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Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

588-589

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Delius, Hans-Ulrich

Titel/Untertitel:

Friedrich Mykonius, Das Leben und Werk eines thüringischen Reformators 1958

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

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obliegt. Außer der Lebensbeschreibung ist auch die Personbeschreibung
des göttlichen Mannes bedeutsam; wichtiger aber noch sind die Schönheit
seine Seele, seine geistigen Fähigkeiten und seine ethische Lebensführung
. Seine Bedeutung offenbart der göttliche Mann durch Selbstaussagen
, Orakel, ekstatische Ergriffenheit und Glossolalie.

Der vierte Abschnitt bringt breites Material zu den Wundergeschichten
. Anders als im NT stehen bei Lukian nicht die Heilungswunder
, sondern die Naturwunder im engeren Sinne im Mittelpunkt;
jedoch berichtet Lukian auch für die Heilungswunder eine Anzahl Motive
, magische Praktiken und Wirkworte. Von den Heilungen nicht zu
trennen sind die Exorzismen. Die wunderbare Gesundung tritt sofort
ein; eine anschließende Demonstration stellt das „paradoxon" sicher.
Die „Reaktion der Umstehenden" entspricht dem ntl. Material weitgehend
. Die Auferweckung von Toten wird mehrfach bezeugt. Dem
Erscheinen von Toten widmet Lukian längere Erörterungen. Für seine
Verspottung der Wunderliteratur benutzt er vor allem die wunderbaren
Naturerscheinungen, die seine Zeit beschäftigten; hierher gehören
Naturkatastrophen, vor allem aber die z. T. phantastischen Wunder der
Wundertäter. Auch den Topos des Strafwunders läßt Lukian nicht außer
Betracht.

Im zweiten Hauptteil kommen paränetische Parallelen zur Darstellung
. Besonders die von dem Kyniker Menippos abhängigen Schriften
enthalten reiche Paränese.

Zahlreich sind die negativen paränetischen Aussagen (Lasterkataloge
und einzelne Begriffe). Einzelne Inhalte werden besonders zusammengefaßt
. An erster Stelle steht der Kampf gegen den Reichtum und
die Reichen. Intensiv ist auch die Polemik gegen Sexualvergehen (Päderastie
und Kinädentum); weiter werden gerügt: Ruhmsucht, Zorn, Giftmischerei
. Spezielle Laster der Frauen werden in den „Amores" ausgiebig
behandelt. Aufs Ganze gesehen entspricht die Betrachtung der
kynisch-stoischen Diatribenethik; wo diese in das NT hineinragt, finden
sich Parallelen.

Gemessen an der Zahl der Lasterkataloge sind die Tugendkataloge
(auch die Einzelbegriffe) durchaus in der Minderzahl. Bei der positiven
Paränese kommt stärker stoische Terminologie und Anschauung
zu Worte. Das Ziel des tugendhaften Wandels ist die göttergleiche
„eudaimonia".

Angesichts der beträchtlichen Fülle des Materials ist auf eine explizite
Untersuchung der ntl. Stellen hinsichtlich ihrer Parallelität oder
Gegensätzlichkeit gegenüber den Lukianstellen verzichtet worden. In
diesem Sinne kann die Arbeit nur Vorarbeit sein. Aufs Ganze gesehen
ist die Parallelität zwischen dem lukianischen Material und dem NT
in den einzelnen Schriften sehr unterschiedlich und reicht an keiner
Stelle in zentrale theologische Aussagen des NT hinein.

Zur Erleichterung der Benutzung der Materialsammlung folgen
ausführliche Register der Lukianstellen, der ntl. Stellen, einzelner Sachen
und griechischer Wörter. Ebenso ist eine umfassende Bibliographie
der Lukian-Literatur beigegeben.

B o f i n g e r, Wilhelm: Oberdeutschtum und württembergische Reformation
. Die Sozialgestalt der Kirche als Problem der Theologie-
und Kirchengeschichte der Reformationszeit. Diss. Tübingen 1957,
165, 37 S.

