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Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

580-581

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Säflund, Gösta

Titel/Untertitel:

De pallio und die stilistische Entwicklung Tertullians 1958

Rezensent:

Karpp, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

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Gedanken die urchristliche Gemeinde bei ihrer Kompositionsarbeit
bewegt haben. Mag man auch traditionsgeschichtlich manches
andere sehen als der Verfasser und mag man auch gelegentlich
den Eindruck der Überinterpretation haben — entscheidend
ist, daß der existentielle Bezug dieses zentralen neutestament-
lichen Textes Lk. 22, 7—38 immer wieder klar zum Ausdruck
kommt. „Alle Gefährdung der Jünger kommt letztlich aus der
Versuchung, die Passion Jesu nicht als die Gesetzlichkeit des
eigenen Lebens anzunehmen und anzuerkennen. Glaubenshilfe
kommt da vom Glauben des Bruders" (S. 56 zu Lk. 22, 31 f.).
„Wer die Passionsgeschichte Jesu hört, soll wissen, wie 6ehr hier
auch etwas über 6ein eigenes Leben gesagt wird. Er kann sich
nicht unbeteiligt abseits stellen" (S. 63 zu Lk. 22, 35-38). Auch
dem evangelischen Pfarrer wird die (von konfessioneller Polemik
unbelastete) Schrift des katholischen Exegeten eine wertvolle
Hilfe sein für die Verkündigung der Botschaft des Abendmahls
und der Passion.

Göttingen Joadlim Jeremias

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

V

Z tos s, F. L.,

Prof.: The Oxford Dictionary of the Christian Churdi

yei. London: Oxford University Press 1957. XIX, 1492 S. gr. 8°. 70 s.

Das Lexikon scheint heute eine Blütezeit zu erleben. Italien
gab uns die Enciclopedia cattolica; in Deutschland erfahren das
Lexikon für Theologie und Kirche und Religion in Geschichte
und Gegenwart eine Neuauflage; Canon F. L. Cross hat nun ein
Werk zum Abschluß gebracht, das seit 1939 von der Oxford
Univ. Press geplant wurde: ein einbändiges Lexikon mit kurzen
aber präzisen Notizen über Themen, welche die christliche Kirche,
und zwar besonders im Abendland, oder noch besser meistens
in England, berühren. Das Werk zählt ungefähr 100 Mitarbeiter,
doch ist kein Artikel gezeichnet. Die Zusammenstellung der
Bibliographien ist besonders vom Herausgeber und seinen engsten
Mitarbeitern besorgt worden. Der Druck ist sehr gedrängt,
äußerst gedrängt sogar für die Bibliographie; doch kann man ihn,
was Qualität und Lesbarkeit anbelangt, mit der berühmten Typographie
des Times vergleichen.

Das Werk beschränkt sich auf rein objektive Ausführungen,
so daß fast niemals eine Bewertung beigefügt ist. Übrigens ist
die doktrinale Seite 6ehr wenig entwickelt. Man hat sich
auf die Geschichte beschränkt, was zur Folge hat, daß die Notizen
, die das Gebiet der Patristik berühren, besonders gut gearbeitet
sind. Manchmal bleibt diese Geschichte zu sehr am äußeren
Geschehen; man hätte sie auf nützliche Weise ergänzen können
in bezug auf die ideologischen Einstellungen oder Verknüpfungen
: so z.B. für Bonifazius VIII., Karl den Großen ... Manchmal
sind die Notizen, trotz ihrer Kürze, hervorragend ausgewogen
und bieten eine gute Einführung zu einer doktrinalen Studie
: so z. B. die Artikel Christology, Original Sin, Purgatory.
Wenn auch die Untersuchungen unparteiisch sind, so kann man
doch sagen, daß sie sich in einer Gesamtorientierung bewegen,
die ziemlich „katholisch" ist; dies ist besonders in den 6oeben
genannten Artikeln zu merken oder in dem Stichwort Sacra-
ments. Die Worte „the Christian Churdi", die im Titel vorkommen
, haben sicher für den Herausgeber einen ziemlich genauen
Sinn. Man hat absichtlich den Stoff der zahlreichen biblischen
Nachschlagewerke, die den englischen Studenten zur Verfügung
stehen, in dieses Lexikon nicht einbezogen. Die biblischen Angaben
sind auf das rein geschichtliche Gebiet beschränkt, also
ohne Eingehen auf die biblische Theologie.

Niemand kann einem solchen Lexikon, besonders wenn man
an sein Format denkt, vorwerfen, unvollständig zu sein. Der
Herausgeber weist auch darauf hin, daß es schlecht angebracht
wäre, ihm Unterlassungen oder sogar Irrtümer anzukreiden. Wir
können also von Vorwürfen oder Kritiken absehen. Jedoch wollen
wir einige UnVollständigkeiten auf dem Gebiet der Information
erwähnen.

