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Ausgabe:

1958

Spalte:

26-28

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Dodekapropheton Hosea 1958

Rezensent:

Lindblom, Johannes

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Theologische Litcraturzeitung 1958 Nr. 1

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gesdiidite zu tun haben. Gemeinsam ist allen die Darbietung des
literarisch greifbaren Quellenmaterials innerhalb und außerhalb
des AT, die Entfaltung des archäologischen Tatbestandes und die
theologische Auswertung. Reiches Bildmaterial ist beigegeben
und jedem der drei Kapitel eine Literaturübersicht zugefügt.

Der erete Teil behandelt die Sintflut. Die biblischen Berichte
werden, nach den Quellen gesondert, zuerst dargeboten, dann
das assyrisch-babylonische Material einschließlich Berosus. Die
wichtigsten Abweichungen werden nebeneinander gestellt, die
Art, in der die Bibel die fremdländische Überlieferung verarbeitet
hat, wird kurz und zutreffend gekennzeichnet. Dann wird gefragt
, wieweit die Archäologie die historisch-literarischen Ergebnisse
bestätigt. Die Behauptungen Wolleys und Langdons, in Ur
und in Kisch dicke Schichten von Schwemmsand gefunden zu haben
, werden kritisch beurteilt, wobei sich erweist, daß das Diluvium
in Kisch wesentlich später anzusetzen ist als jenes. Auch
an anderen Orten sind solche Anschwemmungsschichten festgestellt
worden, und zwar aus verschiedenen Zeiten, so daß es mehrere
„Sintfluten" gegeben haben wird, von denen eine (welche?)
der keilinschriftlichen Literatur vorschwebt. Was die Arche anbetrifft
, wird von den aus alter Darstellung belegten und bis
heute üblichen Bootstypen ausgegangen. Die Bibel, d. h. die
Quelle P, bringt genauere Angaben als die keilinschriftlichen Dokumente
. Daran schließt sich eine interessante Abschweifung
über die Darstellung der Arche in der christlichen Kunst, vom
2. Jhdt. ab. In Bezug auf die Örtlichkeit wird die Nichtübereinstimmung
von Bibel und Babel festgestellt. Die mancherlei Versuche
, Überreste der Arche aufzufinden, werden registriert und
mit gutem Humor beschrieben. Wichtiger als die Suche nach der
Arche sei die „religiöse" Sicht, die ein kurzer Schlußabschnitt
bringt; hier hätte man gern etwas über die Verwendung der Sintflut
innerhalb der Bibel gehört, besonders aber mehr, als Gen.
8, 22 über den theologischen Sinn der Sintflut sagt.

Das zweite Stück über den Turmbau setzt mit einer Prüfung
des jahwistischen Berichtes Gen. 11 ein, dessen mesopotami6ches
Lokalkolorit außer Zweifel ist. Hier steht, wie allgemein angenommen
, die Ziggurat von Babel Etemenanki im Hintergrunde.
Dazu wird die Darstellung des Nabopolassar gewürdigt, auch in
ihrer Berührung mit Gen. 11. Einige „Berichte antiker Reisender"
leiten über zur Erörterung des archäologischen Befundes. Bisher
sind 3 3 Stufentürme archäologisch aufgewiesen. Über die Klassifizierung
von E. Unger (ZAW 1927), der drei Typen feststellt,
nennt Verf. als vierten den „Tempel auf einer Hochterrasse"
(Uruk u. a.). Von daher beschreibt er das, was von der Ziggurat
in Babel durch die Ausgrabungen Koldeweys festgestellt ist und
sich durch den Blick auf parallele Ausgrabungen an anderen Orten
ergänzen läßt, so daß der Verf. mit Busink einen Turm von
sieben Stockwerken annehmen zu können glaubt. Dazu bringt
er einiges Material über Wiedergabe des Turmes in der Kunst,
ein eindrucksvolles Kapitel. Den Abschluß bildet wieder eine
theologische Besinnung. Die verschiedenen Deutungsmöglich-
keiten der Ziggurat werden vorgeführt, wobei sich P. der These
W. Andraes vom Hochtempel mit einigen Modifikationen anschließt
. Wichtig ist der Hinweis auf den „Empfangstempel" am
Fuß des Bauwerks, während das eigentliche „Haus" des Gottes
oben lag. „So erscheint uns also die Ziggurat wie ein Bindestrich,
der die Verbindung zwischen Himmel und Erde sichern soll."
In diesem Sinne, als „Pforte Gottes" oder „Pforte des Himmels"
(Gen. 28, 17) ist nach dem Verf. der Turm zu Babel historisch zu
interpretieren. Immerhin: im Rahmen der Genesis ist es nicht
zu bestreiten, was der Verf. nicht gelten lassen will, daß die
Turmerzählung die Zeichen der hybriden Haltung des Menschen
gegen Gott trägt, wozu natürlich — das ist P. zuzugestehen —
das „heidnische" Heiligtum gerade von Babel das Seine beigetragen
hat. Aber die Konzeption der Bibel betr. Gen. 11 hätte man
gern nodi im Sinne heutiger theologischer Erkenntnisse dargelegt
gesehen.

