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Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

583-584

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Backhaus, Gunther

Titel/Untertitel:

Evangelische Theologie der Gegenwart 1958

Rezensent:

Lahr, Horst

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

584

Erzieher und Lehrer empfohlen werden kann. Empfohlen werden
nicht nur zum Kennenlernen, sondern zum Studium! Diese Frage
muß unseres Erachtens bejaht werden. Pflieglers Werk ist ein
starkes Buch. Der Verfasser muß ein Mann sein, in dem sich
tiefe Liebe zur Jugend, umfassende Erfahrung und eine am Studium
der Alten und des Lebens gewonnene Weisheit vereinen.

Greifswald E. Jenssen

ßVc k h a ii s, Gunther: Evangelische Theologie der Gegenwart. Die

/wissenschaftlichen Strömungen des modernen Protestantismus auf dem
Hintergrund der Theologiegeschichte seit Schleiermacher allgemeinverständlich
dargestellt. München/Basel: E. Reinhardt [1956]. 72 S.
8° = Glauben und Wissen Nr. 16. Kart. DM 3.—; Lw. 4.80.

Richter, Juliu6: Welt-Ende? Das Problem der Eschatologie einst und
heute. München/Basel: E. Reinhardt [1956]. 64 S. 8° = Glauben und
Wissen Nr. 17. DM 3.-; Lw. 4.80.

Mit der Schriftenreihe „Glauben und Wissen" wollen Verlag
und Autoren nicht so 6ehr neue wissenschaftliche Erkenntnisse
vermitteln als vielmehr einer Annäherung der Wissenschaften
untereinander dienen und vor allem dem interessierten Laien einen
Zugang zur wissenschaftlichen Behandlung der ihn bewegenden
Existenzfragen eröffnen — besonders auf naturwissenschaftlichem,
philosophischem und religiösem Gebiet.

Dieser Zielsetzung entspricht das Buch von G. Backhaus
in überzeugender Weise. Es stellt dar, wie die Theologie des
20. Jhdt.s die des vorausgegangenen teils weiterentwickelt, teils
überwunden hat. Hierbei nennt Verf. als wichtigste Erscheinungen
: die dialektische Theologie, die formgeschichtliche Schule und
die Luther-Renaissance. Während er einerseits — fast überraschend
stark — das Gemeinsame jener drei Ansätze herausarbeitet, verschweigt
er andererseits doch nicht die Spannungen („Entmytho-
logisierung und andere Differenzen innerhalb der modernen

Theologie"). Zugleich geht er auch auf die theologische Bedeutung
des Kirchenkampfes ein, läßt einen Blick auf die amerikanische
kirchlich-theologische Situation fallen und würdigt abschließend
die Ökumenische Bewegung. In einem Anhang werden
sorgsam ausgewählte Literaturhinweise geboten. Bedauern wird
man — gerade in dieser Schriftenreihe —, daß das theologische
Ringen um das Erbe D. Bonhoeffers überhaupt nicht erwähnt
wird. Doch bleibt die einführende Leistung als 6olche von diesem
und ähnlichen Desiderata unberührt.

Schwierig ist dagegen eine rechte Würdigung des Buches von
J. R i c h t e r. Er geht von einer Untersuchung der jüdischen
Apokalyptik aus und kommt bei der Behandlung der urchristlichen
Enderwartung zu dem Ergebnis, daß diese — nicht nur in
ihrer Gestalt, sondern auch der Sache nach — für den heutigen,
naturwissenschaftlich bestimmten Menschen nicht glaubwürdig
sei. Von daher wird an der kirchlichen Eschatologie, wie sie bes.
in Evanston (Schlink) vertreten worden ist, lebhaft Kritik geübt.
Um dem Gegenwartsmenschen in der Weltuntergangsangst, die
ihn vor allem angesidits der atomaren Entwicklung bewegt, eine
wirkliche Hilfestellung zu bieten, sollen vielmehr die Möglichkeiten
und Aufgaben einer sinnvollen, auch die Technik an das
Ethische bindenden Lebensgestaltung aufgezeigt werden. Gerade
so möchte Verf. dem eigentlichen Evangelium Jesu entsprechen
(Verweis auf Mt. 5, 48). Die Konzeption bleibt dennoch mehr
idealistisch-moralisch als biblisch-theologisch, und eben das werden
ihm Kirche und Theologie (einschließlich der Vertreter
„existentialer Interpretation"), sofern in ihrer Sache gesprochen
werden soll, nicht abnehmen können. Andererseits darf nicht
vergessen werden, daß das Anliegen der intellektuellen Redlichkeit
kirchlicher Verkündigung, um das hier gerungen wird, jedenfalls
verpflichtend ist.

Naumburg/Saale Horst Lahr

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Altendorf, Hans-Dietrich: Untersuchungen zu Severian von Ga-
bala. Diss. Tübingen 1957, XIV, 307 S.