Zuerst, was die Stichworte anbelangt:

Man hätte etwas Kurzes erwartet über Nil Cabasilas (von Nicolas
C. wird gesprochen), Communio im eklesiologischen Sinne des Wortes,
sowohl wie Intercommunio, Communicatio in sacris, Litterae formatae,
Papacy oder Primacy, Sword of the Spirit.. . Einige Bibliographien
sprechen nicht von Werken, die doch wichtig wären, manchmal 60gar
nicht vom Standardwerk: so z. B. in den Stichworten Anticlericalism,
Beguines (A. Mens, Oereprong en betekenis van de Ned. Begijnen-
begardenbeweging. Leuven, 1947), Descent into Hell (K. Gschwind, Die
Niederfahrt Christi. Münster, 1911; B. Reicke. The Disobedient Spirits.
Copenhague, 1946; A. Grillmeier, Z. kath. Th., 1949), False Decretals,
Khomiakoff (S. Bolshakov), Waldenses (A. Dondaine, Arch. Fr. Praed.,
1946, S. 191; G. Gönnet, RevHist. Phil, relig., 1953, S. 202), usw.

Einige Bemerkungen noch über den Inhalt gewisser Artikel:
S. 43, Americanism: die Notiz ist praktisch abgefaßt auf der Basis
des Briefes von Leo XIII.; doch wären andere Belege zu berücksichtigen,
was die Feststellung der Tatsachen anbelangt, besonders das Erinnerungsbuch
von Abbe F. Klein, Band IV: Une heresie fantöme.
L'americanisme, Paris, 1949; Seite 186, Brethren of the Lord, hätte man
Beispiele für den biblischen Gebrauch des Wortes adelphos im erweiterten
Sinne anführen können. S. 414: Der von P. Lacordaire gegründete
Regulär — Dritten Orden ist nicht 1901 aufgehoben worden.
S. 653: es wundert einen, daß in bezug auf Honorius Augustodunensis
die Arbeit von R. Bauerreiß (Zur Herkunft des H.Aug.: Studien u.
Mitteilg. z. G. d. Benediktinerordens, 1935, S. 24—36) nicht erwähnt
wird, wonach Honorius aus Canterbury wäre...; S. 1057, die „Kleine
Kirche", an Zahl sehr geschwächt, hat noch einige Tausende von Anhängern
im Poitou (Vendee) und sogar in Lyon.

Straliburg Y. M.-J. Congar

Sä^Iund, Gösta: De Pallio und die stilistische Entwicklung Tertul-
/lians. Lund: Gleerup 1955. XI, 233 S., 2 Taf. gr. 8° — Skrifter utg.
' av Svenska Inst, i Rom, VIII. skr. 25.—.

Bekanntlich hat Tertullian als Christ eine Entwicklung
durchlaufen, die ihn aus dem Katholizismus zum Montanismus
führte und schließlich zum Begründer einer besonderen Gemeinschaft
der Tertullianisten machte. Es war auch nicht schwer zu
beobachten, daß in den spätesten Schriften nicht nur die Strenge
und Schroffheit der sittlichen und asketischen Forderungen zunehmen
, sondern auch der Spott und der Hohn, mit denen Tertullian
die leidens- und opferscheuen kirchlichen Psychiker
überschüttet. Man konnte vermuten, daß sich mit der Tonart, in
der er von Martyrium, zweiter Ehe und zweiter Buße spricht,
auch der Stil gewandelt habe, aber eine eingehende Untersuchung
über Tertullian6 Stilentwicklung fehlte bisher. Auch S.
schreibt nicht eine Geschichte dieser Entwicklung, sondern
zeigt ihre Merkmale auf. Er wendet sich zunächst der kleinen,
sprachlich höchst eigenartigen Schrift zu, in der Tertullian sich
vor den karthagischen Mitbürgern und Standesgenossen dafür
rechtfertigt, daß er jetzt statt der Toga das unrömische Pallium
der kynischen Philosophen trägt. Die Abfassungszeit dieser Dia-
tribe zu wissen, ist für die Beurteilung ihres Inhaltes ebenso
wichtig wie für den Entwurf einer Stilentwicklung. Denn es
liegt nahe anzunehmen, daß Tertullian 6eine Tracht mit seinem
Glauben wechselte; gerade das scheinen die Schlußworte zu
sagen: Gaude, pallium, et exulta! Melior iam te philosophia
dignata est, ex quo Christianum vestire coepisti. Anderseits
ist es für den Verlauf der stilistischen Entwicklung entscheidend
, ob eine so ausgesprochen manieristische Schrift wirklich
am Anfang der Schriftenreihe steht oder nicht.

S. befaßt sich daher — nach dem Abdruck des Textes in der
Gliederung nach Kola — zuerst mit „Zeitbestimmung und Charakter
der Schrift De pallio" (Teil 2). Nach S. weisen die zeitgeschichtlichen
Anspielungen auf die triplex virtus des zur Zeit
in Frieden lebenden Reiches und auf die Eintracht „sovielcr
Kaiser" (Augusti) weder auf die Frühzeit um 193 oder 197, noch
gestatten sie den Ansatz in der mittleren Schaffensperiode zwischen
209 und 211; sondern es bleibe nur die Zeit gleich nach
dem Tode Elagabals, auf den allein das Schmähwort eines weibischen
Subnero passe; damals hätten Severus Alexander, Julia
Mamäa und Julia Mäsa die Dreikaiserherrschaft gebildet.
Wenn dieser Ansatz zutrifft, dann zeigt der Kleiderwechsel nicht
Tertullians Annahme des Christentum« an, sondern seine äußerste
sektiererische Absonderung. Man kann dieses Ergebnis für