Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

590-591

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Fast, Heinold

Titel/Untertitel:

Heinrich Bullinger und die Täufer 1958

Rezensent:

Fast, Heinold

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

589

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

590

Aufgaben sei seine Arbeit für die Wiederherstellung der Gothaer
Schule und für die Sicherung der kirchlichen und schulischen Einkünfte
in den Wirren dieser Zeit hervorgehoben.

Ein eigener Abschnitt der Arbeit (V) beschäftigt sich mit Myko-
nius als Visitator. Bereits 1526 wirkte er als Visitator im Amt Tenneberg
. Ebenso wie 1528 nahm er auch 1 533 — unter anderen mit Me-
landithon — an der Visitation ganz Thüringens teil. Nach 1 533 war er
bis zu seinem Tode eines der hervorragenden Mitglieder der ständigen
Visitationskommission für Thüringen. — Schließlich nahm er in seinem
späteren Leben am Geschehen der Reformation außerhalb Thüringens
regen Anteil (VI). Persönliche Freundschaft verband ihn mit Luther,
Menius und vielen anderen Männern dieser Zeit. Besonders mit Me-
lanchthon stand er in regem Briefwechsel. Sein Urteil wurde zu vielen
Fragen der Reformation nicht nur eingeholt, sondern an vielen Verhandlungen
und Reichstagen nahm er auch aktiv teil. Erinnert werden
soll hier an das Düsseldorfer Religionsgespräch, das Mykonius mit
Johannes Heller von Korbach führte. Zum Marburger Religionsgespräch
reiste Mykonius ebenso wie zum Wittenberger. Schmalkalden, Frankfurt
und Hagenau 6ind ebenfalls Stationen im bewegten Leben des
Mykonius. War er selbst verhindert, so zeigt uns ein doch äußerst
reger Briefwechsel, daß er über alle Verhandlungen ständig von den
teilnehmenden Reformatoren auf dem Laufenden gehalten wurde.

Ganz entscheidenden Anteil hat Mykonius bei der Einführung der
Reformation in Leipzig 1 539. Mehrere Wochen wirkte er hier u.a. mit
Caspar Cruciger zusammen.

Ein wesentliches Kapitel im Leben des Mykonius bedeutete seine
Tätigkeit für die Reformation in England (VII). Neben dem von Hessen
delegierten Juristen Georg von Boineburg und dem sächsischen
Vizekanzler Franz Burkhard war Mykonius der theologische Berater
der Gesandtschaft. Er war damit an die Stelle des von Heinrich VIII.
von England gewünschten Melanchthon getreten und trug die Hauptlast
und Hauptverantwortung der Verhandlungen. Auf der Grundlage der
Wittenberger Verhandlungen von 1536 fanden monatelange Besprechungen
in England statt. Ganz besonders hier ist ein wesentlich anderes
Bild des Geschehens durdi die Veröffentlichungen der letzten
Jahre und die Quellenstudien entstanden.

Den Abschluß der Arbeit bildet ein Abschnitt über die familiären
Verhältnisse des Mykonius, seine ihn seit etwa 1 539 plagende Krankheit
der Luftwege und der Lunge, die schließlich 1546 zu seinem Tode
führte. Zuletzt gibt die Arbeit dann noch ein Bild von Mykonius im
Urteil seiner Mitreformatoren.

Donner, Herbert: Studien zur Verfassungs- und Verwaltung6geschichte
der Reiche Israel und Juda. Diss. Leipzig 1956, 101 S.

