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Ausgabe:

1958 Nr. 7

Spalte:

507-508

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

The Dead Sea scrolls and the New Testament 1958

Rezensent:

Braun, Herbert

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507

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 7

508

Propheten schlechthin, sondern die einer bestimmten Epoche, aus
der auch allein die Texte 6tammen: der Prophetie des 8. und
7. Jhdts. Dieser Epoche sind ebenfalls feste Redeformen eigen,
die eine gewisse Stabilität zeigen. Für die vorliegende Untersuchung
scheint mir wichtig, daß die Gerichtsankündigung in dieser
Epoche der Prophetie durchgehend zweigliedrig ist: sie kündigt
Gottes Eingreifen (häufig in der 1. pers.) und die Folge dieses
Eingreifens an. Die politischen Voraussagen nun gehören fast
alle dem zweiten Glied der Ankündigung an: der Folge des Eingreifens
Gottes. Darin ist die Zusammengehörigkeit solcher
politisch-historischen Voraussagen mit der „allgemeinen eschato-
logischen Ankündigung" begründet und literarisch dokumentiert.
Die vorliegende Untersuchung könnte in der Richtung weitergeführt
werden, daß der zweite Teil der Ankündigung, die Folge
des Eingreifens Gottes, in ihrer ganzen Breite untersucht würde,
und zwar bei den Gerichtsankündigungen an einen Einzelnen
wie an das Volk. Es würde sich dann wahrscheinlich zeigen, daß
die politischen bzw. historischen Voraussagen bei den Gerichtsworten
eine andere Funktion haben als bei den Heilsworten
(Jes. 7 und 8), und man würde über die oft schwer durchzuführende
Unterscheidung zwischen allgemeiner und spezieller historischer
bzw. eschatologischer Ankündigung hinauskommen. Die
Bezeichnung spezielle historische bzw. politische Ankündigung
ist sowieso bei den an eine Einzelperson gerichteten Ankündigungen
schwierig; man wird nicht in jedem Fall die Ankündigung
des Todes oder der Bewahrung historisch oder gar politisch
nennen können.

Es sei zum Schluß noch auf die sorgsame und wertvolle Untersuchung
der Frage nach der Erfüllung der Voraussage hingewiesen
. Wenn am Ende gefragt wird: „Tritt man nicht überhaupt
der göttlichen Freiheit in der Geschichtslenkung zu nahe, wenn
man eine buchstäbliche Erfüllung jeder prophetischen Voraussage
erwartet?", so zeigt sich hier ganz klar, was in der Struktur des
Prophetenwortes dieser Epoche schon angelegt ist: die Ankündigung
des Eingreifens Gottes ist die primäre und wesentliche Aussage
des Propheten, die Folge des Eingreifens Gottes bleibt diesem
gegenüber immer in einer dienenden Funktion. Das hat die
Arbeit klar herausgestellt; es lohnte sich, das hier gefundene Ergebnis
in der angedeuteten Richtung weiterzuführen.

Berlin C. Westermann

NEUES TESTAMENT

R/wtey, H.H., DD. F. B. A., Prof.: The Dead Sea Scrolls and the
/ New Testament. London: Society for Promoting Christian Knowledge
1957. 32 S. kl. 8°. 2 S.

Diese Broschüre des Hebraisten aus Manchester wendet sich
gegen jenen Flügel der Qumrän-Sekundär-Literatur, der die Absicht
verfolgt, Tod und Auferstehung Jesu sowie überhaupt die
Grundstruktur des frühen Christentums als Kopie aus dem angeblichen
Original der Qumrän-Sekte abzuleiten. Zu all solchen
Versuchen spricht Rowley ein in der Form z. T. sarkastisches
Nein. Dies in der Sache völlig richtige Nein wird in seinem
Gewicht allerdings gemindert durch die Art der Beweisführung
Rowleys. Der Verfasser differenziert nicht genügend
zwischen den verschiedenen Stadien der Sekte, er schreibt den
Inhalt hellenistischer Übermalungen in den Essener-Referaten
bei Josephus und Philo ohne weiteres der wirklichen Qumrän-
Sekte zu; vor allem aber unterscheidet er nicht kritisch die verschiedenen
synoptischen Schichten und argumentiert für das
Neue Testament zum Schaden der Sache so mit einer sehr einheitlich
-planen „christlichen" Grundkonzeption. Die Berührungen
(nicht Abhängigkeiten) zwischen Qumrän-Literatur und
Neuem Testament sieht Rowley lediglich in einigen wenigen
Termini und Anschauungen: etwa den „vielen" der Sekte und
der Vorstellung von der reinigenden Kraft des Geistes und der
Taufe. Das ist m. E. viel zu wenig: das weite Feld der gemeinsamen
starken Naherwartung des Endes und der nicht geringe
Kreis der auf beiden Seiten radikalisierten Tora-Inhalte wird
vom Verfasser außer Acht gelassen oder bagatellisiert. Zu dieser
Bagatellisierung gelangt er, weil er auch für die Qumrän-Dua-
lismen, also mehr als erlaubt, das Alte Testament als gemeinsame
Quelle für Qumrän und Neues Testament erklärt und, von
einer Bemerkung abgesehen, die gnostisch-dualistische Versetzung
des Judentums außer Betracht läßt. Die literarische
Qumrän-Sensationsmache erhält durch Rowley also die ihr gebührende
Abfuhr; aber diese Abfuhr könnte wirksamer sein,
wenn sie der apologetischen Abzweckung entbehrte.

