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1958 Nr. 9

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Kirchengeschichte: Alte Kirche

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 9

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Autoren einschlägiger Abhandlungen hat der Verf. bewundernswerte
Unvoreingenommenheit zutage gelegt. Zu L's Literaturangaben
hinzuzufügen wäre heute der bei der 'The Four Gospels
in 1957' - Tagung im September 1957 in Oxford gehaltene Vortrag
R. McL. Wilsons, der demnächst in der Reihe der Texte und
Untersuchungen veröffentlicht werden wird.

Zum Schluß verbleibt mir die angenehme Pflicht, dem Abbe
Laurentin meinen Dank auszusprechen für die vornehm sachliche
Weise, mit der er, über alle weltanschaulichen Gegensätze hinweg,
sich über meine eigenen, bisher nur stückweise und verstreut in
verschiedenen Zeitschriften vorliegende Arbeit über die Entstehungsgeschichte
und den literarischen Aufbau der Lukas 1
und 2 einverleibten Erzählungen ausgesprochen hat.

London Paul Winter

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

GAfi b e r, Klaus: Wege zum Urgregorianum. Erörterung der Grund-
/fnrgen und Rekonstruktionsversuch des Sakramentars Gregors d. Gr.

/ vom Jahre 592. In beratender Verbindung mit A. Dold hrsg.
Beuron: Beuroner Kunstverlag 1956. VIII, 53 S. gr. 8° = Texte und
Arbeiten. I. Abt.: Beiträge zur Ergründung des älteren lateinischen
christl. Schrifttums u. Gottesdienstes, H. 46. DM 8—.

Klaus Gamber hat hier in Zusammenarbeit mit Alban Dold
den Versuch einer genauen Datierung der Entstehung des ursprünglichen
Gregorianischen Sakramentars auf das Jahr 592
unternommen und — im Unterschied von K. Mohlbergs Arbeit
über das Sakramentar von Padua (,,Die älteste erreichbare Gestalt
des liber sacramentorum anni circuli der römischen Kirche") —
einen neuen Rekonstruktionsversuch des Urgregorianums vorgelegt
.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die Gründe, die gegen Mohl-
berg sprechen und die den neuen Versuch stützen, wirklich zu
der ursprünglichen gregorianischen Gestalt des römischen Sakramentars
vorzustoßen, eindrucksvoll sind. Sie werden einer sorgsamen
Überprüfung der am gleichen Thema arbeitenden Fachleute
standzuhalten haben.

Das nur 50 Seiten umfassende Heft aus den „Texten und
Arbeiten" von Beuron enthält für den Liturgieforscher eine
Untersuchung von einigem Gewicht.

Düsseldorf J. Bockmann

KIRCHEISGESCHICHTE: MITTELALTER

Wachtel, Alois: Alexander Minorita. Expositio in Apocalypsim

hreg. Weimar: Böhlau 1955. LX, 576 S. gr. 8° = Monumenta Ger-
maniae Historica. Die deutschen Geschichtsquellen des Mittelalters
500—1500, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelaltere, 1. Bd.
DM 47.80.

Mit dem vorliegenden Band eröffnen die MGH eine neue,
geistesgeschichtliche Reihe, und dies bestimmt in würdiger Weise.
Der Apokalypsenkommentar des Franziskaner-Minoriten Alexander
von Bremen, der für die mittelalterliche Apk-Auslegung so
große Bedeutung erlangt hat, war, soweit wir wissen, der erste,
der im Geiste Joachims von Fiore dieses Buch als prophetische
Darstellung des gesamten Ablaufs der Kirchengeschichte zu deuten
unternommen hat. Es gibt wohl seit 1873 eine Facsimile-
Ausgabe einer Handschrift dieses Werkes, die aber so wenig beachtet
worden ist, daß selbst W. Bou6set, der sich in der Geschichte
der Apk-Auslegung gründlich umgesehen hat, sie nicht
erwähnt. Eine neue Ausgabe, die die ganze handschriftliche Überlieferung
verwertet, war darum ein echtes wissenschaftliches Anliegen
, und niemand unter den heute Lebenden war wohl besser
dafür vorbereitet als A. Wachtel, der sich seit langem mit der
Person und dem Werk Alexanders von Bremen beschäftigt hat
und dem wir das Beste verdanken, was bisher darüber geschrieben
wurde. Und er hat sich gerade noch rechtzeitig an 6eine Aufgabe
gemacht; denn von den insgesamt acht Hss, die diesen Kommentar
enthalten, sind zwei Opfer des zweiten Weltkrieges geworden
. Die eine (B, früher Univ.-Bibl. Breslau) existiert wahrscheinlich
heute nicht mehr, die andere (D, Dresden) hat schwersten
Schaden gelitten.

