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Ausgabe:

1958 Nr. 7

Spalte:

497-500

Autor/Hrsg.:

Schenke, Hans-Martin

Titel/Untertitel:

Die fehlenden Seiten des sog. Evangeliums der Wahrheit 1958

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497

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 7

498

Die fehlenden Seiten des sog. Evangeliums der Wahrheit

Von Hans-Martin Schenke, Berlin

In der von Malinine, Puech und Quispel besorgten Edition
des sog. Evangelium Veritatis (EV)1 aus dem Codex Jung — rezensiert
in dieser Zeitschrift Jg. 82/1957, Sp. 825 — 834 von J. Lei-
poldt — fehlen die Seiten 33 — 36, wie denn der ganze Codex
Jung mehrere Lücken von insgesamt mehr als 40 Seiten aufweist.
Nach G. Quispel (Neue Funde zur valentinianischen Gnosis,
ZRGG VI/1954, S. 290) umfassen diese Lücken außer den Seiten
33 — 36 die Seiten 49 — 50 und 54 — 90. Die in der Züricher
Handschrift vermißten Blätter 6ind mit den 12 anderen Codices
des sensationellen Fundes von Nag-Hamadi in den Besitz des
Koptischen Museums zu Alt-Kairo gelangt und in dem ersten
Photokopien-Band dieses Institutes (Pahor Labib: Coptic Gnostic
Papyri in the Coptic Museum at Old Cairo, Vol. I, Cairo 1956)
auf den Tafeln 1 — 46 veröffentlicht worden. Format, Schriftbild
, Sprache, Inhalt und die Seitenzahlen, soweit sie erhalten
sind oder erschlossen werden können, machen die Identifikation
sicher. Die Tafeln 5, 6, 9 und 10 bieten nun die vier fehlenden
Seiten bzw. zwei Blätter des sog. EV. Tafel 9 zeigt oben die Seitenzahl
33, Tafel 10 die Zahl 35, Tafel 5 die Zahl 36, Tafel 6
ebenfalls die Zahl 36. Tafel 10 ist aber das Verso von Tafel 9.
Dem Schreiber, der den Codex mit Seitenzahlen versehen hat,
ist also ein Fehler unterlaufen. Er hat die Seitenzahl 34 ausgelassen
, dafür die Seitenzahl 36 zweimal geschrieben. Von Tafel 5
und 6 ist nach Ausweis des Inhalts Tafel 6 das Rekto, Tafel 5
das Verso. Diese Umkehrung von Rekto und Verso ist kein
Einzelfall in der Ausgabe, die Tafeln 1—46 entbehren — abgesehen
davon, daß Rekto und Verso nicht voneinander getrennt
wurden — überhaupt jeder Ordnung, wie aus der folgenden Übersicht
entnommen werden kann. Es entsprechen sich, soweit wir
es erkennen konnten:

Pahor Labib I (Lab) Codex Jung (CJ)

pl.

1



P-

[49] Rekto

PL

2



P-

50 Verso

pl-

3



P-

73 R

Fl-

4



P-

74 V

PL

5



P-

36 V

PL

6



P-

3<5> R

PL

7



P-

72 V

pl-

8



P-

[711 R

pl.

9



P-

33 R

pl.

10



P-

3<4> V

pl.

11



P-

[76] V

pl.

12



P-

75 R

Pl-

13



P-

78 V

PL

14



P-

77 R

pl-

15



P-

82 V

pl.

16



P-

[81] R

pl.

17



P-

90 V

PL

18



P-

89 R

pl.

19



P-

88 V

pl-

20



P-

87 R

Pl-

21



P-

80 V

pl.

22



P-

79 R

pl.

23



P-

[83 ?] R

pl.

24



P-

[84 ?] V

pl.

25



P-

[85 ?] R

pl.

26



P-

[86 7] V

pl-

37



P-

[65] R

pl-

38



P-

66 V

') Es handelt sich in Wirklichkeit weder um das EV von Iren. III
11,9 noch überhaupt um eine valentinianische Schrift, sondern um eine
Homilie, die Gedanken enthält, wie sie sich ähnlich in den Oden Salo-
mos finden. Vgl. meine demnächst bei der Evangelischen Verlagsanstalt
erscheinende Schrift: Die Herkunft des sog. EV.

