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Ausgabe:

1958 Nr. 1

Spalte:

28-31

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Roth, Franciscus

Titel/Untertitel:

Augustiniana 1958

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 1

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Es ist schwer, ja unmöglich, betreffs Weissagungen dieser
Art Einigkeit zu erreichen. Wir haben bisher keine sichere Methode
, Authentisches und Sekundäres, Altes und Spätes zu unterscheiden
. Mir ist es klar, daß es nicht angeht, in solchen Dingen
jeden einzelnen Propheten isoliert zu behandeln. Man muß einen
ideengeschichtlichen Maßstab anlegen und sich fragen, zu welchem
Vorstellungskomplex die betreffenden Worte gehören. Die
nahe Verwandtschaft jener Weissagungen des Hoseabuches mit
zahlreichen sicher exilischen oder nachexilischen Prophezeiungen
macht es in hohem Grad wahrscheinlich, daß sie exilischen oder
nachexilischen Ursprungs sind und von einem Redaktor zugefügt
wurden, als das Hoseabuch seine endgültige Form erhielt. Solche
Ergänzungen haben wir in den älteren Prophetenbüchern in Fülle.
Bisweilen wurden sie als selbständige Orakel unverändert von
einem Redaktor aus der lebendigen Prophetie aufgenommen und
älteren Sammlungen einverleibt, bisweilen spürt man in ihnen
die eigene Hand des Redaktors, der selbst prophetische Begabung
besaß. Für eine sachgemäße Beurteilung der „Echtheitsfragen"
ist natürlich eine richtige Auffassung der allgemeinen Entstehungsgeschichte
der Prophetenbücher unumgänglich. Und diese
Entstehungsgeschichte kann nicht verstanden werden, ohne daß
sie unter überlieferungsgeschichtlichem Gesichtspunkt betrachtet
wird.

Es braucht nicht gesagt zu werden, daß der hervorragende
Gelehrte, der uns diesen Kommentar gegeben hat, sich undogmatisch
und kritisch dem Text gegenüber verhält. Er findet neben
den echten Aussagen Spuren von einem Prophetenschüler, einem
Sammler bzw. Redaktor, einem judäischen Bearbeiter und Glossatoren
. Der Redaktor soll in deuteronomistischen Kreisen zu suchen
sein. In der Verheißung für Juda in 1,7 sieht der Verf.
eine Glosse, die eine Antithese zu v. 6 darstellt; in 3, 5 sind die
Worte „und David, ihren König" Zusätze judäischer Redaktion
.

Hat der Verf. dieses Kommentars zu der schwierigen Frage
der Ehegeschichte Hoseas etwas Neues zu 6agen? Richtig sieht
er in Kap. 1 die Erzählung eines Prophetenschülers, in Kap. 3
einen prophetischen Selbstbericht. Richtig stellt er fest, daß es
sich um Tatsachen, nicht um eine Allegorie oder eine Vision
handelt. Wie verhalten sich aber die beiden Erzählungen zueinander
? Daß sie Parallelen sein sollten, hält er für ausgeschlossen.
Er sollte aber nicht mich und Th. H. Robinson als Vertreter einer
solchen irrigen Behauptung anführen. Wenn ich und der genannte
englische Gelehrte von Parallelen reden, meinen wir nur, daß
wir hier zwei von zwei verschiedenen Händen herrührende Erzählungen
haben, die dasselbe Hauptthema behandeln, nämlich
die Ehegeschichte Hoseas. Dasselbe meint auch Wolff. Die Hauptfrage
ist diese: wie verhalten sich die beiden Erzählungen zueinander
? Wolff meint mit vielen anderen, daß das, was in Kap. 3
erzählt wird, eine Fortsetzung von dem in Kap. 1 Erzählten bildet
. Gomer wird „Hurenweib" genannt als eine „Baalverehrerin"
(so neuerdings Coppens in der Nötscher-Festschrift 1950; vgl.
auch die Aufsätze über Hos. 1—3 von Tushingham in Journal of
Near Eastern Studies XII, 1953, und Waterman ibidem XIV,
195 5), die sich durch einen kanaanäischen Sexualritus Fruchtbarkeit
erworben hatte. Damit wäre auch, meint Wolff, die Bezeichnung
der Kinder als „Hurenkinder" erklärt. Das Weib brach
6päter die Ehe mit Ho6ea, geriet in privaten Dienst und wurde
schließlich vom Propheten durch Kauf wieder gewonnen. Nach
unserem Verf. trat also der Ehebruch nach der Geburt der drei
Kinder ein. Wieder melden sich Fragen. Ist es wirklich wahrscheinlich
, daß die eigenen leiblichen Kinder des Propheten als
„Hurenkinder" bezeichnet und außerdem noch von ihm selbst
mit solchen schauerlichen Namen wie rTOTt*l tib und "VO i&
benannt wurden? Beweist nicht die Stelle Hos. 5, 7, daß wenigstens
die zwei letzten Kinder Hoseas von ihm wirklich für uneheliche
Kinder, Bastarde, gehalten wurden? Und ist es recht
vorstellbar, daß der Prophet im Selbstbericht die Erzählung von
seiner hoch bedeutungsvollen Ehe so ohne Vorbereitung mit dem
zweiten Akt derselben begonnen hat? Der Verf. sagt ja ausdrücklich
, daß Hosea als Berichterstatter in Kap. 3 nicht die
Kenntnis des Kap. 1 voraussetzt. Was der Verf. über die „stürmische
Lebendigkeit" der Darstellung sagt, überzeugt nicht. So
muß ich trotz allem an meiner Ansicht festhalten, daß Kap. 3

die erste Phase der Ehegeschichte, Kap. 1 von v. 3b an den zweiten
Akt derselben Geschichte schildern. Die Einzelheiten muß
ich hier übergehen. Vgl. auch die Darstellung von Adolphe Lods
in Les prophetes d'Israel, 1935, S. 107 ff., der dieselbe Ansicht
geschickt verteidigt.

