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Ausgabe:

1958 Nr. 7

Spalte:

542-545

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

May, Georg

Titel/Untertitel:

Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz im Thüringen des späten Mittelalters 1958

Rezensent:

Jauernig, Reinhold

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 7

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dem die Forderung der Verifizierung entspricht. Hier wird sie
lediglich nicht auf das Objekt, sondern auf das Subjekt gewendet,
dem mittels oder durch die Sprache bedeutet wird, doch selber
die Erfahrung zu machen. In Wahrheit spricht dann die Sprache
die subjektive Gegenwart der Erfahrung als Möglichkeit des Subjektes
zur Erfahrung aus. Daß so nur vom Subjekt gesprochen
wird, ist noch keine Überwindung des Subjekt-Objektschemas;
erst recht nicht des Subjektivismus, der dort triumphieren könnte,
wo es heißt: „die Sprache gilt im Vorrang vor allem Gegenständlichen
der Ruhe des Ich" (S. 133).

V.

Der theologische Programmtitel der Entmythologisierung
markiert, indem er sowohl die Bemühung um die Verbindlichkeit
der Botschaft des NT für unsere Zeit als auch die Anstrengung
um die Zeitgemäßheit unseres Hörens bezeichnet, den Zeitbezug
der sich uns mitteilenden Wahrheit wie der sie vernehmenden
Existenz. Wird uns der „Umgang mit der Zeit selbst" der maßgebliche
Hinblick der existentialen Interpretation, so „sind wir
in der Lage, uns von der philosophischen Existenzanalyse freizumachen
. Hier steckt denn auch das Vorurteil, mit dem wir an
die Aufgabe der Entmythologisierung herangehen. Dieses Vorurteil
besagt, daß Jesus dieselbe Zeit meinte, um die es bei uns
geht" (S. 176). Sie ist die für uns entscheidende Zeit gegenüber
Gott, auf die es zu aller Zeit angekommen ist und ankommen
wird, „solange die Geschichte des schuldigen Menschen währt"
(S. 154). Sie begegnet aus der Sprache, wenn anders in der Sprache
die Mitteilung des Wortes Gottes geschieht, das uns wahrhaft
einigend und aus der tödlichen Zerstreuung sammelnd zum
Sein ruft, „sobald es Zeit ist und solange es Zeit ist. Das ist das
Geheimnis der Verkündigung Jesu", daß Gottes Wort „sich in
Jesu Sprache als geschichtlich verbindliche Anweisung eröffnete,
auf die alle einigende Zeit der Liebe zu hoffen, ,von selbst' auf
diese Zeit zu vertrauen und jedermann in dieses Vertrauen vorzurufen
" (S. 72). Von einem „christologisdien Verständnis der
Sprache" ist im selben Sinne zu sprechen wie von einem „christo-
logischen Verständnis der Geschichte" (S. 78), sofern Jesus in
seiner historischen Verkündigung die uns in aller Sprache mittelbar
bedeutete Zeit als uns nicht „von selbst" gehörende, sondern
allein von Gott zukommende, uns vor Gott stellende und nur
als solche gegenwärtig werdende angesagt hat; der Wahrheit
dieser Ansage entsprechend hat er sich selber unausgesprochen in
ihr verkündigt, sofern er seine Existenz im selben Zeitbezug verstanden
und also vorgängig in ihm sich mit denen geeinigt hat,
die sich die angesagte Zeit als wahrhaft kommende und in Liebe
sich erfüllende Gnadenzeit durch die historische Anfechtung des
Kreuzes Jesu hindurch zugesagt sein lassen, indem sie sein Kreuz
als seinen Gehorsam gegenüber Gott und damit als Freigabe der
ihnen angesagten Zukunft verstehen. — In dieser Sicht fungieren
die historische Verkündigung Jesu und das Kreuz Jesu als so etwas
wie Urdatcn des NT, die zusammen die geschichtliche Sprache
Jesu ausmachen, sofern sie dasselbe maßgebliche Zeitverständnis
des Glaubens ausdrücken. Es ist an die historische Sprache Jesu
gebunden, weil gerade der Abstand des Glaubens zum historischen
Jesus die Wahrheit des Zeitverstehens wahrt: daß uns die
Zeit entzogen ist und uns nur als uns entzogene gegenwärtig
wird, sobald und solange wir den Gehorsam Jesu als uns geltenden
Anspruch und Zuspruch Gottes verstehen. Im Erwachen dieses
Verstehens, welches das Selbstverständnis des Glaubens ist,
werden Auferstehung und Wiederkunft Jesu Christi Ereignis,
welchem Augenblick der Glaube stets aufs neue durch die Anfechtung
in der Zeit entgegengeht, angeleitet und begleitet von
der Mitteilung des Wortes Gottes in Anrede (Predigt) und Zurede
(Paränese). So wird dem Menschen die jeweils zukommende
Gegenwart eröffnet als Zeit zur neuen Existenz, deren Sein
„reines Werden" ist, nämlich „das Werden in der Möglichkeit,
ein Selbst zu sein" (S. 247) in und zur „Einheit in der Liebe",
welche der „Sinn aller Gegenwart" ist (S. 248), zu der Gottes
Wort seine Gemeinde hervorruft. „Was da anhebt, ist das Auferstehungsgeschehen
selbst", und „diese Zeit heißt deshalb Gegenwart
, weil sie kein Ende nimmt" (S. 251). — Der Gegensatz
zum Vorstellen im Subjekt-Objektschema, welches der Intentio-
nalität als Weltlichkeit entstammt, wird durchgehalten in der