Pahor Labib I (Lab) Codex Jung (CJ)
pl. 41 = p. [67] R

pl. 42 = p. 68 V

pl. 43 = p. 6[9] R
pl. 44 = p. 70 V

Die nicht aufgeführten Tafeln bieten nur Bruchstücke. — Wir
bringen nun eine Übersetzung der Seiten 33 — 36 aus dem EV mit
den letzten Sätzen von Seite 32 und den ersten Sätzen von Seite
37. Eckige Klammern enthalten Ergänzungen, Winkel-Klammern
Verbesserungen.

(CJ 32, 31) Redet aber aus dem Herzen heraus, denn (32) ihr
seid der Tag, der vollkommen ist2, (33) und es wohnt in euch
(34) das Licht, das nicht untergeht3! (35) Redet über die Wahrheit
mit denen, die (36) nach ihr verlangen, und über das Wissen
für die, (37) die gesündigt haben in ihrer Verirrung (nkdvr))
(38) Ihr seid die Kinder des Wissens! (Lab 9 = CJ 33, 1) Stärkt
den Fuß der (2) Gestrauchelten, und streckt eure (3) Hände nach
«Jen Kranken aus! Speist (4) die Hungrigen, den Leidenden (5)
verschafft Linderung, und (6) richtet die Gutwilligen auf! (7)
Richtet auf und weckt die (8) Schlafenden! Denn (ydo) ihr seid
die (9) starke (?)' Vernunft. Wenn (10) die Stärke sich gürtet
(?), wird sie (11) noch stärker. Richtet euer Augenmerk auf euch
(12) selbst6! Richtet euer Augenmerk nicht auf (13) anderes,
nämlich das, was ihr (14) von euch entfernt habt, das, was ihr
(15) abgelegt habt6! Kehrt nicht (16) dazu zurück, um es zu
essen! Seid nicht mottenzerfressen! (17) Seid nicht wurmzer-
rressen, denn ihr habt (18) ihn schon abgeschüttelt! (19) Seid
nicht Wohnstätte (ronog) (20) für den Teufel (didßoÄog),
denn ihr habt (21) ihn schon zunichte gemacht! (22) Befestigt
nicht eure hinfälligen (23) Hindernisse, weil (d)c) es ein Vorwurf
ist7! (24) Nichts ist nämlich (ydo) der Ungesetzliche, 60
(25) daß er sich mehr schadet als dem Gesetz. (26) Denn (ydo)
jener8 (27) tut seine" Werke, weil (coc) er (28) ein Ungesetzlicher
ist. Dieser10 aber, weil (&>?) (29) er ein Gerechter (dtxcuog)
ist, tut er seine" (30) Werke unter anderen12. Tut (31) ihr nun
den Willen des Vaters, (32) denn ihr stammt aus ihm!

(33) Denn (ydo) der Vater ist süß, und (34) 6ein Wille ist
gut. (35) Er hatte Kenntnis von dem (36) Eurigen genommen, damit
ihr euch (37) auf ihm13 ausruht. Denn (ydo) an den (38)
Früchten erkennt man (39) das Eurige14, daß es15 die Kinder des
Vaters (Lab 10 = CJ 34, 1) sind, sein Geruch, daß sie aus (2)
der Gnade ixagig) seines Antlitzes stammen. (3) Deswegen
liebt der Vater (4) seinen Geruch. Und er16 offenbart sich (5) in
jedem Ort. Und wenn er17 vermischt ist (6) mit der Materie

2) Vgl. Od. Sal. 41,4.

") Vgl. Od. Sal. 32, Ii 33,8. In 32,26 — 34 weicht unsere Übers,
beträchtlich von der der Hrsg. ab.

*) Das Verbum töki'm kann hier wohl nicht den gewöhnlichen Sinn
„herausziehen" (Crum 406a) haben. Der Zusammenhang erfordert die
Annahme eines sonst nicht belegten Verbs tökim mit der Bedeutung
„stärken".

6) Am Anfang von Z. 12 sind drei Buchstaben, die auf Dittogra-
phie beruhen, zu tilgen.

") In Z. 15 ist von uns ein Omega ergänzt worden.

7) Vielleicht sind mit den Hindernissen die irdischen Leiber gemeint
, die den Weg der Seele nach oben hindern und deren Pflege einen
Vorwurf einbringen wird.

ö) Der Ungesetzliche.
*) Sc. bösen.

10) Das Gegenstück des Ungesetzlichen: der Gerechte.
") Sc. guten.

") Vgl. Mt. 12, 35; Lk. 6,45a.

13) Sc. dem Eurigen.

") Vgl. Mt. 12,33b; Lk. 6,44a.

") Übergang von der 2. zur 3. Person.

10) Der Geruch.

17) Sc. der Geruch.