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1958 Nr. 9

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Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 9

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dem Leser Mut machen will, sich mit der Volksmission auf Neuland
zu begeben. Im Anhang werden dann noch einige lehrreiche
Schaubilder über das Schema gemeindlicher Arbeit geboten.

Der offiziöse Charakter des Buches wird durch die Einführungen
des damaligen Präsidenten des Zentralausschusses für
die Innere Mission, Landesbischof Lilje, des Vorsitzenden der
Arbeitsgemeinschaft für Volksmission, Professor Rendtorff, und
des beigeordneten Direktors der Studienabteilung des Ökumenischen
Rates, Dr. Harms, unterstrichen. In diesem Charakter liegt
in der Tat der Vorzug wie die Grenze der Arbeit: Vorzug insofern
, als ein nach allen Seiten hin wohlausgeglichenes Bild gegeben
wird; Grenze insofern, als man sich wünschen möchte, der
Verfa66er hätte in der Vertiefung und Ausformung einzelner
Züge mehr von seiner eigenen Erfahrung und Durchdenkung der
Probleme mitgeteilt.

Fuld> H.H. Walz

KSjb-erle, Adolf, Prof. Dr.: Der Herr über alles. Beiträge zum Uni-
Xrsalismus der christlichen Botschaft. Hamburg: Furche-Verlag [1957].
/ihs. 8°. Lw. DM 12.80.

Als „Sammlung von theologisch-wissenschaftlichen Studien
und praktisch-seelsorgerlichen Beiträgen" legt A. Köberle hier
seine vornehmlich nach dem 2. Weltkrieg verstreut erschienenen
Aufsätze vor. Ein Beitrag, „Was ist der Mensch?", ist 1936 in
ZsystTh veröffentlicht, zwei 6ind bisher unveröffentlicht: „Der
Sinn des Leibes im Christentum" (114—129) und „Die Frage nach
der Führung durch den Geist", eine Überlegung zum Problem der
Situationsethik (217—225). Damit ist der Band ein Spiegel theologischen
Denkens in der Bemühung um die Bewältigung moderner
Fragen: Verweltlichung als Massenerscheinung; Gottesglaube
im technischen Zeitalter; Natur und Maschine; Glaube oder
Aberglaube; Krankheit und Lebensprobleme; religiöser Anspruch
der Kunst; Gefahren der gesetzlichen Verkrampfung u. a. Deutlich
wird der anthropologische Umkreis in den Vordergrund gestellt
und das „Herrsein Jesu Christi über alles" (Act. 10, 36),
an der Welt in ihrer Erscheinungsfülle, „in ihrer Herrlichkeit und
in ihrer abgründigen Dunkelheit", als die Gottesbotschaft für
die an die Mächte des Vordergründigen verkauften Menschen
unserer Tage dargetan. K. geht es mehr um ein Suchen des Gesprächskontaktes
als um eine lehrhafte Darstellung seelsorgerlicher
Probleme, und das ist schon mit der Fülle konkreter, beispielhaft
verwendeter Berichte gelungen. Das Thema Arzt und
Seelsorger, Psychotherapie und Seekorge, überhaupt der Innenbereich
des Menschen bestimmt allerdings viele der Beiträge, so
daß man die „Einübung im Christentum" (178-255) fast nur
als eine praktische Beratung empfindet — unter den Stichworten
,,Askese", „Privatbeichte", Bekämpfung der „religiösen Unlust
im Leben des Christen", „Führung" durch den Geist. Die grundsätzliche
Kritik an dem „unersättlichen Glücksverlangen unserer
Zeit" und die Warnung vor der gewaltigen „Sturzwelle des
Okkultismus" kommt aber aus einer ebenso grundsätzlichen
theologischen Konzeption, die K. als „christlichen Universalismus
" kennzeichnet. Er möchte „die Christusmacht auf keinen Fall
beschränken auf die Bereiche der Innerlichkeit". Es gelte auch die
„übersehenen und verkannten Schöpfungskräfte ... zu begreifen
und sie fruchtbar zu machen für heilende Aufgaben im Dienst
des Christus Pantokrator".

Groifswuld Horst B e i n tk c r

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Herrmann, Siegfried: Die Ursprünge der prophetischen Heilserwartung
im Alten Testament. Di6s. Leipzig 1957, 182 S.

Unter Verzicht auf wissenschaftsgeschichtliche Übersichten und
ausführliche Referate über frühere Auffassungen wird an Hand der
Texte des Alten Testaments unter Berücksichtigung außerisraelitischen
Materials die Frage nach den geschichtlichen Voraussetzungen der Heilserwartungen
aufgeworfen und ihr Ausbau unter Beachtung traditionsgeschichtlicher
und überlieferungskritischer Gesichtspunkte Schritt für
Schritt verfolgt.

Im ersten Teil der Arbeit über „Formen der Heilserwartung außerhalb
Israels" ist zunächst den Texten Ägyptens breiter Raum gegeben,
die herkömmlich als „prophetisch" bezeichnet werden, aber zumeist
weniger kritisch verarbeitet worden sind (Weissagung des Neferti,
Mahnworte eine« ägyptischen Weisen, Lehre für Merikare sowie einige
Texte aus hellenistischer Zeit). Verf. zieht hier die für das Alte Testament
wesentlichen Konsequenzen aus seinen „Untersuchungen zur
Überlieferung6ge6talt mittelägyptischer Literaturwerke" (1957) = Deutsche
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für Orientforschung
. Veröffentlichung Nr. 33. Direkte Berührungen dc6 ägyptischen
Materials mit Texten des Alten Testaments müssen von Fall zu Fall
geprüft werden, wobei immer zu bedenken ist, ob überhaupt und wie
ägyptischer Einfluß in Israel wirksam werden konnte. Die davidisch-
salomonische Ära zeigt dafür eine begrenzte Aufnahmefähigkeit; von
den klassischen Propheten des 8. Jahrhunderts kommt nur der lerusa-
lemcr Jcsaja ernsthaft in Betracht. Auch das Textmaterial aus Mesopotamien
, Kleinasien und Syrien, dem ein kurzer Überblick und eine
Herausarbeitung charakteristischer Merkmale gewidmet sind, fördert nur
teilweise das Verständnis der Texte aus Israel und muß behutsam beurteilt
werden (auch Maril).

