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Ausgabe:

1958 Nr. 1

Spalte:

31-33

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

McNeill, John Thomas

Titel/Untertitel:

The history and character of Calvinism 1958

Rezensent:

Neuser, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 1

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ßidit über den ersten Band der Antworten auf den von Lubin
zur Sammlung von Material über die Geschichte der einzelnen
Augustinerklöster versandten Fragebogen (MS. LL 1. 472 Ar-
chives Nationales, Paris). Der zweite Band der Antworten befindet
sich in der Staatsbibliothek Brüssel (MS 2590).

N. Teeuwen unterrichtet über Nicolaus de Tombeur.
O. E. S. A. (1657—1736) und seine „Provincia Belgica" (niederländisch
, S. 659—693). N. de Tombeurs Provincia Belgica, eine
Geschichte der alten Niederländischen oder Niederdeutschen
Augustinerprovinz, ein Werk, das noch heute seinen Wert hat,
ist ein Auszug aus einer umfangreicheren Niederschrift, die sich
im Provinzialarchiv der Augustiner zu Gent befindet. Teeuwen
gibt eine ausführliche Beschreibung dieser Handschrift und ein
Verzeichnis der in sie eingefügten Druckschriften und Urkunden
. Die Urkunden weist er, soweit möglich, nach, viele sind
aber jetzt im Original verloren und nur in dem Werk Tombeurs
bewahrt geblieben. Der Artikel enthält auch eine Lebensbeschreibung
Tombeurs und eine Übersicht über seine schriftstellerische
Hinterlassenschaft.

Der letzte Teil der Festschrift umfaßt eine Reihe von Berichten
über die Missionsarbeit der Augustiner: J. Rodriguez,
Der gegenwärtige Stand der spanischen Augustinermissionen
(S. 749—790, China und Südamerika), B. H a c k e 11, Irische
Augustinermission in Nigeria (mit Karte, S. 791—814), W.
S a e 1 m a n, Holländische Augustinermissionare in Bolivien (mit
Karte, S. 815—827), J. M. Basilide, Die Augustiner im belgischen
Kongo (mit Karte, S. 828—838), Th. Pur cell, Rückkehr
nach Nagasaki (S. 839—841; 1952 erfolgte der Wiederbeginn
der augustinischen Missionsarbeit in Nagasaki, die im
17. Jahrhundert durch Verfolgungen jäh beendet worden war).
Von besonderem Interesse ist der Hinweis von B. W i 1 d auf das
Justinuswerk für die studierende Jugend aus den Missionsländern
(S. 842—847). Das Justinus-Werk in Freiburg (Schweiz)
dient der christlichen Betreuung afrikanischer und asiatischer Studenten
an europäischen Hochschulen, eine Aufgabe, die auch
angesichts der Stellung, die diese Studenten später in ihren Heimatländern
einnehmen werden, von großer Wichtigkeit ist.

Der hervorragend ausgestattete Sammelband ist ein achtunggebietendes
Zeugnis für die wissenschaftliche und kirchliche
Aktivität der Augustiner.

Naumburg/Saale Rudolf Lorenz

M c N e i 11, John T.: The History and Charactcr of Calvinism. New

York: Oxford University Press 1954. X, 466 S. 8°. $ 6—.

Der Verfasser lehrte bis zum Jahre 1953 als Professor für
Kirchengeschichte am Union Theological Seminary in New York;
er ist nun emeritiert. Mit diesem Werk übergibt er die Frucht
einer Jahrzehnte langen Erforschung des Calvinismus der Öffentlichkeit
. Es ist dankenswert, daß der intime Kenner Calvins und
der von ihm ausgehenden Bewegung sein reiches Wissen in diesem
Buch niedergelegt hat.

Das Werk überrascht durch die Form, in der es abgefaßt
ist. McNeill hat versucht, Geschichte und Wesen des Calvinismus
dem gebildeten Laien in möglichst einfacher Sprache verständlich
zu machen und doch zugleich sich mit der bisherigen Forschung
gründlich auseinanderzusetzen. Dieses Ziel ist aufs Ganze gesehen
erreicht. Auf Fußnoten und Anmerkungen ist verzichtet.
Doch werden beständig andere Forscher mit Namen genannt,
ihre Meinungen zu bestimmten Fragen dargelegt und diskutiert.
Im Literaturverzeichnis überwiegt freilich bei weitem die englischsprachige
Literatur; wichtige deutschsprachige Monographien
fehlen. Flüssige Darstellung und wissenschaftliches Eingehen auf
Einzelheiten sind in bestmöglicher Weise miteinander verbunden.
Sie sichern dem Werk einen weiten Leserkreis.

Von den vier „Hauptteilen" befaßt sich der erste mit
Zwingli und seinem Wirken, der zweite mit Calvin. Der dritte
ist überschrieben „Die Ausbreitung des reformierten Protestantismus
in Europa und im frühen Amerika". Der letzte Teil behandelt
die Auseinandersetzung des Calvinismus mit später auftretenden
Geistesströmungen.

