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Ausgabe:

1958 Nr. 8

Spalte:

577-578

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rathjens, Carl

Titel/Untertitel:

Jewish domestic architecture in San'a, Yemen 1958

Rezensent:

Höfner, Maria

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Seite 1

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577

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 8

578

ALTES TESTAMENT

lUfthjens, Carl: Jewish Domestic Architecture in San'a, Yemcn.

' With an Introduction and an Appendix on 17tn Century documents
relating to Jewish Houses in San'a by S. D. Goitein. Jerusalem: The
Israel Oriental Society/Hebrew University Jerusalem 1957. III, 80 S.
m. 39 Abb., 11 Taf., 1 Kte gr. 8° = Oriental Notes and Studies.
publ. by The Israel Oriental Society, Nr. 7. $ 2.50.

Durch seine vier Reisen nach dem Yemen hat C. Rathjens
unsere geographischen, archäologischen und ethnologischen
Kenntnisse über dieses verschlossene Land sehr bereichert; auch
durch die Sammlung von Inschriften hat er zur Erschließung der
Vergangenheit dieser Gebiete Wertvolles beigetragen. Die vorliegende
Monographie über das jüdische Haus in San'ä ist ebenfalls
eine Frucht jener Reisen und vermittelt uns die Ergebnisse
der eingehenden Studien des Verfassers über diesen Gegenstand.

Nach einer Einleitung von S. D. Goitein erfahren wir aus
dem ersten Abschnitt, daß das Judenviertel in San'ä im Lauf der
Jahrhunderte mehrmals seinen Platz wechseln mußte (dazu noch
ausführlicher Appendix, S. 68 ff.). Es folgt ein Kapitel, in dem
auf die Unterschiede zwischen dem jüdischen und dem muslimischen
Haus hingewiesen wird. Dabei wird als ein besonders typisches
Merkmal der jüdischen Häuser der offene Hof in einem der
oberen Stockwerke (higräh) bezeichnet; es ist ein nach oben
offener Raum, an drei Seiten von Wohnräumen umgeben, an der
vierten durch eine Mauer abgeschlossen. Für die arabischen Häuser
, die, wenigstens in San'a, höher als die jüdischen sind, ist die
Dachterrasse mit einem Aufbau, der ein bis zwei Zimmer enthält,
charakteristisch. Rathjens sowohl als auch Goitein erörtern die
Frage nach der Herkunft des higräh genannten Raumes. Rathjens
erwägt zwei Möglichkeiten: als erste, daß die Juden bei ihrer
Einwanderung nach Südwestarabien, die im 1. Jhdt. n. Chr. ihren
Anfang nahm, diese Hausarchitektur von der östlichen Mittelmeerküste
mitbrachten; dort baute man in jener Zeit in Nachahmung
des römischen Stiles Häuser mit einem offenen Hof in
der Mitte, der allerdings immer zu ebener Erde lag. Eine zweite
Erklärung für die eigenartige Bauweise des jüdischen Hauses
könnte sich aus den besonderen Lebensumständen der Juden,
vor allem der Zusammendrängung auf einen beschränkten Raum,
ergeben. Diese scheinen in erster Linie für die Abweichungen von
dem mediterranen Vorbild maßgeblich zu sein. Goitein erwägt
als eine dritte Komponente für die Eigenart des jüdischen Haustypus
, daß dieser dem alten sabäischen Haus der hellenistisch-
römischen Zeit nachgebildet sei, während die muslimischen
festungsartigen Hochhäuser von den nördlichen Arabern nach
dem Süden gebracht worden seien. Dabei könnte das sabäische
Haus selbst eine Nachahmung des mediterranen Typus sein. Als
weiteres Argument zu dieser Erwägung führt Goitein folgendes
an: Der geschlossene Hof des jüdischen Hauses heißt im yemeni-
tischen Arabisch higräh, d. i. klassisch-arabisch hugra; dieses
wird von den arabischen Lexikographen durch hazira erklärt,
jenes von den Juden mit hebräisch höser übersetzt. Ferner verweist
Goitein auf das Vorkommen der Wurzel hgr im Altsüdarabischen
und zieht dann den Schluß: "Thus,' if the word is
good Sabaean, the strueture itself may also have had its origin
in pre-Islamic South-Arabia". Hierzu ist aber zu bemerken,
daß in den altsüdarabischen Inschriften niemals Höfe im Zusammenhang
mit Häusern erwähnt werden. Das ist bei der
Genauigkeit, mit der z. B. in den Bauinschriften oft Einzelheiten
aufgeführt werden, die geringfügiger sind, als es ein
Hof wäre, immerhin recht auffällig. Nur bei Tempeln ist
von Höfen die Rede; der Ausdruck, mit dem sie bezeichnet
werden, ist von der Wurzel hdr hergeleitet, die offensichtlich
mit hzr, hsr engstens zusammengehört. Die Wurzel hgr
hat aus der Grundbedeutung „abschließen" im Altsüdarabischen
verschiedene Bedeutungen entwickelt, aber keine für „Hof"; vgl.
N. Rhodokanakis, Altsabäische Texte II, WZKM 39,"s. 219 f.

Der Hauptteil der vorliegenden Studie befaßt sich mit der
eingehenden Beschreibung eines bestimmten jüdischen Hauses in
San'ä (Haus S.), das als typisch für alle anderen gelten kann.

