
gehabt. Da wurde er bei einem Ferienaufenthalt am
24. Aug. 1938 im Walliser Bergland von einem abstürzenden Eisblock
erschlagen. Manfred Mezger hat dann in das im rohen fertige
Manuskript alle skizzierten Ergänzungen und Änderungen
eingearbeitet und sich um den Druck gemüht. Mit Vorwort von
E. Wolf versehen ist das Buch 1940 herausgekommen. Im Jahre
1954 hat die Evangelische Verlagsanstalt in Berlin eine Lizenzausgabe
für die Deutsche Demokratische Republik veranstaltet,
und 1955 ist schließlich vom ursprünglichen Verlag Kaiser in
München eine 2. (eigentlich 3.) Auflage gedruckt worden. Die
Veröffentlichung der drei Auflagen mag nun nicht nur als ein
Akt der Pietät gegen einen früh verstorbenen, hochbegabten
jungen Theologen angesehen werden, sondern als ein Ausdruck
der Tatsache, daß der Inhalt des Buches von Gewicht ist und daß
die Arbeit von ihrem Wert auch in der inzwischen verstrichenen