Der Abschnitt „Huldreich Zwingli und die Reformation in
der deutschen Schweiz" schildert Entstehung und Wesen des

Zwinglianismus. Sorgfältig werden zuerst die politischen und
geistigen Kräfte analysiert, die vor Zwingiis Auftreten in der
Schweiz miteinander rangen. Zwingli wird zum Reformator, „als
er mehr und mehr das (klassische) Schrifttum der Religion unterordnete
" (S. 24). Gerade die ethische Konsequenz dieser Entscheidung
kommt in Zwingiis reformatorischem Wirken zum
Ausdruck: er wendet sich ab von der „aristokratischen Absonderung
des Erasmus" und „arbeitet für das geistige Wohlergehen
seiner Landsleute" (S. 24). Der Unterschied zum reformatorischen
Ansatz Luthers wird klar hervorgehoben (S. 27, 54); der Einfluß
der Schriften Luthers auf Zwingli nur für gering gehalten (S. 46).
McNeill schließt sich darin der Ansicht Schweizer Forscher
(Farner u. a.) an. Besonders gründlich untersucht er die Form des
Gottesdienstes und der Kirchenzucht in Zürich.

Die Schilderung des Todes Zwingiis gibt uns Anlaß zur Frage,
ob jener in seinen letzten Worten wirklich Sokrates zitiert hat
(S. 52). Zwingli hat doch wohl Christi Worte aus Matth. 10, 2?
wiedergegeben.

Der umfangreichste Teil des Werkes behandelt Calvins
Entwicklung zum Reformator und sein Wirken in Genf. Ein
ganzes Kapitel ist in ihm der Bekehrung Calvins gewidmet. Die
„subita conversio" wird ins Jahr 1534 gelegt (S. 109). Doch
muß dieses Ergebnis als fraglich erscheinen. Denn Calvin redet
von einer conversio ad docilitatem und nicht ad fidem. Dieser
Begriff bezeichnet bei Calvin die Abkehr vom Papsttum und die
Haltung eines Nikodemiten. Beza hat diese Sinnesänderung in
seiner Lebensbeschreibung Calvins für das Jahr 1528 vermerkt;
seine Datierung muß als richtig gelten. (Es wäre wünschenswert,
daß die im Manuskript vorliegende gründliche Untersuchung des
verstorbenen Erlanger Professors Sprenger über die Bekehrung
Calvins bald im Druck erscheinen würde.)

In den folgenden Kapiteln bemüht sich McNeill mit großem
Eifer um ein wahres Bild von Calvins Wirken in Genf. Er
zeigt auf, daß das Consistorium zu unrecht als „Werkzeug einer
tyrannischen Zucht" bezeichnet wird (S. 164). Genf war ein
Zentrum liederlichen Lebens (S. 166). Zudem war die Lebensführung
der Bürger schon vor Calvins Zeit durch strenge Gesetze
geregelt (S. 140), die nur nicht durchgeführt wurden
(S. 164). Calvin drang nun auf ihre Einhaltung, d.h. auf die Bestrafung
der Übertreter mit Exkommunikation und Verlust des
Bürgerrechtes (S. 140/41). Im übrigen wurde die Kirchenzucht
mehr vom Rat der Stadt als vom Consistorium durchgeführt.
Dessen Machtbereich war lange Jahre hindurch ungeklärt (S. 164).

Andererseits wird nicht verschwiegen, daß Calvin die
Hexenverbrennung unterstüzt hat. Er war darin ein Kind seiner
Zeit (S. 172). Auch kann Calvin sich nur von der äußeren Beteiligung
an der Hinrichtung Servets freisprechen — das kann
er allerdigns mit Recht! —, nicht aber davon, den Tod des
Antitrinitariers vorher gewünscht zu haben (S. 175). Es wird
auch nicht verschwiegen, daß die große Zahl der französischen
Flüchtlinge für Calvins Einfluß in der Stadt entscheidend wurde
(S. 181). McNeill ist geneigt, das Regierungssystem in Genf
eine „Theokratie" zu nennen, aber nicht im Sinne einer „Hiero-
kratie". Sondern „in the sense that it assumed responsibility
to God on the part of secular and ecclesiastical authority alike,
and proposed as its end the effectual Operation of the will of
God in the life of the people" (S. 18 5). Der Verfasser redet aber
immerhin von einer „wirklichen Herrschaft Calvins" in Genf
(S. 186).

Besonders hervorgehoben wird die Selbständigkeit des
Consistoriums gegenüber dem Magistrat seit dem Jahr 1555
(S. 188). Sie ist ein Kennzeichen des Calvinimus; die Entwicklung
der calvinistischen Kirchen in anderen Ländern wird immer
auch an diesem Maßstab gemessen. Zwingli wollte dagegen die
Kirchenzucht durch den Rat der Stadt ausgeübt haben.

In der Theologie Calvins werden die bekannten Schwierigkeiten
seiner Prädestinationslehre ausführlich erörtert (S. 202).
Dann wird mit besonderem Eifer die These Max Webers zu
widerlegen versucht, es bestehe eine Verbindung zwischen Er-
wählungsbewußtsein und Kapitalismus (S. 221 ff.), und diese gehe
auf Calvin zurück. Die von McNeill aufgeführten Calvinzitate
(S. 222 f.) sind in der Tat eindrucksvoll. Abschließend stellt er