Es liegt auf der Hand, daß die von David vollzogene Einverleibung
der kanaanäischen Territorien auf dem Boden Palästinas in das Gefüge
der von ihm in Personalunion beherrschten Reiche Israel und Juda die
endgültige Aufgabe des im ersten Stadium der Staatenbildung (Saul)
noch gewahrten Prinzips der Nationalstaatlichkcit bedeutete. Das territorialpolitische
Verfahren Davids konnte das alte Problem des Verhältnisses
von Israeliten und Kanaanäern keiner Lösung näherbringen:
die Entwicklung mußte von nun an vielmehr auf eine Verschärfung der
seit der Landnahme bestehenden latenten Krise des Kanaanismus innerhalb
der israelitischen Kulturgeschichte hinauslaufen. Dies gilt auch für
den Teilbereich der Verwaltungsgeschichte; um so mehr, als der von
David aus Gründen innenpolitischer Befriedung offenbar begünstigte
Einstrom kanaanäischer Beamter in die israelitische Staatsverwaltung
exakt zu dem Zeitpunkt erfolgte, an dem die institutionelle Verfestigung
und verwaltungstechnische Durchformung de6 israelitischen Gesamtreiches
aus einer Möglichkeit zur historischen Notwendigkeit geworden
war. Es handelt sich um einen historischen Koinzidenzfall ersten
Ranges, dessen Konsequenzen kaum überschätzt werden können. Denn
im Zusammenhang damit erhebt sich die Frage nach den Wirkungen
der jahrhundertealten kanaanäischen Administrationspraxis auf die
Bildung und Funktionsweise der staatlichen Institutionen in den Reichen
Israel und Juda; ein Problem, das um so dringlicher wird, wenn
man berücksichtigt, daß die Entstehung eines Staatsapparates nicht einfach
als geradlinige Fortsetzung der in der vorstaatlichen amphiktyoni-
sdien Stammeverfassung Israels begründeten Anlagen betrachtet werden
kann.

Die Beurteilung dieser Sachverhalte unterliegt erheblichen Schwierigkeiten
, die in der Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Quellen
begründet sind. Denn einerseits vermittelt das Alte Testament so
gut wie niemals originale Urkunden der Verwaltungspraxis, sondern
nur Streiflichter, die mit den besonderen Methoden des Verwaltungshistorikers
(A. Alt) auf ihre Aussagefähigkeit für eine gültige Erkenntnis
der Struktur des Ganzen geprüft werden müssen; zum anderen sind
die zahlreichen kanaanäischen Urkunden weit von der Zeit und z. T.

auch vom Räume der israelitischen Staatenbildung entfernt, so daß
auch hier mit äußerster methodischer Behutsamkeit zu Werke gegangen
werden muß. In Betracht kommen auf kanaanäischer Seite hauptsächlich
die Tontafeln vom Tell-el-Amarna, die Texte vom Räs-esch-
schamra und die Urkunden des nordsyrischen Stadtstaates Alalah.

Die Untersuchung von Einzeltatbeständen zeigt, daß die Annahme
eines ge6taltbildenden kanaanäischen Einflusses in der Struktur
des Ganzen und im Detail zu Recht besteht. Dieser Einfluß macht sich
sowohl an der „Spitze des Staates" als auch innerhalb der „Stützen
des Staates" (Jes. 3, 1 ff.) geltend. Zwar kann die grundsätzliche theoretische
Prägung des monarchischen Prinzips in Israel — wie längst
erkannt worden ist — nicht vom Kanaanäertum hergeleitet werden,
um so mehr aber die Gestaltung praktischer Formen der königlichen
Regierungsführung: so z.B. die Funktion des Königs als oberste Instanz
der 6onst nach wie vor gemeindlich geordneten Rechtsprechung,
die Bildung eines königlichen Krongutes an Grund und Boden zur
wirtschaftlichen Sicherung von Königsdienstleuten der zivilen und
militärischen Verwaltung, die Praxis der Steuererhebung, am Rande
wohl auch die innenpolitische Rolle der Königinmutter u. a. m. Was
das Beamtentum betrifft, so läßt sich die im Fehlen eines geordneten
Besoldungswesens begründete Praxis der Bereicherung und Vermögensbildung
— das Thema der sozialen Verkündigung der Propheten —
auf kanaanäischen Einfluß zurückführen, im einzelnen hauptsächlich
das sog. Bauernlegen. Daneben sind kanaanäische Vorbilder bei der
Entstehung besonderer staatlicher Institutionen in Israel und Juda
wirksam gewesen: so z.B. bei der Bildung des Amtes des söken, im
Fronwesen, vielleicht auch in der Funktion des Kronrates. Zusammenfassend
kann gesagt werden, daß der seit der Landnahme bis hinab
zum babylonischen Exil wirksame Einfluß des Kanaanäertums auf
Israel auch im Administrationswesen zu 6innenfälligem Ausdruck
gelangt ist.

