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Ausgabe:

1958

Spalte:

38-41

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Grab-Epigramme 1958

Rezensent:

Hommel, Hildebrecht

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zur Gegenwart, I 1903, II 1912, fehlte der dritte Band, der dem
damaligen Regierungsbezirk Stralsund gegolten haben würde.
Nachdem ein Manuskript Moderows 1945 in Stettin verschollen
ist, füllt nunmehr H. die Lücke aus. Der erste Teil seiner uns
vorliegenden Arbeit gilt der Insel Rügen. Als Unterlagen dienten
nicht nur die veralteten Pfarrerbücher des 18. Jahrhunderts (das
wichtigste: Wackenroder, Altes und Neues Rügen, 1733), sondern
auch Kirchenmatrikeln, Visitationsrezesse, Memorabilien-
bücher, große und kleine Urkundenbücher, Auszüge aus dem
alten Stettiner Staatsarchiv, die der Verf. aus seiner Stettiner
Zeit retten konnte, und andere Archivalien. Natürlich sind oft
die heutigen Pfarrinhaber zur Mitarbeit herangezogen worden.

Die Anlage des Buches ist traditionell-sachgemäß: in historischer
Folge wird die Geschichte der Pfarrer auf Rügens Pfarrsitzen
geboten. Jedem Kapitel werden Notizen zur Geschichte
des Kirchspiels vorangeschickt, mit Angabe der urkundlichen
Fundstellen; hier entfaltet der Kirchenhistoriker Heyden auf
engstem Raum reichstes Wissen. Hier finden wir auch die Angaben
über die Patrozinien, besonders dankenswerte Funde, weil
eine Untersuchung über sie im pommerschen Raum fehlt. In die
Viten sind gelegentlich kirchen- und kulturgeschichtlich wertvolle
Anekdoten eingestreut, wobei man bedauern kann, daß es so
zurückhaltend geschah. Besonders aufmerksam wird auf die Annahme
oder Ablehnung neuer Gesangbücher und der Unionsagende
geachtet. Einen dankbaren Hinweis verdient, daß aus
reicher Urkundenkenntnis immerfort die erreichbaren Namen
und Daten mittelalterlicher Geistlicher mitgeteilt werden; in
dieser Hinsicht dürfte das Werk seinesgleichen nicht haben.

Da erst der erste Teil des Werkes vorliegt, werden Kritik und
Wünsche vielleicht dem Fortgang noch nützen können. Es ist ersichtlich
, warum im Titel der „ehemalige Regierungsbezirk Stralsund" erscheint
, — eine Konzession an das Werk Moderows, das H. ergänzt.
Zwischen 1903 und 1912 aber liegt 1945! Tatsächlich ist H.s Werk
ein neues, selbständiges Buch, das in der geschichtlich völlig veränderten
pommerschen Situation auch einen der Gegenwart gemäßen Titel
hätte erhalten sollen. — Wir stellen zur Erwägung, ob nicht in Zukunft
die Amtsjahre der Geistlichen am Rande erscheinen sollten; die Übersichtlichkeit
würde gewinnen, und erste Orientierungen und kirchen-
kundlidie Rückschlüsse wären sehr erleichtert. Hilfreich wären die gleichen
Jahresdaten im Index. — Die literarischen Hinweise ließen sich
vermehren, zum Besten der pfarrgeschichtlichen Forschung. Es wird Vielen
nützlich sein, daß sie z. B. über Magnus Böttger, einen Führer der
pommerschen kirchlichen Erweckung im 19. Jahrhundert, S. 207 einen
wichtigen literarischen Hinweis erhalten. Daneben nennen wir zwei
Gegenbeispiele: daß über Laurentius Krintze (S. 52) im Monatsblatt
der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde 1904,
S- 17 ff., gehandelt ist und daß über Theodor Schwarz (S. 141) die
Greifswalder Dissertation von Erika Maskow vorliegt (Theodor
Schwarz, ein pommerscher Romantiker, 1934), erfährt der Leser nicht.
Der Belebung der Pfarrgeschichte wegen wünschten wir dem fortschreitenden
Werk reiche Hinweise auf die landeskundliche Literatur,
für die durch Sonderkataloge der Greifswalder Universitätsbibliothek
die Grundlagen geschaffen sind. Als Bereicherung würden wir es weiter
empfinden, wenn nach dem Vorbild unserer besten Pfarrbücher mehr
auf das Schicksal der Kinder aus Pfarrhäusern eingegangen werden
könnte, soweit sie im kirchlichen und geistigen Leben Deutschlands
eine Rolle spielten; die Geschichte des deutschen Pfarrhauses ist daran
interessiert. Um ein Kuriosum aus alter Zeit zu nennen: aus Wackenroder
erfährt man. daß die nichtStudierenden Pfarrersöhne Rügens im
18. Jahrhundert gern — Barbiere wurden; ein Ausweichberuf der geistig
weniger Tüchtigen! — Da häufig Druckfehler begegnen, fragt man
sidi mit leiser Sorge, ob die vielen Familiennamen, besonders die der
Frauen, immer richtig geschrieben sind. — Zum Stil der Viten: Fl.
möchte ihn auflockern, um der schematischen listenmäßigen Aufführung
von Namen und Daten zu entgehen. Was dabei herausgekommen ist,
wirkt aber u. E. bei fortlaufender Lektüre ermüdender als die nackte
Aufreihung im Telegrammstil. „Er begann das Studium ... er bestand
die erste theologische Prüfung ... er machte die zweite Prüfung .. •
er wurde ordiniert ... er heiratete usw". Ist es eine Erleichterung für
den Forscher, der ja solch Werk im Zusammenhang studiert, hunderte
von Malen solches zu lesen?

