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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

685-687

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Columbanus Sanctus, Sancti Columbani Opera 1958

Rezensent:

Löwe, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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rique de Ia pensee doctrinale, exeg£tique et ascetique de ce
grand eveque oriental hellenise du IV° siecle.

Cambridge Emmanuel AmanddeMendieta

Fabbri, E. E.: El Cucrpo de Cristo, Instrumento de Salud scgün San
Ireneo (I).

Ciencia y Fe XIII, 1957 S. 273-292.
Mondesert, Claude: Un instrument de travail: la Collcction:
„Sources chretiennes".

Recherches de Science Religieuse XLVI, S. 85—92.
Smith, J.: Hebrew Christian Midrash in Irenaeus Epid. 43.

Biblica 38, 1957 S. 24—34.
Valentin, Pierre: Heraclite et Clement d'AIexandrie.

Recherches de Science Religieuse XLVI, 1958 S. 27—59.

KIRCH EN GESCHICHTE: MITTELALTER

W4lker, G. S. M.: Sancti Columbani Opera ed. Dublin: The Dublin
/Nlnst. for Advanced Studies 1957. XCIV, 247 S. gr. 8° = Scriptores
D»tini Hiberniae, Vol. 11. 42 s.

Der Anteil der Iren am kirchlichen und missionarischen Aufbauwerk
des 7. und beginnenden 8. Jahrhunderts auf dem Kontinent
, früher gelegentlich überschätzt, wird von der neueren
Forschung realistischer gesehen. Freilich fehlt es nicht ganz an
der Gefahr, daß das Bemühen um die Korrektur früherer Übersteigerung
zu einer Unterschätzung der missionarischen wie der
bildungsgeschichtlichen Leistung der Iren führt. Daher ist es besonders
zu begrüßen, daß in Dublin die Editionsreihe der Scriptores
Latini Hiberniae eröffnet wurde und daß nun mit dem
zweiten Band dieser Reihe das literarische Werk Columbans
(f 615), des ersten und bedeutendsten der irischen Missionare
auf dem Kontinent, vorgelegt wird.

Eine neue Gesamtausgabe war um so notwendiger, als seit
Migne (1850) zwar Ausgaben einzelner Werke — z.B. die der
Briefe und Gedichte durch Gundlach und die der Regeln durch
Seebaß — erschienen waren, eine handliche Zusammenfassung der
modernen Editionen aber fehlte. Auch die Tatsache, daß bei manchen
Werken die Verfasserschaft durchaus umstritten war, machte
eine Überprüfung des gesamten Überlieferungsbestandes erforderlich
. Diese sowie die Neuedition hat nun Walker vorgelegt,
und zwar in einer Weise, die der ohnehin regen Columban-For-
schung der letzten Jahre, die er kritisch zusammenfaßt, weiteren
Antrieb und eine sichere Grundlage geben wird. In einer umfassenden
biographischen und literarischen Einleitung gibt er einen
Überblick über Leben und Wirken Columbans sowie über die
Überlieferung und die literarische Stellung seiner Werke, der
Briefe, Predigten, der Klosterregeln und des Poenitentialbucb.es,
deren Entstehungsgeschichte und Überlieferungsgeschichte sorgfältig
dargelegt werden, sowie der Gedichte. Ausführlich werden
behandelt die Werke, deren Zuweisung an Columban zweifelhaft
ist (die von Gundlach als Nr. 6 gedruckte Epistola de
Sollemnitatibus, sowie die Exhortatoria, De homine misero,
De VIII vitiis prineipalibus, De Saltu Lunae, Oralio, In
mulieres); sie erscheinen auch im Anhang der Edition, die somit
alles zusammenfaßt, was mit dem Schriftsteller Columban
überhaupt in Zusammenhang gebracht worden ist. Auch über die
nach der Nennung in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen und
auf Grund anderer literarischer Indizien anzunehmenden verlorenen
Werke wird eingehend gehandelt. Mit vollem Recht
werden die Praecepta vivendi Columban aberkannt; sie sind
auch im Wattenbach-Levison, Deutschlands Geschichtsquellen im
Mittelalter, Vorzeit und Karolinger 2 (1953) S. 231 A. 214, auf
Grund der neueren Forschung Alkuin zugesprochen worden.

Der Fortschritt der Edition beruht weniger auf der gelegentlichen
Vervollständigung der handschriftlichen Grundlage; diese
ist bei den Briefen und Gedichten noch dieselbe wie bei Gundlach
. Weitergeführt hat uns Walkers Arbeit vor allem durch verfeinerte
Textkritik. Es ist die seit Gundlach erzielte bessere Erkenntnis
der Eigenheiten der irischen Latinität, ihres Prunkens
mit seltenen, namentlich griechischen, aus Glossaren geschöpften
Vokabeln, die es Walker ermöglicht, manche Konjekturen der
älteren Editoren überzeugend als unbegründet auszuscheiden und

