Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1958 Nr. 6

Spalte:

446-448

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Siirala, Aarne

Titel/Untertitel:

Gottes Gebot bei Martin Luther 1958

Rezensent:

Israel, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

445

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 6

446

tion" in der Kurpfalz darzustellen und mit z. T. umfangreichen
Quellenauszügen zu belegen, wenn freilich eine tiefere Einbettung
der Ereignisse von 15 56—1559 in den weiteren Rahmen der pfälzischen
und südwestdeutschen Reformationsgeschichte wünschenswert
gewesen wäre. Es sei daher auf die etwa gleichzeitig
veröffentlichte „Kleine Reformationsgeschichte von Baden-Dur-
lach und Kurpfalz" (Badenia Verlag Karlsruhe 1956. 84 S. 8°)
von E. W. Zeeden hingewiesen, die Verf. nicht mehr benutzt
hat und die ihre Arbeit in knapper, aber anschaulicher, positionsbewußter
(römisch-kathol.) und bei der Vielfalt der histor. Fakten
systematisch klarer Weise ergänzt. Für das Verhältnis Ott
Heinrichs zu den Täufern, besonders im Vergleich mit anderen
südwestdeutschen Landesherren, konnte Verf. die später erschienene
Schrift von Horst W. Schraepler über ,,Die rechtliche Behandlung
der Täufer in der deutschen Schweiz, Südwestdeutschland
und Hessen 1525—1618" (in: Schriften z. Kirchen- u. Rechtsgeschichte
, 4. Osiander Tübingen 1957) nicht mehr benutzen.
Nach außen ergab sich für Ott Heinrich die Aufgabe der politischen
Einigung reformatorisch gesonnener Reichsfürsten und
Stadtobrigkeiten gegenüber tridentinischer Aggression; dabei
ist vor allem sein vergeblicher Kampf um die Freistellung der
Religion besonders bemerkenswert. — Schließlich seien noch formale
Mängel und fünf weitere materiale Wünsche angemerkt:

Es ist bedauerlich, daß eine so fleißige und für die begrenzte Aufgabe
recht wertvolle Studie — über die Schwäche der Darstellungskraft
und eine gewisse Oberflächlichkeit und Widersprüchlichkeit des Charakterbildes
Ott Heinrichs vgl. besonders Ritter a. a. O. — in einer so
namhaften Reihe wie die der „Sduiften des Vereins für Reformationsgeschichte
" in einer heute doch recht mangelhaften Form gedruckt
wurde: Die — in Kriegs- und Notzeiten verständliche — Anmerkungsfeindlichkeit
vieler Verleger sollte 1956 nicht mehr wirksam geworden
sein: Anmerkungen gehören als Fußnoten auf die betreffende Seite
und nicht kapitelweise gezählt (dann schon besser völlig durchnumeriert
, um das Nachschlagen zu erleichtern) fortlaufend an den
Schluß des Buches; umfangreichere Quellenauszüge, die diese Arbeit
auch nach Ritter mit Recht auszeichnen, hätten als Beilagen im Anhang
den umfangreichen Anmerkungsapparat entlasten können; ein Register
sollte bei einer wissenschaftlichen Publikation möglichst auch
nicht fehlen, wenigstens nicht in einer wissenschaftlichen Reihe. — Zu
den inhaltlichen Wünschen: 1.) Einer Einschränkung bzw. Revision bedarf
u.a. gewiß folgendes Urteil der Verf.: „Denn n u r um der Religion
willen betrieb er [Kf. Ott Heinrich] Politik — was die „reine
Lehre" nicht förderte, konnte ihn nicht zur Aktivität reizen" (S. 44;
Sperrung v. Rez.). Mit Recht weist Roth-Wesel a. a. O. darauf hin,
daß auch die Verf. ihr Urteil über Ott Heinrich „revidieren müsse". —
2.) Besonders treffend arbeitet Verf. die überaus wichtige politische
Rolle des Kanzlers Dr. Erasmus von Minckwitz heraus, der zwar aus
einer höchst einflußreichen kursächsischen Rätefamilie stammt und in
den Gefangenschaftsjahren Johann Friedrichs d. Ä. von Sachsen neben
Brück den größten Einfluß auf den Gefangenen ausübte, aber keinesfalls
, wie Verf. S. 111, Note 67, behauptet, vorher „der engste Vertraute
des sächsischen Kurfürsten" war, in dessen Dienste er ja erst in
seinen allerletzten Regierungsjahren als Kurfürst trat; wenn man überhaupt
von „dem" engsten Vertrauten des sächs. Kurfürsten Joh. Friedrich
d. Ä. reden kann, so war das kein anderer als der „alte Kanzler"
Dr. Gregor Brück-Pontanus, der sog. Reformationskanzler und Mitverfasser
der Augustana (vgl. E.Fabian: Dr. Gregor Brück 1557—1957, in:
Schriften z. Kirchen- u. Rechtsgeschichte, 2. Osiander Tübingen 1957).—
3-) S. in, Note 68, versteht Verf. offenbar den Begriff „alter Kanzler'
nicht, der doch einfach „ehemaliger" Kanzler bedeutet (vgl. E.Fabian:
Die Entstehung des Sdimalkald. Bundes usw., in: Schriften z. Kirchen-
u. Rechtsgeschichte, 1. Osiander Tübingen 19 56, S. 9). — 4.) Bei dem
S- 129, Note 19, erwähnten „Landsknechtsführer Bemelburg" wird es
sich um Konrad von Boineburg gehandelt haben (vgl. Neue Dt. Biogr.
2. Bd., 1955, S. 425 f.). — 5.) Ein heute wieder besonders diskutiertes
Problem einer Neuformulierung von Grundbegriffen der Reformationsund
Kirchengcschichte (vgl. E. W. Zeedens Forschungsbericht in: Saecu-
lum. 7. 1956, S. 321 ff.) schneidet Verf. S. 69 an: „Mit der Charakterisierung
des evangelischen Glaubens als des „uralten", wenn die Papisten
sich weiter als „alt" bezeichnen würden, hat Ottheinrich sich
unbewußt selbst das Urteil bestätigt, Nachzügler aus dem Anfangsstadium
der Reformation zu sein." Wenn wir auch die aus der damali-
8en Konfessionspolemik gebräuchliche Bezeichnung „Papisten" ablehnen
, so distanzieren wir uns aber auch von der von der Verf. sonst
dafür gebrauchten Benennung „Katholiken", die von vielen „Evangelischen
" oft gedankenlos nachgesprochen wird, ohne dabei zu bedenken
, daß nach der Bildung reformatorischer Konfessionen wie der Au-
Sustana oder der „reformierten" Bekenntnisse und dem Abschluß der
tr'dentinischen Konfession die abendländische „katholische Kirche
Mt heute gespalten wurde und alle genannten Konfessionen ihren

