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Ausgabe:

1958 Nr. 10

Spalte:

669-671

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hauer, Jakob Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Yoga 1958

Rezensent:

Melzer, Friso

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 10

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{akrj§iv6g) Mensch / sich in einem Gebilde {nlaaixa) [offenbart].
(35) [Der Geist {nvzvfia) der] Wahrheit {(Ihff&eia), den der
Vater [ihnen] (145, 1) gesandt hat, der wird 6ie über alles / belehren
und wird sie mit der Salbung (xQia/ua) des / ewigen Lebens
salben, die ihm von / dem königlosen Geschlechte (yeved)
verliehen worden (5) war. Dann (r6re) werden sie das blinde
Denken / ablegen, den Tod der Mächte Qgovola) zu / Boden
treten {xaxanaxelv) und in das grenzenlose / Licht aufsteigen,
/ wo dieser Same (oneQfia) sich befindet. (10) Dann (rote)
werden die Mächte (i£ovoia) ihre Zeiten (xcuqo?) im / Stiche

lassen, ihre Engel (äyyehog) werden ihren Untergang / beweinen
, und ihre Dämonen (öaljU(ov) werden / ihren Tod betrauern.
Dann (rdre) werden alle / Kinder des Lichts die Wahrheit
(ä?>rjfteia), ihre (15) wahre Wurzel, den Vater des / Alls und
den Heiligen Geist (jivevjuo) erkennen, und sie alle werden /
mit einer einzigen Stimme sagen: Gerecht (dixaiog) I ist die
Wahrheit {alri&eia) des Vaters, und der Sohn / ist über allem
und durch alles (20) bis in alle Ewigkeit. Heilig {äyiog), heilig
(ayioc), / heilig {äyiog) Amen.« /

Das Wesen (vjtöaraaig) I der Archonten.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

(«er, J. W.: Der Yoga. Ein indischer Weg zum Selbst. Kritisch-
positive Darstellung nach den indischen Quellen mit einer Übersetzung
der maßgeblichen Texte. 2., umgearb. und um den 2. Band erweiterte
Auflage des „Yoga als Heilsweg". Stuttgart: W. Kohlhammcr
1958. 487 S. gr. 8°. Lw. DM 33.—.

Seitdem J. W. Hauer in jüngeren Jahren „Die Anfänge der
Yogapraxis im alten Indien" (1922) herausgebracht hatte, warteten
wir darauf, daß später noch einmal ein zusammenfassendes
und abschließendes Werk erscheinen würde. Die Jahre, die er vor
dem ersten Weltkrieg in Indien verbracht hatte — im Dienst der
Basler Mission, von der er sich dann aber löste, so sehr löste,
daß er später eine nicht-christliche Glaubensbewegung gründete —,
jene indischen Jahre hatten ihn mit dem Geist des Hinduismus in
Berührung gebracht, der ihn sein ganzes Leben hindurch nicht
mehr losließ. Was er in diesem Werk darlegt, wächst aber über
indologische Forschung hinaus: er zeigt — und zwar mit Recht —,
wie die tiefsten Yoga-Erfahrungen etwas Allgemein-Menschliches
bedeuten; betont aber — wiederum zu recht —, daß die Yoga-
Übungen von uns im Westen nicht nachgeahmt werden dürfen.

Nun hat er also das lang erwartete umfangreiche Werk über
den Yoga vorgelegt. Der Untertitel „Ein indischer Weg zum
Selbst" greift sozusagen den Titel eines großen Werkes von
Heinrich Zimmer, dem tiefenpsychologisch geschulten Indologen,
auf („Der Weg zum Selbst", Zürich 1954), weist aber dem Leser
treffend die Richtung des Ganzen. Hauers Werk besteht aus zwei
Teilen: der erste Teil umfaßt die Hauptabschnitte I und II, das
ist „die 2. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage des 1932
veröffentlichten Buches ,Der Yoga als Heilweg'" (5). Jenem Buch
war der zweite Teil nicht mehr gefolgt. Er erscheint hier nun als
III. Hauptabschnitt (274-450, danach umfangreiche Anmerkungen
).

Im I. Hauptabschnitt geht Hauer in sorgfältiger Untersuchung
den ganzen Weg der indischen Religionsgeschichte durch: von
der vedischen Zeit über die Upanishaden, über Buddhismus und
Jinismus bis hin zum Mahabharata und zur Ramagemeinde, stets
nach dem Yoga fragend. Im II. Hauptabschnitt untersucht er das
Yogasutra des Patanjali und die Entwicklung des Yoga bis zur
Entstehung der Hatha-Yoga-Schriften (dabei gibt er in Sanskrit-
Umschrift und deutscher Übersetzung den Wortlaut des Sutra
wieder, 239-25 8).

Über die indologischen Fragen mag der Fachmann mit dem Autor
handeln. Wir bemerken im Vorübergehen nur zwei Dinge:

(1) Es fällt auf, daß Hauer sich mit den neueren indischen Autoren
so wenig oder gar nicht auseinandersetzt. Haben sie nicht ein Anrecht
, gleichsam als erste Zeugen in Fragen der Auslegung gehört zu
werden? So wäre es zu begrüßen, wenn Vivekanandas umfangreidie
Auslegung von „Patanjali's Yoga Aphorisms" (Sanskrit-
Text, Übersetzung ins Englisdie und Auslegung) herangezogen würde
(vgl. seine Complete Works, Mayavati Memorial Edition
, Advaita Ashrama, Mayavati, Almora, Himalayas, Band I,
5th Edition 1931, p. 195—304). Das gleiche ist hinsichtlich der Bhagavadgita
zu bemerken. Hier hätte der Autor sich wenigstens mit den
gewichtigsten indischen Ausgaben und den darin gebotenen Auslegungen
auseinandersetzen müssen. Wir nennen nur zwei: Swami Swarupananda's
Srimad-Bhagavad-Gita / With Text, Word-for-Word Translation
, English Rendering, Comments and Index (derselbe Verlag wie
bei Vivekananda, '1909, 51933). - S. Radhakrishnan: The Bhaga-

v a d g i t a / With an Introductory Essay, Sanskrit Text, English Translation
and Notes (George Allen and Unwin, London, '1948, 31953).