andererseits Textverderbnisse mit eigenen Emendationen, bei
denen ihm ein so ausgezeichneter Kenner wie Ludwig Bieler zur
Seite 6tand, zu heilen. Man wird daher sagen dürfen, daß der
Text Columbans im ganzen bei Walker mehr zu seinem Recht
kommt als bei Gundlach, bei dem er gelegentlich nur im Variantenapparat
erscheint. Damit soll nicht gesagt sein, daß
Gundlachs Edition nun unbenutzbar geworden ist. Nicht nur gibt
es einen sehr breiten, Walker und Gundlach gemeinsamen Grundstock
des Textes, sondern man wird auch in Zukunft auf den
Sachkommentar Gundlachs zurückgreifen, dessen Nachweise Walker
nicht immer übernommen hat, und man wird Gundlachs Text
in den Zweifelsfällen, wo auch Walker keine volle Klärung gebracht
hat, zur Kontrolle gerne heranziehen. So ist z. B. Walker
vielleicht in ep. V, S. 56, Z. 5, in der Anrede Columbans an den
Papst, unnötig von der Überlieferung abgegangen; man wird
mit Gundlach zu lesen haben: fiex regum, tu Petrum, te tota
sequatur ecclesia. Das rex regum ist zwar Epitheton Christi
(so S. 96, Z. 23 f.) und könnte als solches zum vorhergehenden
Satz gezogen werden, wenn man, noch stärker als Walker von
den Handschriften abweichend, rex zu regis änderte: grex
unus Christi Hat regis regum. Doch sollte es hier wohl
besser im übertragenen Sinn auf den Papst bezogen werden, der
als Führer im geistigen Kampf gegen die Mächte des LInglaubens
•m gleichen Brief S. 42, Z. 38 als dueum prineeps (Walker:
Chief of our leaders) angeredet wird; die Stelle hätte dann auch
ohne Textänderung trotz des ungewöhnlichen Ausdrucks einen
vom Brief her verständlichen Sinn, den Walkers Änderung rex
regem und seine Übersetzung ,,Let the King follow the King"
nicht bietet, da sie offen lassen muß, wer der eine der beiden
Könige sein soll.

Besonders schwierig ist es für den Herausgeber, beim derzeitigen
Überlieferungsstand die Orthographie Columbans richtig
wiederzugeben. Denn die literarische Hinterlassenschaft Columbans
hat wohl schon in merowingischer und karolingischer
Zeit — von neuzeitlichen Gelehrtenabschriften ganz abgesehen —
manche orthographische Umgestaltung erlebt. Bei der Beurteilung
sogenannter „merowingischer" Schreibweisen läuft das auf
die Frage hinaus, ob man diese erst den Abschreibern zuschreiben
will, oder noch Columban selbst, der bei seinem langjährigen
Aufenthalt in Burgund und Italien solche Eigenheiten angenommen
haben könnte. Dafür scheint sich Gundlach entschieden zu
haben, während Walker jeweils die weniger „verderbte" Lesart
für echt hält.

Aufgezeigt sei der Unterschied in der Textkritik am Beispiel des
Gedichtes an Fidolius v. 145—149, wo es bei Walker heißt: Floridiora
Doctiloquorum Carmina linquens, Frivola nostra Suscipe laetus.
Statt Frivola setzt hier Gundlach das durchaus „merowingische"
Fribula der ältesten Handschrift B, das auch Bieler mit ähnlichen Formen
in den orthographischen Index aufgenommen hat; statt Doctiloquorum
aber setzt Gundlach Daclilicorum, das freilich in der gleichen
Hs. B nach dem Apparat Walkers nur als Dactilocorum belegt ist.
Walker folgt auch hier wieder der „besseren" Lesart der übrigen Handschriften
. Man wird ihm insofern zustimmen, als er nicht ohne weiteres
..merowingische" Eigenheiten auf das Konto Columbans schreibt. Aber
bei dem Dactilocorum liegt der Fall komplizierter; wenn in B wirklich
so und nicht Dactilicorum (so Gundlach) zu lesen ist. scheidet
doch wohl der Verdacht aus, daß hier der Schreiber einen Fehler gemacht
habe, indem er an den Vers 131 genannten Dactilus gedacht habe.
Daß c für q eintritt, ist durchaus geläufig (vgl. Bielcrs Index orthogra-
phicus bei Walker S. 230); dann bleibt hier nur merkwürdig das a, das
an die Stelle des o getreten ist. Dabei aber handelt es sich um eine
irische Eigentümlichkeit, die auch bei Columban belegt ist (eb. S. 229)
und die in einer gewissen Vorliebe für den Buchstaben a besteht. Hier
wäre nun wirklich zu fragen, ob nicht tatsächlich das Daciiipcorum
(= doctiloquorum) schon für Columban selbst anzunehmen ist. Tatsächlich
hat Walker solche hibernischen Eigentümlichkeiten zunächst in
den Variantenapparat verwiesen und, wie er selbst mitteilt (S. V), erst
nachträglich auf Bielers Rat eine gewisse Anzahl von ihnen in den Text
aufgenommen; so steht z.B. in ep. 1,6, S. 8, Z. 27 cum cleantillis
statt clientelis, was den Leser trotz der Übersetzung beim Fehlen einer
Erläuterung im Sachkommentar mindestens so verwirrt wie die Aufnahme
des Dactilocorum. Wie hier könnte man auch sonst gelegentlich
anderer Meinung sein als Walker; aber es sei ausdrücklich betont,
daß eine völlige Sicherheit gerade in den Fragen der orthographischen
Tcxtgestaltung nie zu finden sein wird und Ungleichmäßigkeiten daher
nicht zu vermeiden sein werden.