Mainz Herbert Braun

Höring, Jean, Prof.: La seconde epitre de saint Paul aux Corinthiens.

/Neuchätel/Paris: Delachaux Sc Niestie [1958]. 115 S. gr. 8° = Com-
,' mentaire du Nouveau Testament VIII. sfr. 8.80; geb. sfr. 11.90.

Mit beachtlicher Stetigkeit schreitet der Aufbau des CNT
fort (vgl. zuletzt die Bespr. ThLZ 1957, Sp. 913 f. und ebd. Sp. 956
den Hinweis auf den kürzlich erschienenen Band VI, die Auslegung
des Rom. durch F.-J. Leenhardt). Jean Hering, der seinerzeit mit
Band VII über den 1. Kor. (1949) die Reihe des CNT eröffnet
hatte, legt nunmehr, nachdem er in der Zwischenzeit auch noch
Band XII über den Hebr. (1954) bearbeitet hat, seine Erklärung
des 2. Kor. vor. Nach Anlage und Durchführung gleicht dieser
Band, wie erwartet werden durfte, jenen beiden anderen Bänden
und hält deren Höhenlage (ThLZ 1950, Sp. 343 ff.; 1955,
Sp. 427 ff.). Erneut erweist sich der Verfasser als überaus belesen
und gerade auch mit älterer und entlegener Literatur sehr vertraut
, und wiederum bewährt er sich als guter und scharfer Beobachter
in allen exegetischen Fragen. Die stets anregende Form
der Darstellung, die große Lebhaftigkeit im Argumentieren, der
Reichtum an anschaulichen Formulierungen und originellen Gedanken
sichern ihm auch bei diesem Band die Aufmerksamkeit
des Lesers.

Wenn H. im Vorwort (S. 9) bekennt, er sei bei der Auslegung
bemüht gewesen, „non multa sed multum" zu bieten, so
wird man ihm gern das Zeugnis ausstellen, daß er dieses anerkennenswerte
Ziel innerhalb des gegebenen Rahmens auch erreicht
hat. Es bedeutet keine ernsthafte Einschränkung dieses Lobes
, wenn beigefügt wird, daß mitunter allerdings, sobald nämlich
dem Leser auf knappem Raum möglichst viel mitgeteilt werden
sollte, gleichwohl der Eindruck von bloßen multa entstehen
und umgekehrt in anderen Fällen, in denen die Erklärung allzu
kurz gefaßt ist, beim Leser sich eher der Wunsch nach multa melden
kann. Ungleichmäßigkeiten dieser Art sind schwerlich ganz
zu vermeiden, wenn, wie das auch beim CNT zutrifft, der begrenzte
Umfang ständig nötigt, eine Auswahl zu treffen, und die
gründlichere Behandlung eines bestimmten Problems immer nur
mit dem Verzicht auf die Erörterung anderer Fragen erkauft
werden kann.

Vorangestellt ist eine verhältnismäßig kurze „Introduction"
(S. 11—14). Sie enthält außer einem kleinen Teil C über die
Textüberlieferung des 2. Kor. (S. 14) zwei Teile A und B, die inhaltlich
freilich etwas ineinandergreifen. Der erste (S. 11—13)
behandelt „La question de l'unite de l'epitre", während das Thema
des zweiten „Sur les voyages de l'apotre Paul" ist (S. 13 f.).
Es ist klar, daß die schwierigen Einleitungsfragen des Briefes sich
hierbei nicht in aller Breite haben entfalten lassen, obschon H.
es versteht, Wichtiges in Kürze zur Sprache zu bringen. Zur Ergänzung
wird der Leser allerdings noch zahlreiche weitere Bemerkungen
heranziehen können, die im Verlauf des Kommentars
aus Anlaß der in Betracht kommenden Stellen und Abschnitte
erfolgen. Ein ganz deutliches Bild, wie H. sich die Entstehungsverhältnisse
denkt, ergibt sich jedoch auch mit deren Hilfe nicht.

Auf dereinen Seite beläßt er den Abschnitt 6, 14 —7, 1 in seinem
jetzigen Zusammenhang, versetzt ihn also nicht in ein anderes Schreiben
des Apostels (S. 57), und auch 2, 14 —7, 4 stellt nach ihm keinen
selbständigen Brief dar (S. 32; der unvermittelte Übergang von 2, 12 f-
zu 2, 14 ff. erkläre sich entweder durch eine Diktatpause oder es könnten
die Verse 2, 12 f. ursprünglich an einem anderen Ort, nämlich unmittelbar
vor 7, 5, gestanden haben). So abgeneigt sich H. in diesen
beiden Fällen Teilungshypothesen gegenüber zeigt, so entschieden tritt
er auf der anderen Seite dafür ein, daß Kap. 10—13 einen eigenen Brief
bilden und daß, was ihm fast noch wichtiger erscheint, Kap. 9 von
Kap. 8 zu trennen und als „billet ä part" (S. 13), als besonderer kleiner
Brief aufzufassen sei.

Was Kap. 10—13 betrifft, 60 wird die Frage, ob dieser „Zwisdien-
brief" (S. 14) mit dem sog. „Tränenbrief" (2,4) identisch sein könne,
in der Einleitung (S. 12) in ihrem Für und Wider kurz und mit Angabc