Fast, Heinold: Heinrich Bullinger und die Täufer. Diss. Heidelberg
1957, 274, 44 S.

Nach einer Einleitung über die Problemlage schildert ein erster
Teil (12—123) „Die Geschichte der persönlichen und schriftlichen Begegnungen
und Auseinandersetzungen Bullingers mit dem Täufertum"
unter Verwertung der großen, meist noch ungedruckten Bullingerkorrespondenz
und anderer handschriftlicher Quellen in Zürich. Bereits
als zwanzigjähriger Schulmeister wurde Bullinger als Beobachter zu
den ersten öffentlichen Disputationen gegen die Täufer in Zürich zugezogen
(1 52 5). Seine schon damals einsetzende schriftliche Polemik
zeigt ihn ganz im Fahrwasser Zwingiis. Doch macht sich bereits ein
für die zweite Reformatorengeneration typischer Zug zur Systematisierung
bemerkbar. Das erste gedruckte Werk gegen die Täufer von
1531 (Von dem unverschämten Frevel) ist aus mancherlei Vorarbeiten
hervorgegangen und schon 1530 unter dem Eindruck der Tätigkeit von
Hans Pfistermeyer entstanden, der als Anhänger der Täufer in den
Freien Ämtern gegen den Zins predigte. Nach 1531 fielen die Täufer
den Schweizern verhältnismäßig wenig zur Last. Doch ist Bullinger
a's Autorität in diesen Fällen immer wieder um Rat gebeten worden
(Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen). Auch über die Grenzen hinweg
machte er seinen Einfluß in Täuferfragen geltend. In Süddeutschland
waren es hauptsächlich die Spiritualisten Schwenckfeld und Franck, mit
denen er es zu tun hatte, in Niederdeutschland (Ostfriesland) David
Joris und Menno Simons. In England erschien sein Buch gegen die
Täufer übersetzt in drei Ausgaben. Den Kampf gegen Servet und
seine Geistesverwandten begriff er ebenfalls als Kampf gegen das
Täufertum. Die alten und neuen Erfahrungen faßte er zusammen in
seinem Hauptwerk von 1560 (Der Wiedertäufer Ursprung), das in
mehreren Auflagen und Übersetzungen bald ein Standardwerk der
Täuferbekämpfung war. Bis zu seinem Tod 1575 war Bullinger in
6olche Auseinandersetzung eingespannt. Alle seine Beiträge werden,
so weit sie noch erhalten sind, bibliographisch erfaßt im Überblick des
zweiten Teils der Dissertation (124—140).

Die „Tendenzen und Quellen der historischen Darstellung" der
Täuferbewegung durch Bullinger untersucht der dritte Teil (141—211).
Bemerkenswert ist das späte Auftauchen einer historischen Darstellung
des Täufertums bei Bullinger (1 5 54). Erst auf Grund genau bestimmbarer
Ursachen und Anregungen ist er an die Arbeit gegangen.
Sein Ziel war eine Rechtfertigung der Zürcher Kirche gegenüber dem
lutherischen Vorwurf des Schwärmertums. Das läßt sich in allen Einzelheiten
nachweisen, besonders bei der Herleitung de« Zürcher Täufertums
aus mitteldeutschen Bewegungen (Storch und Müntzer). Es wird
dabei deutlich, daß Bullinger kaum aus eigener Erfahrung berichtete
und nur ganz wenig aus uns unbekannten Quellen beitrug. Nach seinem
eigenen Geständnis hielt er sich durchweg an Vorlagen, verwertete
sie allerdings tendenziös gemäß seiner Grundthese von der Unschuld
und Redlichkeit der Zürcher Reformation.