Das an Entsagung und Forscherfleiß reiche Werk wird gleicherweise
der genealogischen wie der kirchenkundlichen und
pfarrgeschichtlichen Forschung dienen. Hoffentlich wird es zu
zusammenfassenden kirchenkundlichen Studien reizen, womit dem
gelehrten Verfasser der schönste Lohn gezahlt werden würde.

Rostock G. Holtz

KlHCHE NGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Peek, Werner: Griechische Vers-Inschriften hrsg. Band I: Grab-Epi-
gramme. Berlin: Akademie-Verlag 195 5. XXX, 69 5 S. gr. 8°. DM 70._.

— Verzeichnis der Gedicht-Anfänge und vergleichende Übersicht zu den
Griechischen Vers-Inschriften I hrsg. Berlin: Akademie-Verlag 1957.
44 S. gr. 8°. DM 10.50.

Der nie versiegende Zuwachs an antiken Steininschriften,
durch Zufallsfunde wie durch die Arbeit des Spatens in Gang
gehalten und in seinem Tempo lediglich durch die beiden Kriege
jeweils für eine Reihe von Jahren gehemmt, hat es mit sich gebracht
, daß Georg K a i b e 1' s Epigrammata Graeca e lapidibus
collecta schon bald nach ihrem Erscheinen (1878) dringend nach
einer Erneuerung verlangten. Dennoch haben sich fast drei Forschergenerationen
aller interessierten Länder mit diesem einst
vortrefflichen Werk behelfen und sich im übrigen das Material
aus unübersehbar verstreuten Publikationen zusammensuchen
müssen. Daß sich hierin mit dem Erscheinen des 1. Bandes der
Werner Peek verdankten Neubearbeitung ein hoffnungsvoller
Wandel anbahnt, ist weit über die Spezialdisziplin der Epigraphik
hinaus als ein bemerkenswertes Ereignis zu begrüßen. Ja wenn
es auch in der heute wieder durchaus im Bereich öffentlicher Anteilnahme
stehenden Wissenschaft vom Klassischen Altertum so
etwas wie ein ,Buch des Jahres' gäbe, so müßte für 195 5'56 das
vorliegende Werk ohne Frage in die engste Wahl zu ziehen sein.
Peek hat einst im Gnomon 1932 in jugendlichem Leichtsinn die
Neubearbeitung des Kaibel versprochen. Glücklicherweise hat
sich zu diesem erfreulichen Impuls des Jünglings alsbald das
strenge Ethos des pflicht- und verantwortungsbewußten Mannes
gesellt, der durch die Richtung seiner Forschung und durch das
Schwinden der Mitarbeiter auf diesem Felde bald einer von ganz
wenigen war, die diese Aufgabe überhaupt leisten konnten. Und
wenn es seiner bewährten Zähigkeit gelingt, das auf 4 Bände berechnete
Gesamtwerk zu Ende zu führen, dann hat er sich und
der deutschen Altertumswissenschaft ein Denkmal geschaffen,
das wohl ein Leben lohnt. Ein Werk überdies, das — würde es
heute in Angriff genommen — nur noch als Gemeinschaftslei-
stung von mehreren zu denken wäre. Die Mängel, die notwendig
aus solcher Überforderung eines Einzelnen resultieren, hat der
Bearbeiter selber klar erkannt und in einer wichtigen und geradezu
spannend zu lesenden Vorrede von einem Dutzend Seiten
immer wieder betont. Der zu Kritik aufgelegte Benutzer wird
sich dies stets vor Augen halten müssen und dann letzten Endes
doch dankbar sein, daß das Werk einen so vortrefflichen Anfang
genommen hat, dem bald die Fortsetzung folgen möge.

Der Zeitraum der hier kritisch edierten, in gebundener
Rede abgefaßten griechischen Inschriften vom 6. vorchristl. bis
zum 6. nachchristl. Jhdt. — also etwa 1200 Jahre — läßt angesichts
des schlechten und fragmentarischen Erhaltungszustande*
der meisten Zeugnisse und der Veränderungen, denen Sprache
und Orthographie (mehr als der beharrlich festgehaltene Stil) in
so langer Zeit unterworfen waren, ohne weiteres ermessen, welche
Fülle von schwierigen Entscheidungen zu treffen war, um
alles schließlich doch rein editionstechnisch schlecht und recht
auf einen Nenner zu bringen (worüber wiederum die Vorrede
erwünschte Auskunft im einzelnen gibt) — ganz abgesehen von
der Vielfalt philologischer und historischer Fähigkeiten, die eine
solche Aufgabe erfordert. Dabei ist überall eine Nachprüfung der
oft unzugänglichen Erstpublikationen mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln und Kräften erfolgt. Daß dabei trotz aller
Akribie nicht vornehm zimperlich vorgegangen wurde, sondern
daß allerhand an Ergänzungen gewagt ist, wird der Leser, der
nicht nur Trümmer sucht, sondern das Bild einer wiedererstehenden
Literaturgattung von eigenem und unmittelbarem Reiz, nur
dankbar vermerken können. Spürt er doch bald, daß dem Editor
aus seiner langen Erfahrung im Umgang mit der Poesie auf Stein
ein sicheres Gefühl für das Mögliche erwachsen ist; und zudem
bieten die angewandten Zeichen1 wie der Apparatus criticus

-) Peek hat sich mit Recht (s. S. X u. XXX, Einschränkungen S. IX)
i. a. dem sogen. .Leidener Klammersystem' angeschlossen, über das
Otto Luschnat in: Wissenschaftliche Annalen (Berlin, Akademic-