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Ausgabe:

1958 Nr. 6

Spalte:

471-473

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Ewers, Heinz

Titel/Untertitel:

Die Nichtigkeitsbeschwerde in dem kanonischen Prozeßrecht 1958

Rezensent:

Strasser, Hans-Gotthilf

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 6

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daß er — was die LektüTe für den fachkundigen Leser besonders
reizvoll gestaltet — dort, wo die deutsche Ausdrucksweise nicht
ohne weiteres zur Verfügung steht, von sich aus neue deutsche
Begriffe prägt. So ist z. B. der Offizial als „Gerichtspräsident", der
defensor vinculi als ,,Bandanwalt" bezeichnet. Um hier keine
Mißverständnisse aufkommen zu lassen, war es notwendig, die
lateinischen Fachausdrücke und ihre deutsche Wiedergabe in einem
Vokabular (S. 1141 ff.) einander gegenüberzustellen.

Auf diese Weise ist das Werk mehr zu einem Lesebuch als
zu einem Nachschlagewerk geworden. Das zeigt sich auch darin,
daß das Sachregister verhältnismäßig knapp gehalten ist. Es
reicht jedoch aus, um denjenigen, der etwas in der Systematik
des katholischen Kirchenrechts beschlagen ist, auch in einer Spezialfrage
weiter zu führen.

Dabei ist auch hier wieder der Praxis der Seelsorge vor der
Theorie der Vorzug gegeben. Gegenstände, mit denen der Seelsorger
im allgemeinen kaum jemals befaßt sein wird, wie z. B.
der Seligsprechungs- und Heiligsprechungsprozeß, sind nur in den
wichtigsten Grundzügen abgehandelt. Im Gegensatz dazu werden
Rechtsfragen, denen der praktische Seelsorger fortwährend begegnet
, insbesondere das Eherecht und der Eheprozeß, 6ehr genau
und bis in die Einzelheiten hinein erörtert. Gerade an der
Behandlung dieser Gebiete des Kirchenrechts und einzelner aus
dem Leben gegriffener Fälle, die im Zusammenhang damit als
Beispiele gebracht werden, merkt man, daß der gelehrte Verfasser
zugleich aus der Erfahrung einer reichen Praxis schöpft, die
ihm seine Arbeit als Advokat der Sacra Romana Rota vermittelt
hat.

In der Art, wie dieses Handbuch des Kirchenrechtes angelegt
ist, füllt es neben anderen Werken, die demselben Gegenstand
gewidmet sind, in seiner charakteristischen Eigenart als Hand-,
Lese- und Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts eine wirkliche
Lücke im deutschen Sprachgebiet aus. Seine praktische Brauchbarkeit
wird auch nicht wesentlich dadurch eingeschränkt, daß
es in erster Linie auf österreichische Verhältnisse Rücksicht
nimmt, wenn die Beziehungen des kirchlichen Rechts zum Staatskirchenrecht
oder zum bürgerlichen Recht zur Sprache kommen.
Da in der Hauptsache innerkirchliches Recht dargestellt wird und
die Berührungspunkte mit dem staatlichen Recht nur am Rande
in Erscheinung treten, fallen die verhältnismäßig wenigen österreichisch
eingestellten Abschnitte des Werkes nicht ins Gewicht.
Jedenfalls bilden sie für den nicht speziell am österreichischen
Recht interessierten Leser keinen Hinderungsgrund dafür, daß er
das Werk nicht mit Gewinn gebrauchen könnte. Für den Leserkreis
dieser Zeitschrift seien zwei, gerade für seine Interessen bedeutsame
Eigenschaften des Werkes hervorgehoben: Wer sich
ohne Mühe, in angenehmer und anregender Lektüre, einen Überblick
über das geltende Recht des Codex juris canonici verschaffen
will, kann das Handbuch von Holböck dafür sehr gut gebrauchen
. Wer in der Praxis der evangelischen Seelsorge, vor allem
in Ehesachen, die jeweilige Einstellung der katholischen Kirche
und die Rechtsstellung des evangelischen Christen (der als getaufter
Christ ja nach katholischer Auffassung der katholischen
Kirche zugehört!) im System des katholischen Kirchenrechts
kennen lernen will, kann sich hier gleichfalls auf bequeme Art
Aufklärung verschaffen.

Erlangen Hans Liermann

Ewers, Heinz, DDr.: Die Nichtigkeitsbeschwerde in dem kanonischen
Prozeßrecht. München: Zink 1952. XV, 122 S. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, hrsg. v. F. X. Seppelt, J. Pascher, K. Mörsdorf.
III. Kanonist. Abt., 2. Bd. DM 13.—.