Da das außerisraelitische Material allenfalls formale Hinweise geben
, aber nicht den Wesenskern israelitischer Heilserwartung treffen
kann, müssen ihre Ursprünge so weit als möglich aus dem Alten Testament
selbst zu ermitteln versucht werden. Das geschieht im zweiten
Teil der Arbeit unter der Überschrift „Der Ursprung der Hcilserwar-
tung im Alten Testament". Dabei zeigt sich, daß die drei dominierenden
Heilstraditionen vorprophetischer Zeit, die Kulturlandverheißung,
der Bundesgedanke und die Davidverheißung, erst in der frühen und
mittleren Königszeit, also zum guten Teil gleichzeitig mit der klassischen
Prophetie, ihre auf uns gekommene literarische Gestalt erhalten
haben. Die Beurteilung der Heilstraditionen in Israel kann aber nicht
unabhängig von den Erwägungen und Ergebnissen der am Pentateuch
und den übrigen geschichtlichen Büchern geübten Literar- und Überlieferungskritik
sachgerecht durchgeführt werden. Die Frage entsteht,
ob den Propheten des 8. Jahrhunderts das uns geläufige „klassische"

Bild israelitischer Frühgeschichte 6chon in der Form fester Besitz war,
wie es zu ihrer Zeit oder wenig vorher durch Verknüpfung der Einzel-
traditionen in Jahwist und Elohist in breiter Form gestaltet wurde. Die
Sachverhalte werden dadurch noch komplizierter, daß nicht ganz Israel
gleichmäßig am Ausbau und an der Übernahme des Geschichtsbildes
der Frühzeit beteiligt zu denken ist. Um Sichern (vgl. Jos. 24) hatte die
Jahwe-Religion ihr erstes starkes Zentrum; luda stand dem inneren
Entwicklungsgang unter den Nordstämmen ferner. In Mittelpalästina
hat jedoch die Mosetradition ihren Ausbau erfahren, wo das „Hau«
loseph" als Träger dieser Tradition Fuß gefaßt hatte. Dort waren
schließlich auch die Voraussetzungen für das Deuteronomium gegeben,
das der Autorität des Mose endgültig zum Siege verhalf.

Auf diesem weiten überlieferungsgeschichtlichen Hintergrund ist die
Frage nach den Ursprüngen der Heilserwartung der klassischen Propheten
des 8. lahrhunderts zu klären. Die Kulturlandverheißung, die in
zwei zunächst getrennten Typen auftritt (Gen. 12, 1—3: Typ der Verheißung
an die Väter; Ex. 3,8: Typ der Verheißung an Mose) spielt
keine Rolle; Berührungen mit den Wüstentraditionen der Mosezeit
lassen sich bei Hosea beobachten, der im Reiche Israel den sichemitischen
Traditionen am nächsten stand. Sie fehlen hingegen bei den Propheten
aus lerusalem und luda, lesaja und Micha, vollkommen, bei Arnos,
der Israel als Judäer mehr „von außen" betrachtete, sind sie nicht
sicher nachweisbar. Mose ist von keinem dieser Propheten erwähnt.
Diese Ergebnisse der Prophetenkritik, die der Überlieferungskritik an
den geschichtlichen Büchern des Alten Testaments entsprechen, sind
nicht zufällig, selbst wenn man einräumt, daß die klassischen Propheten
den in den geschichtlichen Überlieferungen fixierten Traditionen
ferner gestanden haben könnten.

Im letzten Teil der Arbeit „Die Aufnahme der Heilstraditionen in
der klassischen Prophetie" werden Hosea, Arnos, Jesaja, und Micha je
für sich untersucht. Bei Jesaja werden drei Gedankenkreise herausgearbeitet
: Restgedanke, Hoffnung auf das Haus Davids, Zion-Hoffnung.
Jesajas Heilssprüche beschränken sich im wesentlichen auf die Zeit während
und nach dem syrisch-ephraimitischen Krieg. In diesen Zusammenhang
gehören auch die Sprüche 8, 23b —9, 6 und 11, 1—5. 9, 5.6 läßt
den Ablauf des ägyptischen Krönungsrituals erkennen. Wenn auch
Jesajas Heilssprüche später zurücktreten, so hat doch seine Hoffnung nie
aufgehört, die sich wohl an Jerusalem heftete (Jes. 28, 16. 17a), aber
nicht die universale Weite erreichte, die 2, 2—4 ihm zuzuschreiben
scheint. — In der Botschaft des Hosea wird als Voraussetzung für das
Verstehen der Ehegeschichte bei den Zeitgenossen des Propheten das
Wissen um den Bundesgedanken angenommen werden müssen, der im
Reiche Israel im Anschluß an die Mosetradition tiefer Wurzel schlug,
jedoch in luda durch die Prävalenz der Davidverheißung zurückgedrängt
war.