Vom Erdgeschoß bis zum Dach wird jeder einzelne Raum genauestens
beschrieben, so daß man eine sehr lebendige Vorstellung
dieses Hauses gewinnt. Die Schilderung wird bestens unterstützt
durch Photographien (Taf. I—XI) und vor allem durch ausgezeichnete
Pläne und Zeichnungen. Sehr eigenartig ist, daß kaum zwei
Räume desselben Stockwerkes das gleiche Fußbodenniveau haben
. So sind außer den Haupttreppen eine ganze Anzahl kleinerer
Treppen nötig, um die einzelnen Räume zu erreichen. Eine wirkliche
Augenweide sind die verschiedenen Schmuckmotive, die bei
den durchbrochenen Fenstern und bei den Schnitzereien in Erscheinung
treten. Obwohl es relativ einfache und wenige Elemente
sind, die hier Verwendung finden, ergibt sich aus ihrer
Abwandlung und verschiedenen Kombination eine Fülle der
schönsten Muster, so daß die einzelnen Räume trotz ihrer sehr
einfachen Innenausstattung keineswegs kahl und eintönig erscheinen
. — Sehr interessant ist ein in kaum voneinander abweichenden
Formen mehrfach wiederkehrendes Stuckornament,
das immer zusammen mit einem Wandbrett auftritt, und zwar
ist es unter der horizontalen Platte an der Wand angebracht, als
wäre es ein Träger für diese. Rathjens betont mit Recht, daß
es einem stilisierten Menschen- oder Tierkopf ähnelt, und erinnert
in diesem Zusammenhang an die stark stilisierten Darstellungen
aus vorislamischer Zeit. — Sehr nützlich ist die alphabetische
Liste der technischen Ausdrücke am Ende des Buches.

Auch der Anhang von Goitein über die Dokumente von
jüdischen Häusern in San'ä aus dem 17. Jhdt. (vor der vorübergehenden
Vertreibung der Juden aus San'ä) verdient als sehr aufschlußreich
hervorgehoben zu werden. Ersehen wir doch aus diesen
Dokumenten, — sie handeln von der Teilung eines Hauses
unter zwei Brüder und deren Nichte, wobei die einzelnen Räume
des Hauses erwähnt und genau bezeichnet werden — daß das
jüdische Haus der damaligen Zeit nicht wesentlich anders beschaffen
war als das Haus S., das Rathjens beschreibt. Es scheint
demnach der Schluß erlaubt, daß das heutige jüdische Haus in
Yemen einen sehr alten Typus darstellt und bis in unsere Zeit
bewahrt hat. Ob dies tatsächlich ein Typus des vorislamischen
südarabischen Hauses ist, kann, wie Goitein (S. 8 oben) richtig
betont, nur die Archäologie entscheiden.

Tübingon Maria Höf n er

NEUES TESTAMENT

Schürmann, Heinz: Der Abendmahlsbericht Lukas 22, 7—38 als
Gottesdienstordnung, Gemeindeordnung. Lebensordnung. Leipzig:
St. Benno-Verlag 1955. 108 S. 8° = Die Botschaft Gottes. Eine biblische
Schriftenreihe, hrsg. v. O. Schilling u. H. Schürmann. IL: Neu-
testamentl. Reihe, l.H. DM 3.50.

H. Schürmann, Professor für neutestamentliche Exegese am
Philosophisch-Theologischen Studium Erfurt, hat in den ,Neu-
testamentlichen Abhandlungen' eine dreiteilige quellenkritische
Untersuchung zum lukanischen Abendmahlsbericht veröffentlicht
(Der Paschamahlbericht Lk 22, [7-14.] 15-18 [Nt. Abh. 19, 5],
Münster 1953; Der Einsetzungsbericht Lk 22, 19-20 [Nt.
Abh. 20,4], Münster 1955; Jesu Abschiedsrede Lk 22, 21—38
[Nt. Abh. 20, 5], Münster [1957]). Er kommt in dieser großen
Arbeit, deren 1. Teil seine Dissertation, deren 2. und 3. Teil
seine Habilitationsschrift bei der Katholisch-Theologischen Fakultät
in Münster darstellen, zu dem Ergebnis, daß sich in dem lukanischen
Abendmahlsbericht drei Schichten unterscheiden lassen,
nämlich 1. eine älteste Komposition (Lk. 22, 15—20. 28—30),

2. vorlukanischc Erweiterungen (Lk. 22, 24-27. 31 f. 35-38) und

3. lukanische Nachträge (Lk. 22,7-14. 21-23. 33 f.).

In dem vorliegenden Heft unternimmt er den Versuch, die
Ergebnisse dieser quellenkritischen Analyse einem weiteren Kreise
von gebildeten Lesern nahezubringen. Er hat diese gewiß nicht
ganz einfache Aufgabe ausgezeichnet gelöst. Nacheinander werden
die drei erwähnten Schichten behandelt, um die Entstehung
der „ersten christlichen Agende" verständlich zu machen. Eine
mit liebevoller Sorgfalt auch auf Kleinigkeiten achtende Interpretation
, gepaart mit großem Wissen und großem Ernst, gibt
auch dem Laien einen Eindruck davon, wie der Text neu aufleuchtet
, wenn man ihn einmal unter dem Gesichtspunkt liest, welche