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Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

593-594

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Gunneweg, Antonius H. J.

Titel/Untertitel:

Mündliche und schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbücher als Problem der neueren Prophetenforschung 1958

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

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Zum Schluß wird darauf hingewiesen, daß die Kirche sich auf Wort
und Sakrament gründet und darum nicht deren Herr ist, sie auch nicht
im richterlichen Sinne verwalten darf, sondern dies dem Richteramt
Christi überlassen muß. Das schließt nicht aus, daß die Kirche sich jeweils
eine menschlich-christliche Lebensordnung gibt, aufgrund derer
sie bestimmte Erwartungen an ihre Mitglieder stellen kann, und, wenn
diese böswillig nicht erfüllt werden, auch ihre Konsequenzen ziehen
darf. Akte der kirchlichen Lebensordnung dürfen also gegebenenfalls
verweigert werden, nicht aber die Sakramente, wie ja auch das Wort
der Verkündigung niemandem vorenthalten werden soll. Das Wächter-
amt sollte heute im wesentlichen in Gestalt des wachenden, ermahnenden
, warnenden, ja tadelnden Wortes wahrgenommen werden.

Günne weg, A. H. J.: Mündliche und schriftliche Tradition der
vorexilischen Prophetenbücher als Problem der neueren Prophetenforschung
. Diss. Marburg 1957, 194 S.

Es handelt sich um eine Auseinandersetzung mit der heutigen sog.
traditionsgeschichtlichen Forschung, insbes. in Skandinavien und England
vertreten (Nyberg, Engnell, Birkeland, Nielsen u. a.), der zufolge
die vorex. Prophetenbücher der Niederschlag vorwiegend mündlicher
Tradition seien. Diese These und die damit zusammenhängende Ablehnung
seitens jener Forscher der Literarkritik werden abgelehnt. Im
Zusammenhang mit der Frage: mündliche oder schriftliche Tradition? —
wird in einem Exkurs der Ort der prophetischen Überlieferungen untersucht
und die Frage der Stellung der Propheten im Kult erörtert mit
dem Resultat: die Propheten sind Nabis, jedodi solche, welche durch
ihre persönliche Stellung zu Jahwe aus diesem Nabiamt mehr oder
weniger herausgedrängt werden. Ihre ursprüngliche Nähe zum Heiligtum
als dem Ort der schriftlichen Überlieferungen wird als ein weiterer
Hinweis für die Wahrscheinlichkeit, daß auch die proph. Traditionen
von früh an schriftlich waren, verwertet. —

Einteilung: I. Überblick über die Geschichte des Problems. II. Die
Hauptthesen der traditionsgeschichtlichen Schule und deren Beweis.
III. Die Methode der „traditionsgeschichtlich" orientierten Forsdiung in
jj"er Anwendung und ihren Konsequenzen. IV. Mündliche und schriftliche
Tradition von proph. Stoffen in ihrem Verhältnis zueinander und
ihre Bedeutung für die heutige Gestalt der vorex. Prophetenbücher.

VON PERSONEN
In memoriam Otto Schmitz

Am 20. 10. 1957 starb in Elberfeld nach längerem Kranksein der
emeritierte ordentliche Professor für das Neue Testament an der Universität
Münster, D. Otto Schmitz. 1883 geboren, promovierte er 1909
in Berlin bei A. Deißmann mit der Arbeit „Die Opferanschauung des
späteren Judentums und die Opferaussagen des Neuen Testaments" und
habilitierte sich ebendort 1910, ging 1913 nach Basel, um dort außer
der Dozentur die Leitung der Evangelischen Predigerschule zu übernehmen
. Nach einem Semester Lehrtätigkeit in Kiel wurde er mit Beginn
des Sommersemesters 1916 als Nachfolger von D. Joh. Leipoldt an die
junge ev.-theol. Fakultät Münster berufen und hat das Ordinariat bis
zum Ende des S. S. 1934 inne gehabt. Dann wurde er auf Grund des
Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums „zur Einsparung
einer Stelle" pensioniert; ein Nachfolger wurde unverzüglich ernannt.
Diese ungewöhnliche Amtsentsetzung, zu der der Grund in seinem
offenen Eintreten für die „Bekennende Kirche" lag, hat Schmitz später
einmal im Rückblick als einen der großen Glücksfälle seines Lebens bezeichnet
, führte sie ihn doch über die Theologische Schule in Bethel
1938 nach Barmen, wo er die Leitung der Evangelistenschule Johanneum
übernahm und seine reichen theologischen und seelsorgerlichen Gaben
in den wichtigen Dienst der Volksmission 6tellen konnte. Es war darum
verständlich, daß Schmitz nach dem Zusammenbruch dem Gedanken
einer Rückkehr ins akademische Amt nicht näher treten wollte. Er ist
dann aber mit den Rechten eines Emeritus erneut in seine alte Fakultät
eingegliedert worden und hat an ihr wieder einige Vorlesungen halten
können.

