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1958 Nr. 9

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Systematische Theologie

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 9

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„Wer das sola gratia ausschlägt, der stürzt sich in die fromme
Eigenmächtigkeit. Und er endet im Selbstbetrug" (116).

Zusammenfassend bestimmt H. den „Raum zwischen Rom
und der Reformation" als den Ort der Sekten. Das Sektentum
„ist mit Rom durch die Gemeinschaft der Antithetik gegen die
Reformation verbunden, erreicht aber in seiner Thetik nicht die
Fülle der römischen Kirche, ... Da es aus 6einer protestantischen
Herkunft das Nein gegen Rom als Erbe mitbekommen hat, wird
es 6ich niemals zur katholischen Kirche hin entwickeln, sondern
. . . ihrem ,extra ecclesiam nulla salus' sein rivalisierendes ,extra
sectam nulla salus' entgegenstellen" (132).

H.s Buch ist sehr anregend und lebendig geschrieben, besonders
durch die zahlreichen Beispiele, die er aus der Sektenwelt
anführt, um seine Thesen zu belegen. Freilich — und dessen ist H.
sich selber bewußt — läßt sich seine Sicht der Dinge nicht restlos
durchführen. Einmal gibt es Übergänge zwischen Sekte und Kirche
, und dann gibt es innerhalb der Sektenwelt immer auch Ausnahmen
von der Regel. Solche zählt H. mehrfach auf. Aber wenn
man auch überall größere oder kleinere Fragezeichen setzen muß,
so behält die Konzeption H.s doch ihren Wert. Nur an einer
Stelle möchte ich ausdrücklich widersprechen. H. kritisiert an
der Kirche, daß ein Großteil der Kirchengemeinden aus bloßen
„Taufscheinchristen" besteht. Diese will er „aus den Kirchenbüchern
" streichen (124). Wie er sich eine solche Streichung
denkt, sagt er nicht. Annullierung der Taufe? oder der Konfirmation
? oder nur Streichung aus der Kirchensteuerliste? Soll diesen
„Gestrichenen" die Trauung oder die kirchliche Bestattung
verweigert werden? Soviel Fragen, soviel bis ins Zentrum reichende
Probleme! H. schlägt vor, die Mitgliedschaft in der Kirche
(ähnlich wie bei der kommunistischen Partei) von einer Leistung
abhängig zu machen. „Müßte nicht die Kirche ihre Glieder wenigstens
zu gewissen Mindestleistungen außerhalb der Kirchensteuer
verpflichten?" (124). Es wäre ein Gewinn für Pfarrer und
Gemeinden, „wenn die Schar der Gleichgültigen ausschiede". Angesichts
der Stoßkraft sektiererischer Kleinkreise und der Schwerfälligkeit
kirchlicher Massengemeinden ein begreiflicher Seufzer!
Und doch: dürfen wir die Sichtung der Kirche in eigene Regie
übernehmen? Greifen wir damit nicht in Gottes Amt ein und
tun das, was wir bei den Sekten als Fehler verurteilen?!

Halle/Saale E. Schott

LITURGIEWISSEN SCHAFT

!endt, Leonhard, Prof. D. Dr. f: Einführung in die Liturgiewissenschaft
. Berlin: Töpelmann 1958. XII, 287 S. gr. 8° = Sammlung Töpel-
mann. 2. Reihe: Die Theologie im Abriß, Bd. 5. Lw. DM 24.—.

Dies Buch ist das letzte Werk von L. Fendt. Als er am
9. Januar 1957 starb, hinterließ er das druckfertige Manuskript,
das sein Schüler Bernhard Klaus veröffentlichte.

Es ist der Ertrag der Lebensarbeit Fendts im Bereich seiner
liturgischen Forschungen. Zum ersten Male aus dem Kreis der
evangelischen Theologie erscheint eine Liturgiewissenschaft, d.h.
eine Einführung in die Wissenschaft von der Liturgie in der Geschichte
der Kirche. Liturgiewissenschaft ist für ihn ein Teil der
Kirchen- und Dogmengeschichte. Ihr Hauptgegenstand sind die
liturgischen „Formulare", ihre Erforschung, ihre Exegese und
geschichtliche Einordnung.