Es liegt in der Natur der Sache, daß ein so schwieriges Buch
wie das Hoseabuch reichlichen Anlaß zu einem Meinungsaustausch
geben muß. Daß ich die von Wolff in diesem ersten Heft
seines Kommentars gegebene Darstellung verhältnismäßig eingehend
besprochen habe, möge als Beweis dafür gelten, wie hoch
ich diese ernste und gründliche Leistung schätze. Das Buch ist
reich an guten und feinen Bemerkungen. Nur eine einzige möchte
ich herausheben, nämlich was der Verf. über die prophetischen
„Mcmorabilien" sagt. Sie dürfen nicht als Prophetenbiographien
betrachtet werden; was erzählt wird, hat Bedeutung nur im Zusammenhang
mit dem Gotteswort, das damit verbunden ist. So
leitet auch den hoseanischen Bericht über die Ehe kein autobiographisches
Interesse, vielmehr wird der Ausschnitt aus der Lebensgeschichte
des Propheten nur dazu geboten, um das übergeordnete
Faktum des Gottesbefehls herauszustellen und einem
göttlichen Offenbarungswort als Relief zu dienen. Insofern sind,
sagt der Verf., die prophetischen Memorabilien den Apophtheg-
mata der neutestamentlichen Evangelienliteratur verwandt. Das
ist gut gesagt.

Lund (Sdiweden) Joh. Li n d b I o in

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES
UND TERRITORIALKIRCHENGESCHICHTE

Roth, Franciscus, O.E.S.A., et Teeuwen, Norbertus, O.E.S.A.:
Augustiniana. Septimo exacto saeculo a magna unione 12 56—1956
ed. New York: Augustinian Historical Institute 1956. 872 S. gr. 8°
= Cassiciacum. Studies in St. Augustine and the Augustinian Order
Vol. V. $ 12.-.

Am 9. April 1256 erließ Papst Alexander IV. die Bulle
Licet Ecclesiae, durch die eine Anzahl von Eremitenverbänden,
von denen einige nach der Regel Augustins lebten, zum Ordo
Eremitarum Sancti Augustini vereinigt wurden. Der 700. Wiederkehr
des Geburtsjahres des Augustinerordens ist der vorliegende
Band gewidmet. Er ist zugleich auch als Heft 1 und 2
des 6. Bandes (1956) der Zeitschrift Augustiniana (Heverlee-Lö-
wen) erschienen. Diese Zeitschrift, die Abhandlungen zu Augustin
und der Geschichte und Theologie des Augustinerordens,
sowie regelmäßige Bibliographien bringt, ist, wie das Auskunftsbüro
der Deutschen Staatsbibliothek mitteilt, in keiner deutschen
Universitätsbibliothek vorhanden. Angesichts der Wichtigkeit
, welche die Erforschung der Augustinertheologie für die
Reformationsgeschichte besitzt, wäre es wünschenswert, wenn
die eine oder andere Bibliothek sich entschlösse, die Zeitschrift
den Interessenten in Deutschland zugänglich zu machen.

Der Jubiläumsband enthält nach einer Einleitung des Generalpriors
E. Eberhard (S. 6—8) in seinem ersten Teil einige
Texte, welche die Geschichte der Augustiner betreffen. Die Bulle
Licet Ecclesiae catholicae ist herausgegeben von A. de M e i j e r
(S. 9—13), der Kommentar von R. Kuiters (S. 14—36) behandelt
die stilistische Form und das Datum der Bulle, die Vorgeschichte
der Union, die Eigenart der verschiedenen Gruppen,
die in dem neuen Orden zusammengefaßt wurden, und die inneren
Spannungen hinsichtlich Lebensweise und Organisation, die
sich dabei ergaben.

R. Arbesmann veröffentlicht Heinrich v. Friemars
Tractatus de origine et progressu ordinis fratrum heremitarum et
vero ac proprio titulo eiusdem von 1334 (S. 37—145). Eine
reichhaltige Einleitung unterrichtet über die Person Heinrichs
und gibt eine Analyse der Schrift, aus der hervorgeht, wie das
pseudoaugustinische Schrifttum das Bild des Lebens Augustins
beeinflußte. Augustin wurde von Heinrich mit der Tendenz gezeichnet
, ihn mit dem altkirchlichen Eremitentum, wie auch mit
den toskanischen Eremitenkolonien, die das wichtigste Element
des 1256 gegründeten Ordens waren, durch die Behauptung eines
Aufenthalts Augustins in Toskana zusammenzubringen. Arbes-