Seit den Arbeiten J. Zellingers (1916 und 1926) und W. Dürks
(1917) ist der syrische Bischof Severian von Gabala, von dem bis dahin
wenig mehr als seine Gegnerschaft zu Johannes Chrysostomus bekannt
war, uns als Homilet eine greifbare Persönlichkeit. K. Staabs Katenen-
edition (1933) konnte zudem eine beträchtliche Anzahl von Fragmenten
einer Erklärung der paulinischen Briefe vorlegen, die Severian als einen
der vorzüglichsten Exegeten der alten östlichen Kirche erweisen. Auch
der homiletische Nachlaß ist — vor allem durch Ch. Martin und
B. Marx — vermehrt worden. Die Feststellung des severianischen Schrifttums
ist schwierig, weil zahlreiche Texte ihrem Verfasser entfremdet
sind und unter anderem Namen, meist dem des Chrysostomus, 6tehen,
vor allem aber, weil der Nachlaß weit zerstreut und an entlegene Stellen
verschlagen ist, so daß Texte, Fragmente und Zitate sich in griechischer
, lateinischer, koptischer, syrischer, armenischer, arabischer,
georgischer und äthiopischer Sprache finden (für die letzten vier Sprachen
bin ich auf Übersetzungen angewiesen). Es ist bemerkenswert,
daß Severian gerade bei den orientalischen Monophysiten in hohem
Ansehen stand, während ihm im Westen seine Mitwirkung in der
Chrysostomustragödie einen schweren Makel anheftete.

Das von der Forschung Geleistete ist in der Abhandlung vorausgesetzt
; sie beginnt daher nicht ab ovo, sondern bespricht nur solche
Texte und Gegenstände, die bisher nicht oder unzutreffend erörtert
wurden.

Kap. I handelt über Spuria Severiani, also unter Severians Namen
laufenden Texten, die entweder von Handschriften (S. 1—51) oder von
Forschern, vor allem von Marx (S. 52—86), fälschlich Severian zugewiesen
werden. Wird so der bisher angenommene Nachlaß Severians nicht
ganz unbeträchtlich verringert, so kann er andererseits, wenn auch nur
um wenige Stücke, durch Neuzuweisungen vermehrt werden (Kap. II,
S. 87—98). Kap. III (S. 99—219) bringt Bemerkungen zu Text und
Überlieferung der gesicherten Severiantexte — durch Kombination von
bisher unbeachteten griechischen Fragmenten mit einer arabischen Version
werden zudem Reste einer weiteren Homilie Severians ermittelt
— und erläutert ihren Inhalt durch geschichtliche, literarhistorische und
liturgiegeschichtliche Hinweise. Diese Kommentierung läßt die geistige
Gestalt des Syrers in manchen Zügen deutlicher als bisher erkennen.
Kap. IV (S. 220—252) stellt die Texte zusammen, über die aus verschiedenen
Gründen ein Echtheitsurteil noch nicht gefällt werden kann,
z. T. handelt es 6ich um mir bisher unzugängliches und unediertes Material
(die Liste ersetzt Zellingers Incerta-Liste von 1926 (ebd. S. 116
—128)). Kap. V (S. 253—256) notiert den gesamten gegenwärtig als gesichert
anzusehenden Nachlaß des Bischofs. Kap. VI (S. 257—282) korrigiert
die von verschiedenen Forschern vorgelegten Listen der gabali-
tanischen Bischöfe bis zum Jahre 500 und gibt chronologische Beobachtungen
zu Leben und Schriften Severians. Kap. VII (S. 283—295)
hebt einige Züge in den theologischen Anschauungen des Syrers hervor
, die auf die von F. Loofs ins Licht gestellte „kleinasiatische" Theologie
zurückgehen. Kap. VIII (S. 296—304) geht schließlich Spuren Severians
bei späteren Schriftstellern nach und zeigt, wie verschieden der
Mann beurteilt wurde.

Die vor allem in Kapp. III und VII vorgelegten Untersuchungen,
die die enge Verflochtenheit des Theologen mit der zeitgenössischen
Theologie seiner Umgebung und den theologischen und exegetischen
Überlieferungen seiner syrischen Heimat zeigen, bedürfen mannigfaltiger
Ergänzung. Wenn die notwendigen Vorarbeiten (s. Kap. IV und
S. 305 f.) einmal relativ abgeschlossen sind, kann man an eine Darstellung
Severians gehen, di e seine bewußt ausgesprochenen Gedanken
und die unbewußt fortwirkenden Überlieferungen in ihrem lehrreichen
Verhältnis zueinander vorführt. Das methodische Vorbild einer Monographie
eines solchen „unbedeutenden" Mannes ist K. Holls Amphi-
lochiusbuch. In dieser Darstellung muß die in Kap. VII angedeutete
Einordnung des Theologen Severian einläßlich entfaltet und begründet
werden. Da die dortigen Aufstellungen angesichts der ablehnenden
Haltung der meisten Historiker zu Loofs' Auffassung der theologischen
Entwicklung schwerlich auf Zustimmung rechnen können, ergibt sich
die Notwendigkeit, ausführlich die gegen Loofs erhobenen Einwände
zu besprechen, zumal die Erforschung der Männer, die Träger jener
archaischen Anschauungen sind, nicht geruht hat und tatsächlich zu
Modifikationen der Loofsschen Ansichten zwingt. Die dazu notwendigen
breiten Ausführungen hätten aber vom Thema der Abhandlung
abgeführt und ihren Rahmen gesprengt. Daher wurde nur ein kurzer
und vorläufiger Hinwei6 gegeben. So enthalten die vorliegenden Untersuchungen
Vorarbeiten, die weiteres Material zu einer Darstellung
Severians und der theologischen Tradition liefern, deren m. W. letzter
faßbarer östlicher Tradent er ist.