Neben eine Quellensammlung zur Geschichte des Gottesdienstes
tritt hier eine Übersicht über den wesentlichen Inhalt
aller wichtigen Quellen, d. h. aller Formulare der Gemeindegottesdienste
, Predigt-, Tauf-, Abendmahls- und Gebetsgottesdienste
der Kirche von den Tagen der Urchristenheit bis zur Gegenwart
. Die älteste Kirche kann freilich nur „Spuren" (2. Teil)'
liturgischer Formulare bieten, dann kommen (im 3. Teil) die
„Formulare" (seit Justin), besonders die des 4. und 5. Jahrhunderts
. Das Mittelalter steht unter dem Stichwort „Die Agende".
Dann folgt als 5. Teil der sechsfache Ausgang der abendländischen
Liturgie - unter der Überschrift „Die Resultate". Fendt versteht
hierunter den lutherischen, anglikanischen, reformierten, puritanischen
, tridentinischen und orientalischen „Ausgang" in Gestalt
ihrer klassischen konfessionellen Liturgien. Man bekommt
einen guten Einblick in das Entstehen und Wachsen der christlichen
Liturgie. Das Ganze ist wie eine Geschichte in Stichworten,
die unmittelbar aus den Quellen genommen sind. Es zeigt, welche
Aufgabe eigentlich einer Geschichte des christlichen Gottesdienstes
gestellt ist, wenn sie wirklich aus den Quellen schöpfend
mit der erforderlichen Sorgfalt im Eingehen auf die Besonderheiten
dieser Geschichte ein wahres Bild bieten will, das nicht
durch konfessionelle Leitbilder getrübt ist. Wahrscheinlich gibt
es heute noch keine Möglichkeit, diese Geschichte zu schreiben,
zumal da der Bereich des Unerforschten und vielleicht auch bis
auf weiteres Unerforschbaren hier nicht klein ist.

Das Buch von Fendt ist dem Fachgenossen durch die übersichtliche
Konzentration des großen Stoffes der Liturgiewissenschaft
ein wertvolles Hilfsbuch. Es bedarf für den Anfänger im
Studium der Liturgik des erläuternden Werkes zum Verständnis,
damit er nicht durch die Fülle des Dargebotenen und die Knappheit
der Darstellung vom Studium abgeschreckt werde. Darum
sollte es im Seminar der praktischen Theologie gebraucht und
hier dem Studenten erschlossen werden.

Es ist sehr erfreulich, daß der evangelischen Theologie für
ihre liturgische Arbeit ein solches Werk zur Verfügung steht,
was ihr bisher — trotz Rietschel und Leiturgia — gefehlt hat.

/ Lutl

Düsseldorf J. Beckmann

briel, Paul: Das deutsche evangelische Kirchenlied von Martin
Luther bis zur Gegenwart. 3., durchgesehene Aufl. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt [1956]. 156 S., 29 Abb. 8°. Lw. DM 8—.

Der in der ThLZ 1952, Nr. 12 angezeigten 2. Auflage 6einer
ausgezeichneten Darstellung des deutschen evangelischen Kirchenliedes
konnte Paul Gabriel inzwischen die 3. Auflage folgen lassen
. Sie präsentiert sich in einem ansprechenden grünen Ganzleinenband
, einer neuen, besseren Drucktype und mit einem kom-
pressen Satzbild (daher die Reduzierung der Seitenzahl von 200
auf 156). Als besonderen Schmuck hat das Buch eine Reihe von
Bildbeilagen mitbekommen; freilich wünschte man sich bei manchem
der Dichterbilder bessere Vorlagen, und die meisten Reproduktionen
aus den klassischen Gesangbüchern des 16. und 17.
Jahrhunderts müßten in der nächsten Auflage in größerem Format
gebracht werden. Der Text des Buches konnte bis auf einzelne
geringfügige Verbesserungen der gleiche bleiben, ein Beweis
dafür, wie sehr Gabriels Darstellung den Rang und die Gültigkeit
des Klassischen besitzt. Lediglich das Quellen- und Literaturverzeichnis
, das ein wenig unsystematisch wirkt, sollte bei
der nächsten Neuauflage des Werkes einmal durchgesehen und
auf den neuesten Stand gebracht werden. Man vermißt darin so
wichtige monographische Abhandlungen wie z.B. Wilhelm Stapel:
Luthers Lieder und Gedichte (Stuttgart 1950), Karl Hauschildt:
Die Christusverkündigung im Weihnachtslied unserer Kirche
(Berlin 1952), Klaus Burba: Die Christologie in Luthers Liedern
(Gütersloh 1956). Auch das Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch
, von dem bereits mehrere Bände vorliegen und
zu dem Paul Gabriel selbst einen konzentrierten Abriß der Geschichte
des evangelischen Kirchenliedes beigesteuert hat, sollte
ebensowenig unerwähnt bleiben, wie die einschlägigen Artikel in
dem seit 1949 im Bärenreiter-Verlag in Kassel erscheinenden
Sammelwerk Musik in Geschichte und Gegenwart.

Berlin Oskar Söh n ge n

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Weber, Otto: Grundfraoen^der Dogmatik. I. Bd. Neukirchen/Kr.
/ Moers: Verlag der rJuchhandl. des Erziehungsvereins [1955]. 708 S-
gr. 8°. DM 28.50; Lw. 33.—.

Dieses Buch, dessen Besprechung ich längst hätte liefern
sollen, ist der erste Teil einer auf zwei Bände berechneten Darstellung
. Es gibt sich als ein „Lehrbuch". Sein Titel „Grund-
_^a g e n der Dogmatik" ist im Sinne des Verfassers so zu verstehen
, daß es „an den wichtigsten Punkten den Linien der dogmatischen
Arbeit kritisch nachzugehen" bestimmt ist. „Die sparsame
Darlegung der eigenen Position geschieht also möglichst in
ständigem Gespräch mit den .Vätern' und ,Brüdern' und nicht
selten nur in Gestalt eines kritischen Referats" (5).