(2) Wie aufmerksam der Leser sein muß, ist etwa S. 190 zu sehen,
wo Hauer bei seiner ersten Darstellung der Bhagavadgita (die zweite
folgt im III. Hauptabschnitt) von der Gestalt des Avatara spricht (Ava-
t^ra heißt wörtlich „Herabkunft", nämlich der unsichtbaren Gottheit,
Vishnus, in irdischer Gestalt). Hier gebraucht Hauer Ausdrücke der
christlichen Sprache: „Die Avatara-Lehre ... verkündigt die rettende
Heilandsmacht des Gottes" . .. „Im Vishnu-Glauben stehen die Rettergestalten
des sich ins Irdische verkörpernden Gottes im Vordergrund.
Sie greifen unmittelbar in die mensdiliche Geschichte ein und wirken
hier Heil nach dem Wort der Bhagavadgita (IV 7, 8)." In Wirklichkeit
ist der Avatara kein Heiland, auch keine wirkliche Verkörperung der
Gottheit (er ist eine Sdicingestalt) und greift nicht in die Geschichte
ein, weil er ein mythisches Wesen ist. Vgl. dazu meine Abhandlung
über den Avatara-Glauben in „Ev. Missions-Zeitschrift" 1942: III
296—307 (wiederabgedruckt in meinem Buch „Christus und die indischen
Erlösungswege", Tübingen 1949).

Für den theologischen Leser des vorliegenden Werkes ist
aber der III. Hauptabschnitt von großem Wert: „Der Yoga als
Weg zum Heil" mit seinen vier Kapiteln: 1. Der Mensch und die
Gesamtwirklichkeit in der Schau des Yoga; 2. Der Heilweg;
3. Der Yoga der Tat, lebensgesetzliches Werden und Wirken nach
der Bhagavadgita (Titel im Inhaltsverzeichnis verdruckt); 4. Der
Yoga und der Westen. Die Psychotherapie.

Hier finden wir manches, dem wir zustimmen können: Hauer
lehnt mit Recht ab, den indischen Yoga in Bausch und Bogen im
Westen nachzuahmen (311) und unterscheidet zwei polare Sphären
, „deren Spannungsfelder alle Übungen des Yoga durchdringen
": sittliche Zucht und unmittelbare Erfahrung des Tiefenichs
des Menschen (313). Ausgezeichnet ist seine Darlegung übei das
Atmen (318), bemerkenswert seine kritische Einstellung zur heute
viel gelesenen Asienliteratur (327). Ein eigener Unterabschnitt
gibt „Beispiele für spontan auftretende Samadhi-Erlebnisse"
(349—3 5 8). Hieir bringt Hauer zunächst fünf Erlebnisse eines ihm
„wohlbekannten Menschen" (das sei kein anderer als er selber,
meine ich), die ich aus geringerer ähnlicher Eigenerfahrung nur
bestätigen kann; ferner weist er auf Zeugnisse bekannter Dichter
hin (Wordsworth, Tennyson, Nietzsche). Auch Jakob Böhme und
Michael Hahn nennt er (356).

Wo aber solche Erlebnisse der letzten Wirklichkeit sich in christlicher
Spradie aussprechen, da muß Hauer gleich anmerken (wie bei
Böhme und Hahn): „Diese Schilderungen zeigen auch, wie solche Erlebnisse
meistens, sobald sie in Worte gefaßt werden, sich in die Form
geläufiger religiöser Vorstellungen gießen, sofern nicht eine kritisch-
psydiologische Betrachtungsweise sie begleitet" (3 56). Dem ist zu widersprechen
: solches Erleben kann eine impersonale Wirklichkeit anrühren,
dann spricht es, wie Hauer formuliert; es kann aber auch — und das
möchte Hauer uns glauben und ernsthaft bedenkenI — die allerletzte
personale Mitte aller Wirklichkeit anrühren, in ihm kann sich diese
Mitte, den Menschen ergreifend, kund machen (offenbaren). Beides ist
echtes Geschehen, in seiner Erfahrung wie sprachlichen Gestaltung!

Trefflich sind Hauers Unterscheidungen zwischen Hypnose
und Yoga (359), zwischen Schizophrenie und Yoga (360). Eigenmächtige
Interpretation des Nicht-Christen und für eine Art Erfahrung
des Impersonalen — aber auch nur für sie — zutreffend
ist, wenn er vom Samadhi-Zustand und seiner Hellwachheit sagt,
daß 6ich in ihm der Erfahrende „als unbedingtes Subjekt" realisiere
(3 59). Dem 6teht die ganz andere Erfahrung gegenüber,
die es auch gibt, und die Schleiermacher meint, wenn er von
„schlechthiniger Abhängigkeit" spricht (diese meint nicht etwas
psychologisch Vorfindliches, sondern ist eine existentiale Inter-