als Absage an die historische Begründung des Glaubens nötigen
Negation .objektiver Heilstatsachen' und dem darin gelegenen
Verdikt über die Konzeption einer objektiven Heilsgeschichte.
Stutzig macht freilich, daß das Moment der Totalität am Geschichtsbegriff
der H. in der Universalität der Sprache und der
Selbigkeit ihrer Zeit sich wiederholt und als Korrelat die in Ewigkeit
werdende Existenz desselben Glaubens hervortreibt, die der
von Nietzsche aus der Nähe antiker Metaphysik gedachten ewigen
Wiederkehr des Gleichen allzusehr gleicht. Der anthropologische
Aspekt hat 6einen christologischen Grund im Verständnis
der Inkarnation; nach der H. kann Joh. 1, 14 nur besagen
: das Wort ward Sprache, und der Satz: Jesus Christus ist
das eine Wort Gottes, müßte genauer heißen: die geschichtliche
Sprache Jesu ist Gottes Wort an uns. Nach den Texten des NT
scheint aber die Mittelbarkeit der Offenbarung Gottes nicht in
der Sprache, sondern in Jesus Christus selber zu liegen. Hat sich
Gott als der, der er ist, in der Leben, Tod und Auferstehung
umfassenden 6ingulären Wirklichkeit Jesu Christi geoffenbart, so
zöge das Konsequenzen für das christologische Verständnis der
Sprache nach sich; denn der Ansatz bei der historischen Verkündigung
Jesu qua Verstehensnorm schiede als historische Willkür
ebenso aus, wie der Begriff von Sprache im Sinne des Bedeutens
noch als subjektivistische Kürzel entdeckt würde. Das Problem
wäre vielmehr, woran z. B. Phil. 2, 9 gemahnen könnte, vom Namen
Jesu Christi zu entfalten, in dem Gottes Wort als in dem
für seine Selbstoffenbarung einzig bezeichnenden Wort in der
menschlichen Sprache sich uns mitteilt. Unter diesem Gesichtspunkt
bekäme das wirkliche Geschehensein der Auferstehung
Jesu Christi damals und dort neue Aktualität mit Rücksicht auf
einen Satz wie: „Das Wesen der Sprache gründet in der Möglichkeit
zur Erinnerung" (S. 68); denn der Name Jesus Christus
wäre die einzige Möglichkeit zur Erinnerung an die Auferstehung
Jesu Christi und damit der einzige Grund zur Verkündigung des
Wortes Gottes in der Welt. Tatsächlich scheint die Grundschwierigkeit
der H. in der für selbstverständlich genommenen
Identität der Mittelbarkeit der Offenbarung Gottes und der
Mittelbarkeit ihrer Mitteilung zu liegen; d. h. aber in demselben
Irrtum, den sie an den .objektiven Heilstatsachen' bekämpft.
Was diese nach der Seite der Wirklichkeit zu Fakten versteinern
lassen, drängt die H. nach der Seite der Sprache zum Zeichen
ewiger Möglichkeit, als welche Auferstehung und Wiederkunft
Jesu Christi koinzidieren. Was dort der Wirklichkeit entzogen
wird, wird ihr hier in der H. noch entschiedener vorenthalten,
wenn die Sprache auf Anweisung zum Selbstvollzug der Existenz
reduziert wird: der wahre Name und nichts sonst. Aber eben
der Name, in dem allein Gottes Wort verkündigt werden kann,
weil es allein in ihm sich uns mitteilt, 6ofern Gott in, mit und
an Jesus Christus und nirgends sonst sich selbst allem menschlichen
Messen und Ermessen entzogen geoffenbart hat.

Bad Godesberg Hans-Georg Geyer

KIRCHENHECHT

May, Georg: Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz
im Thüringen des späten Mittelalters. Das Generalgericht zu Erfurt.
Lfcipzig: St. Benno-Verlag 1956. XXIII, 330 S. gr. 8° = Erfurter
theologische Studien, hrsg. v. E. Kleineidam u. H. Schürmann, 2.
DM 20.-.

Von den drei kirchlichen Rechtsorganen der mittelalterlichen
Kirche wird hier lediglich das Generalgericht (G.) behandelt,
Generalkommissariat und Archidiakonatsgerichte werden nur
dann in die Darstellung einbezogen, wenn dies zum Verständnis
der Geschichte, Zuständigkeit und rechtlichen Struktur des G.
erforderlich ist.

Die Studie ist in 2 Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt
die Vorgeschichte, Entstehung und Geschichte des G. bis zum
Sieg der Reformation in Erfurt, mit dem auch die Geschichte des
mittelalterlichen G. zu Ende ist. Dieser, der historische Teil, ist
in der Hauptsache auf Regesten- und Urkundenbüchern aufgebaut
, herangezogen sind weiter rechts- und kirchenrechtsgeschicht-
liche Werke, Zeitschriften und Aufsätze. Die Auswertung dieser
und anderer historischer Literatur stellt allein bereits eine her-