Als dritter Teil wird „Ninive und das AT" behandelt. Nach
kurzer Darlegung des biblischen Befundes (Gen. 10, Nahum,
Jona) wird die dramatische Geschichte des archäologischen Bemühens
um Ninive ebenso dramatisch geschrieben und dann das
Ergebnis knapp und eindrucksvoll vorgelegt. Der Leser erhält ein
besonders bewegtes Bild von der Geschichte dieser mächtigen

Stadt vom 5. Jahrtausend bis zur Zerstörung 612. Die Geschichte
des assyrischen Reiches wird alsdann behandelt und den biblischen
Tatbeständen konfrontiert. Dabei wird, was durchaus möglich
ist, Jes. 14, 5 ff. auf einen der großen Assyrerkönige gedeutet.
Die Ereignisse von 701 werden in Wort und Bild beschrieben und
erörtert, auch das Buch Jona auf seine historischen Möglichkeiten
geprüft, wie denn das Buch überhaupt eine durchaus konservative
Gesamthaltung besitzt. Im ganzen haben wir eine Arbeit vor
uns, der man eine Verbreitung in weitesten Kreisen wünschen
möchte. Guter Stil vereint sich hier mit wissenschaftlicher Sachkunde
und einer der Bibel zugewandten Grundhaltung. Es ist
sehr zu begrüßen, daß solche Veröffentlichungen auf dem deutschen
Büchermarkt haben erscheinen können.

Kiel H. W. Hertzberg

Wolff, Hans Walter: Dodekapropheton. Hosea. [Kap. 1—3]. Neu-
kirdien Kr. Moers: Verlag der Buchhandl. des Erzichungsvereins
[1956]. 80 S. gr. 8° = Biblischer Kommentar. Altes Testament XIV, 1.
Kart. DM 7.-.

Dieser Teil des neuen großen Neukirchenerkommentars zum
Alten Testament ist durch dieselbe Ausführlichkeit, Sorgfalt und
Gründlichkeit gekennzeichnet, die man in den übrigen bisher
erschienenen Lieferungen beobachten kann. Zu jedem Absdinitt
des Textes ist eine deutsche Übersetzung gegeben, dann folgt
eine philologische Erörterung mit besonderer Rücksichtnahme
auf die Septuaginta und andere alte Übersetzungen, zuletzt
kommt die eigentlich exegetische Auslegung, die sehr eingehend
und ausführlich räsonnierend ist. Formen, Gattungen und Metra
werden berücksichtigt, aber vor allem wird der sachliche Inhalt
in allen Einzelheiten sorgfältig diskutiert und erklärt, und zwar
in stetem Hinblick auf die Meinungen anderer Forscher. Schon
in der Auslegung werden vielfach literarische Probleme zur Sprache
gebracht. Daß dann und wann Hinweise auf das Christentum
und das Neue Testament gebracht werden, gehört wohl mit zur
Tendenz dieses Kommentarwerkes. Solche Ausblicke sind allerdings
für die Prediger von größerer Bedeutung als für die wissenschaftlich
arbeitenden Exegeten.

Der allgemeine Standpunkt Wolffs scheint, soweit dieses
Stück seines Kommentars ein Urteil zuläßt, verhältnismäßig konservativ
zu sein. So sieht er nicht nur die Weissagung in 2, 1—3,
sondern auch die in 2, 18—25 als hoseanisch an. Was die erste
Weissagung betrifft, so rechnet er doch mit einer gewissen Überarbeitung
. Es muß im einzelnen, sagt der Kommentator, offenbleiben
, wieweit die Worte vom Sammler, der zu den Hörern
Hoseas gehört haben muß, mit geprägt sind. Seine Mitwirkung
an der Jetztgestalt ist ebenso wahrscheinlich wie die hoseanische
Herkunft des wesentlichen Inhalts. So wird der Versuch gemacht,
die einzelnen Vorstellungen dieses Stückes: die Volksmehrung,
die Vereinigung der Judäer und der Israeliten, das gemeinsame
Haupt usw., als hoseanisch zu verteidigen. Hier melden sich aber
gewisse Fragen. So angesichts der Behauptung, daß die Verbindung
„Söhne des lebendigen Gottes" (v. l) kaum anders denn
als hoseanische Schöpfung verständlich sein soll. Warum könnte
nicht ein späterer Ergänzer diese Formulierung geprägt und gebraucht
haben? Die Israeliten als Kinder Gottes ist z. B. eine
jesajanische Vorstellung (Jes. 1,2; vgl. 30, 1,9). Und die Vorstellung
von Jahwe als dem lebendigen Gott ist ja in der jüngeren
Literatur wohl bekannt. Recht gekünstelt scheint mir (trotz
Ex. l, io und Beer in HAT) in diesem Zusammenhang die Übersetzung
der Phrase yiNrvjp ibri 2, 2 mit „sie bemächtigten sich

des Landes". Das Wort 2, 1—3 soll vom Sammler der Hosea-
worte an die Spitze gerückt worden sein, um eine Antithese zu
dem vorhergehenden Unheilswort zu bilden. In der Abfolge der
Verkündigung Hoseas sind sie nicht am Anfang, sondern am
Ende der Spruchfolge 2, 4—25 anzusetzen. Mit solchen „Umstellungen
" sollte man aber meiner Meinung nach sehr vorsichtig
sein. Besser wäre es zu sagen, daß die betreffende Weissagung
ein selbständiges Orakel ist, das vom Redaktor an seine jetzigj
Stelle gesetzt ist. Was das Stück 2, 18—25 betrifft, so sieht der
Verf. darin eine lose Sammlung hoseanischer Sprüche und Spruchfragmente
. Die jetzige Komposition ist aber dem Redaktor
zuzuschreiben.