Den Anstoß zu dieser Untersuchung ergaben zwei Vorarbeiten
auf dem Gebiet der Theologiegeschichte und der politischen Geschichte
der Reformationszeit. Die eine setzte beim Kirchenbegriff in der Theologie
Martin Buzers ein, die andere versuchte den politischen Vorgängen
, welche 1534 zur Einführung der Reformation in Württemberg
führten, nachzugehen. Von beiden Einsatzpunkten aus ergab sich der
Zugang zu soziologischen Fragestellungen. Hinter Buzers Kirchenbegriff
tat sich die ganze Welt der mittelalterlichen Stadtgesellschaft mit ihrer
eigentümlichen gesellschaftlichen Struktur und Sozialdynamik auf. Die
hierzu schon vorhandenen rechtshistorischen Untersuchungen Alfred
Schultzes verlangten noch eine allgemeine sozialhistorische Analyse als
Ergänzung. So führt diese Arbeit nach der Darstellung des Buzerschen
Kirchenbegriffs mit seiner charakteristischen Gemeinschaftsvorstellung
hinein in die Geschichte der bürgerlichen Gemeinschaftsformen in den
deutschen Reichsstädten des Mittelalters. Der Verf. versucht aufzuzeigen,
daß entscheidende Momente im Bild der kirchlichen Gemeinschaft bei
Buzer den alten Gemeinschaftsidealen und sozialen Leitbildern des
stadtbürgerlichen Gesamtverbandes, wie den Gemein6chaftsbildungen
innerhalb desselben, Zünften und Bruderschaften, entsprechen. Dem
schließt sich die Untersuchung der humanistischen Gemeinschaftsideale
an. Der Aufweis dieser Zusammenhänge macht deutlich, wie
groß die eigenständige Dynamik der städtischen Sozialwelt war und
wie sich diese Kräfte auf die Gestaltung des theologischen Kirchenbegriffes
bei Buzer auswirkten.

In einem zweiten Teil will diese Arbeit die Bedeutung der sozialen
Hintergründe für die Reformation im Territorialstaat an einer
landesfürstlichen Kirchenorganisation und ihrer Sozialgestalt aufzeigen
. Ausgangspunkt ist hierfür der Bereich der politischen Geschichte
. Als Beispiel ist die Kirchenreform in Württemberg 1534 gewählt
. Eine Darlegung der hessischen Politik bezüglich der Restitution
Herzog Ulrichs und eine genaue Rekonstruktion der Kaadener Friedensverhandlungen
, die bisher noch fehlte, weisen die reichsrechtlichen und
politischen Grundlagen der Reformation 1534 auf. Es wird hiermit
zugleich herausgestellt, wie die politischen Umstände es hier einem
Territorialfürsten erlaubten, die Neuorganisation einer Kirche nach
rein fürstenstaatlichen Gesichtspunkten in konsequenter Form durchzuführen
. Die soziale Dynamik, welche hierbei zum Durchbruch kommt,
wird in ihrer Vorgeschichte am württembergischen Beispiel zurückverfolgt
. Die Beziehung der Herzöge zur kirchlichen Institution und
der Kampf um die fürstliche Oberhoheit im kirchlichen Bereich zeigt
den Wandel von der Feudalstruktur zum Landesfürstentum, wobei gerade
in Württemberg die Vorzeichen des Absolutismus am frühesten
nachzuweisen sind. An Hand dieser Untersuchung wird deutlich, wie
sich die Ausbildung des neuen Staatsbegriffes und die kirchliche Reform
gegenseitig bedingen. Die im Spätmittelalter deutlich in Erscheinung
tretende Ausbildung kommunaler Selbständigkeit im kirchlichen
Bereich findet ein gewaltsames Ende. So zeigt sich hier, wie durch die
Konstellation politischer Ereignisse eine Sozialdynamik zum wichtigen
Faktor kirchengeschichtlicher Entwicklung wird.