Der Verfasser ist Jurist. Nach vollendetem Studium der säkularen
Rechtswissenschaft hat er sich am Kanonistischen Institut
der Universität München noch dem Studium des kirchlichen
Rechts gewidmet. Das zu wissen, ist nicht unerheblich, weil sich
aus dieser Tatsache die juristische Arbeitsmethode des Verf.s
ergibt. Als Ergebnis seiner kanonistischen Studien legt der Verf.
in einer historisch-dogmatischen, sehr sorgfältigen Untersuchung
einen kleinen Ausschnitt aus dem umfangreichen Gebiete des
kanonischen Rechtes vor. Er behandelt das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde
im kanonischen Prozesse. Diese Arbeit, angeregt
von K. Mörsdorf und gefördert von namhaften katholischen
Kirchenrechtlern, ist um so mehr zu begrüßen, als sie ein
von jeher reichlich umstrittenes Gebiet zu klären und dem interessierten
Fachmann nahezubringen versucht. Daß sich der Verf.
hierbei in rein juristischer Gedankenführung bewegt, liegt einmal
in der Besonderheit des katholischen Kirchenrechts, aber
auch in der wissenschaftlichen Herkunft des Verf.s selbst.

Einleitend stellt der Verf. die geschichtliche Entwicklung
des Rechtsmittels dar. Er geht aus von dem unterschiedlichen
Rechtsdenken im römischen und im germanischen Rechte. Während
nach römischrechtlicher Auffassung eine Entscheidung, die
unter Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften zustande
gekommen war, keine Rechtswirkungen hervorbringen konnte,
also nichtig war, ließ die germanische Rechtsauffassung von der
Formalkraft eines Rechtsspruches diesen als unantastbar erscheinen
. Die mittelalterliche Rechtsentwicklung führte dann zu einer
Unterscheidung zwischen einem ungerechten und einem nichtigen
Urteil und bahnte so der Nichtigkeitsbeschwerde als einem selbständigen
Rechtsmittel den Weg.

Nach einer kurzen Betrachtung der Nullitätslehre im älteren
kanonischen Rechte wendet sich der Verf. der Stellung der
Nichtigkeitsbeschwerde im Rechtsmittelsystem des Codex iuris
canonici von 1917 zu. Im Abschnitt I dieses Hauptteiles der Abhandlung
beschäftigt er sich mit dem Wesen und dem Zweck der
Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit dem Werdegang der Bestimmungen
im Codex.

Die Abschnitte II und III sind der Darstellung der Nichtigkeitsgründe
gewidmet. Sie werden eingeteilt in benannte und
unbenannte Gründe. Im folgenden Abschnitt IV wird die Geltendmachung
der Nichtigkeit eines Urteils behandelt, während
der V. und letzte Abschnitt die Nichtigkeitsbeschwerde in den
verwaltungsgerichtlichen Verfahren darstellt.

Unterstützt wird die Lektüre der Abhandlung durch die
Beifügung eines sehr umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnisses
.

Anzuerkennen ist vor allem die übersichtliche und logisch
begründete Gliederung des Stoffes, aber auch eine klare Sprache,
die es vermeidet, den Gegenstand in dem sogenannten Juristendeutsch
zu behandeln, das übrigens nebenbei bemerkt nicht besser
und nicht schlechter ist als das heute üblich werdende Theologendeutsch
. Gerade die kurzen und prägnanten Sätze des Verf.s
erleichtern das Eindringen in die Materie auch den Lesern, denen
die rein juristische Gedankenführung etwas ferner liegt.
Dieser Gesamteindruck der Sprache des Buches wird kaum dadurch
beeinträchtigt, daß sich gelegentlich sprachliche Unschön-
heiten eingeschlichen haben, die der Verf. besser vermieden
hätte, so z. B. die Redewendung „es kann möglich sein" auf
S. 23. Es müßte entweder heißen „es kann sein" oder „es ist
möglich". Hin und wieder finden sich auch Umständlichkeiten in
der Diktion, wie z. B. die Anhäufung aufeinander bezogener
Substantive auf S. 98. Wir wollen nicht beckmessern, aber gerade
bei einer 6onst so flüssigen und verständlichen Sprachweise stören
auch derartige Kleinigkeiten.

Sachlich hat sich der Verf. mit den zahlreichen Streitfragen
und Meinungsverschiedenheiten überzeugend auseinandergesetzt.
Es würde zu weit führen, wollten wir uns mit allen Einzelheiten
des Werkes befassen. Besonders hervorzuheben ist nach meiner
Auffassung der Abschnitt über den Zweck der Nichtigkeitsbeschwerde
(S. 22). Der Unterschied zwischen dem materiellen
und dem formellen Rechte ist gut herausgearbeitet. Dadurch
wird auch die begriffliche Verschiedenheit von Berufung und
Nichtigkeitsbeschwerde deutlich erkennbar. Das gilt hauptsächlich
von der Feststellung auf S. 24, daß die Nichtigkeitsbeschwerde
einen selbständigen Zweck verfolgt, nämlich die
Verfahrensvorschriften der Prozeßordnung zu schützen, während
das Rechtsmittel der Berufung das materielle Recht der Partei
wahren soll.

Vermittelt die Arbeit auf der einen Seite einen guten Überblick
über die einschlägigen Bestimmungen des CIC, so gewinnt
man andererseits auch eine Vorstellung von dem juristisch hervorragend
durchdachten, sehr fein verästelten System des neuen
kanonischen Rechtes. Der Verf. hat es verstanden, in seiner Be-