Der Verfasser des Werkes hat seinen Namen in einer nur
dem Kundigen verständlichen Weise mitgeteilt. Ein paar von den
Hss bezeichnen ihn aber ausdrücklich als Frater Alexander de
ordine Fratrum Minorum und nennen als sein Todesjahr 1271.
Außerdem erwähnt ihn sein Zeitgenosse Albert von Stade in
seiner Weltchronik. Mit überzeugenden Gründen weist der
Herausgeber in der Einleitung die Meinung von Gilson und
Kleinhans zurück, der Verfasser des Kommentars sei identisch mit
dem gleichnamigen Scholastika der Bremer Domschule, Alex,
von Bexhövede. Außerdem stellt er andere Irrtümer früherer
Autoren über Alex, und sein Werk richtig. Unter den Benützern
des Kommentars nennt er Nikolaus von Lyra und Petrus Aureoli.
Im Apparat der Ausgabe erscheinen jedoch ihre Namen nicht.
Bei der relativ schmalen Überlieferung des Kommentars und der
Kompliziertheit seiner Textgeschichte, von der sogleich zu sprechen
sein wird, wäre e6 aber angebracht gewesen, die Textgestalt
genau festzustellen, in der die beiden das Werk Alexanders benützt
haben.

In der Einleitung faßt der Herausgeber die Ergebnisse seiner
jahrelangen Beschäftigung mit Alex, und seinem Werk zusammen.
Den Leser des Kommentars interessieren davon in erster Linie
die Beschreibung der Hss und was über die Textgeschichte mitgeteilt
wird. Diese ist recht verwickelt; denn der Kommentar
ist nicht nur in e i n e r Gestalt überliefert, sondern in mehreren,
die sich zum Teil erheblich unterscheiden. Man muß es deshalb
als einen Mangel bezeichnen, daß der Herausgeber sich in diesem
Teil seiner Einleitung nicht zu größerer Ausführlichkeit entschlossen
hat. Die jüngste Gestalt des Kommentars liegt in der
Hss C (Cambridge) vor. Sie stammt nicht mehr von der Hand des
Verfassers selbst. Neben einer illustrierten Ausgabe gibt es eine
nicht-illustrierte, die zugleich eine verkürzte Textfassung bietet
(erhalten in den zwei Wolfenbütteler Hss W1 und W2). Diese
verkürzte Ausgabe bezeichnet sich in dem abgeänderten Prolog
selbst als einen Auszug aus der umfangreicheren Textgestalt, die
damit als ursprünglicher erwiesen ist. In der verkürzten Ausgabe
„wurde in der Hauptsache die Glossenkompilation (von Anselm
von Laon) weggelassen, die in der ersten Ausgabe des Kommentars
jeweils auf die weltgeschichtliche Auslegung folgt" (XXII).
Alex, hat nämlich, wie er selbst im Prolog mitteilt, diese Glossenauslegung
deshalb seiner eigenen beigefügt, „ne a ceteris nimis
videamur dissentire". Abgesehen von diesen äußerlich am meisten
in die Augen fallenden Streichungen unterscheidet sich die
kürzere Ausgabe von der älteren nur durch allerlei geringfügige
Änderungen am Text und ein paar vereinzelte Erweiterungen
oder Umgestaltungen des ursprünglichen Textes. Im übrigen
stimmt ihr Text im Umfang genau mit dem älteren, wie ihn die
Hss P (Prag), Ch (Chälons sur Marne), R (Vatikan) bieten, überein
. Hier bedauert man, daß der Herausgeber auf diese an sich
geringfügigen Unterschiede zwischen dem ursprünglichen und dem
verkürzten Text nicht näher eingegangen ist und sie dem Leser
vorgeführt hat. Er selbst ist nämlich der Meinung, daß auch die
verkürzte Ausgabe das Werk Alexanders ist. Hier kann man ihm
aber m. E. nicht so bereitwillig folgen. Ist es psychologisch wahrscheinlich
, daß der Autor selbst, während er daran war, sein
Werk noch weiter auszugestalten, wie wir sogleich erfahren werden
, gleichzeitig davon auch eine verkürzte Ausgabe veranstaltet
hat? Ist es nicht statt dessen wahrscheinlicher, daß die Textform
von W1 W2 von einem anderen stammt? Um in dieser Frage über
bloße psychologische Erwägungen hinauszukommen, wäre die
Vorführung der genannten Erweiterungen und Änderungen des
Textes, so geringfügig sie an sich sein mögen, wichtig gewesen.
W. urteilt, daß manche dieser Korrekturen in W1 W2 nicht zu
rechtfertigen sind, aber auch keine bloßen Schreiberversehen sind.
Sollte in solchen Fällen Alex, selbst seinen Text verschlechtert
haben? Zum Glück hat diese Frage für die Gestaltung der Textausgabe
keine Bedeutung. Auch die Textgestalt von P Ch R ist
nicht die Urfassung des Kommentars. Nach dem Explicit von W1
wurde das Werk zuerst 123 5 vollendet. Diese allererste Gestalt
ist uns nicht erhalten. In den folgenden Jahren arbeitete Alex,
weiter an 6einem Werk, und das Ergebnis war die zweite Ausgabe,
die in P Ch R vorliegt. „Unter dem Eindruck der Erwartungen