Auf Grund dieser Untersuchungen legt es sich nach Ansicht des
Verf. nahe, neben der rechtshistorischen Seite die eigentlich gesellschaftshistorischen
Aspekte als angemessenen methodischen Ansatzpunkt
in der Kirchen- und Theologiegeschichte mehr in den Vordergrund
zu rücken. Die Frage nach der Geschichte der Gemeinschaftsbeziehungen
im Wandel der kirchlichen Verhältnisse scheint für die
evangelische Kirchengeschichtsschreibung um so bedeutungsvoller,
als hier im Gegensatz zur röm.-katholischen Auffassung die Kirche
viel radikaler von den jeweiligen Gegebenheiten der historischen Sozialverhältnisse
her gesehen werden muß. Die Nichtaufweisbarkeit
einer eigenen Sozialgestalt der Kirche als Kirche stellt der historischen
Wissenschaft die Aufgabe, das Geschichtliche in der Gesellschaftsstruktur
der Kirche viel mehr als bisher für einen wesentlichen
Bestandteil ihres Forschungsgebietes anzusehen.

Delius, Hans-Ulrich: Friedrich Mykonius. Das Leben und Werk
eines thüringischen Reformators. Diss. Münster 1956, 124, 200 S.

In den letzten Jahren zeigte die Kirchengeschichtsschreibung der
Reformationszeit die Tendenz, sich nicht mehr ausschließlich mit Luther
zu beschäftigen. Man wandte sich den Männern dieser Zeit zu, die im
Schatten des Reformators gestanden haben. Sie sind über den Kreis
der Fachgelehrten hinaus wenig bekannt. Zu diesen Männern gehört
auch Friedridi Mykonius, einer der wichtigsten Reformatoren Thüringens
. Eine Neubearbeitung seiner Biographie — die letzte erschien 1909
von Paul Scherffig — wurde nicht nur aus der weiter geführten Forschung
der Reformationsgeschichte notwendig, sondern auch durch
Quellenstudien, die der Verf. dieser Diss. in zahlreidien Archiven unternahm
, dementsprechend die Wiedergabe zahlreicher Quellen im Anhang
der Arbeit. Wesentlich ist hier besonders der Briefwechsel des
Mykonius, der in Regestenform insgesamt etwa 420 Briefe verzeichnet.
Unter diesen Briefen befinden sich über 100 Nummern, die erstmalig
— meistens vollständig — veröffentlicht werden. Bei diesen bisher
nidit bekannten Briefen von und an Mykonius sind etwa 50 Mykonius-
Briefe an Justus Menius. Damit wird die Veröffentlichung fortgesetzt,
die von O. Clemen in der Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte
und Altertumskunde im Jahre 1929/30 begonnen wurde. Neben
den Briefen werden noch andere, für die Entwicklung der Reformation
unter Mykonius wesentliche Dokumente dargeboten, die bisher
nicht veröffentlicht worden sind.

Die Arbeit selbst gliedert sich in acht Teile. Während sich der
erste Teil mit der Jugend des Mykonius, über der viel Dunkles 6chwebt,
beschäftigt, schildert der zweite Teil den Franziskaner Mykonius, seine
Beweggründe zum Klostcreintritt, seine Begegnung mit Tetzel sowie
die Klosterkämpfe, die schließlich zur Flucht aus dem Kloster führten.
Während Luther im mönchischen Leben Gottes Gnade zu erwerben
suchte, war sich Mykonius dieser Gnade von vornherein gewiß. Lediglich
die Begründung dieser Gewißheit fehlte ihm. So wie Luther diese
Gnade im Möndisleben nicht fand, so wurde Mykonius durch die fehlende
Begründung seiner Gewißheit zum Kritiker an der Kirche.
1524 floh er aus der Klosterhaft, in die man den unbequemen Zweifler
getan hatte, in die Lande des Kurfürsten von Sachsen. Über Buchholz
im Erzgebirge und Zwickau (Teil III) wird Mykonius auf kurfürstlichen
Befehl nach Gotha gesandt, wo er bis zu seinem Tode 1546 als Pfarrer
und später als Superintendent wirkte (IV). Aus der Vielzahl seiner