Im Vorwort zu seiner Dissertation, die 1910 im Druck erschien,
schreibt Schmitz, es 6ei ihm eine besondere Freude, „meine Arbeit zwei
Männern widmen zu dürfen, die von der öffentlichen Meinung vielfach
recht verschiedenen theologischen Lagern zugeteilt werden (E. Riggenbach
und A. Deißmann). Nicht, als ob ich einer charakterlosen Verwischung
der Grenzen das Wort reden wollte. Aber der unerbittliche
göttliche Schnitt zwischen der Lüge und der Wahrheit, der schärfer ist
als das zweischneidigste Schwert, verläuft eben in Wirklichkeit oft genug
anders, als die Stacheldrahtzäune der menschlichen .Richtungen' es
vorschreiben". Die gleiche Haltung führte Schmitz nach der Revolution
1918, als das Ende der Volkskirche gekommen zu sein schien, zu dem
Aufruf zur Gründung einer freien Volkskirche, die sich um das Be-

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kenntnis „Jesus der Herr scharen sollte. Diesem Bekenntnis, das im Münster/Westf.

Neuen Testament nirgends näher definiert ist, und dem Evangelium,
das im Neuen Testament nirgends auf eine Formel gebracht ist und doch
eindeutig ist und einigende und scheidende Kraft hat, traute er auch
für die Gegenwart dieselbe Kraft zu quer durch alle Richtungen.
Schmitz' wissenschaftliche Arbeit kreist im Grunde bei aller Mannigfaltigkeit
der Themen um dieses Evangelium, dem Mittelpunkt seines
Denkens und Lebens. Aus dem Zutrauen zu seiner Kraft floß eine systematische
Tiefgründigkeit und Geschlossenheit und eine große Weite
zugleich und ein tiefes Verständnis für den anderen, etwas, was dem
seelsorgerlichen und theologischen Gespräch, für das er immer Zeit
hatte, sein Gepräge gab. Aus seinem Verständnis des Evangeliums floß
auch eine gewisse Zurückhaltung manchen Fragen der neutestamentlichen
Wissenschaft gegenüber: die Schriften des Neuen Testaments waren
ihm 6o sehr vom Evangelium aus und zum Evangelium hin geschrieben,
daß sie zur Beantwortung vieler historischer Fragen, an die viel Arbeit
gewandt ist und wird, einfach nicht das nötige Material hergeben. Daß
für ihn mit dieser Einsicht keine Verachtung exegetischer Akribie oder
Geringschätzung religionsgeschichtlichen Vergleichs verbunden war, hat
er selbst durch einige eigene Arbeiten bewiesen.

Schmitz hat keine „Schule" begründet und wollte es auch nicht.
Aber daß er auf viele Studenten stark prägend eingewirkt hat, ist unverkennbar
und trat z. B. darin zu Tage, daß er während seiner Wirksamkeit
in Münster die größte Zahl an theologischen Promovenden
hatte. Ihre Arbeiten sind zumeist, wie seine eigenen, neben anderen
Beiträgen in der von ihm ab 1923 herausgegebenen Sammlung „Neu-
testamentliche Forschungen" erschienen, die sich in die beiden Reihen
„Haulusstudien" und „Untersuchungen zum Kirchenproblem des Urchristentums
" gliederten. Er ist auch der Herausgeber der bekannten
Sammlung „Die urchristliche Botschaft" (ab 1929) und leitete von 1929
bis 1933 die neue Folge der „Furche".

Ein wichtiges Anliegen seiner letzten Jahre war es diesem „reformierten
Lutheraner mit pietistischem Vorzeichen", wie er sich selbst
wohl einmal genannt hat, Pietismus und Theologie zu fruchtbarem Gespräch
zusammenzuführen. Es ist zu wünschen, daß die begonnenen
Begegnungen, zu denen außer ihm Prof. D. O. Michel (Tübingen) und
Direktor H. Haarbeck (Barmen) eingeladen haben, weitergeführt werden
können.

W.Foerster

Bibliographie Otto Schmitz

(Zusammengestellt von Qüntlier Schmitz)

1904

1. Die III. internationale Studenten-Missionskonferenz in Edinburg
y. 2.-6 Januar 1904. In: Allgem. Missions-Zeitschrift, Bd. 31

(1904), S. 232—243.

1906

Zur Überwindung des Solipsismus. In: Hefte zur Verständigung
über Grundfragen des Denkens (im Zusammenhang mit der Schrift:
Heim, „Das Weltbild der Zukunft"). Als Manuskript gedruckt.
Nr. 2 (Februar 1906), S. 23—28.

3- Der Stand der Debatte. In: Hefte usw. (s. Nr. 2). Nr. 4 )Novem-

ber 1906), S. 67—80.
4. Die Studentenzeit als Krisis. In: Die X. Christliche Studentenkonferenz
Aarau 1906. Bern: Francke, 1906, S. 23—50.

1910

Die Opferanschauung des späteren Judentums und die Opferaussagen
des Neuen Testamentes. Eine Untersuchung ihres geschichtlichen
Verhältnisses. Tübingen: Mohr, 1910, XII, 324 S.