Anspruch auf Katholizität erheben und den „alten" bzw. „uralten"
Glauben — wie Ott Heinrich — für wahr halten; deshalb sollte es nicht
länger angehen, nur einer dieser Konfessionen das Prädikat „katholisch
" zuzubilligen, sondern entweder in Analogie zu der amtlichen Bezeichnung
„römisch-katholisdi" auch die anderen Konfessionen mit
dem Zusatz „katholisch" zu bezeichnen („augsburgisch-katholisch",
„reformiert-katholisch") oder aber und wohl besser bei allen genannten
Bekenntnissen die Bezeichnung „katholisch" fallen zu lassen
und sich mit „römisch" oder besser „tridentinisch" bzw. „reformatorisch
" oder im einzelnen: „augsburgisch" (bzw. „lutherisch") oder „reformiert
" zu begnügen.

Trotz solcher und anderer Wünsche war es recht begrüßenswert
, daß der Verein für Reformationsgeschichte diese aufschlußreiche
Dissertation durch die Aufnahme in seine Reihe einer
weiteren Öffentlichkeit im Druck zugänglich machte und damit
mancherlei Anregungen bot, vor allem für eine etwaige künftige,
breiter angelegte, besondere Untersuchung der Religionspolitik
Ott Heinrichs, nicht nur in seiner Kurfürstenzeit, sondern auch
schon während seiner Neuburger Regierungsjahre.

Tübi ngen Ekkehart Fa b ia n

S'irala, Aarna: Gottes Gebot bei Martin Luther. Eine Untersuchung
der Theologie Luthers unter besonderer Berücksichtigung des ersten
Hauptstückes im Großen Katechismus. Helsinki 1956; in Komm.
Evangelisches Verlagswerk Stuttgart. 364 S. 8° = Schriften der Lu-
ther-Agricola-Gesellschaft, Band 11. DM 16.80.

Luther selbst hat in einem Brief vom Jahre 1537 an W. Ca-
Pito nur zwei seiner Schriften voll anerkannt: de Servo arbitrio
et Catechismum (WA Br. 8, 99, 7 f.). Hier also muß der „echte"
Luther zu finden sein! So auch A. Siirala. Der Untertitel der vorliegenden
Monographie gibt die Absicht des Verf.s bekannt,
'.Eine Untersuchung der Theologie Luthers unter besonderer Berücksichtigung
des ersten Hauptstückes im Großen Katechismus"
vorzulegen. Man darf also eine Antwort darauf erwarten, inwieweit
das erste Hauptstück des Großen Katechismus als ein Kriterium
für die Theologie Luthers angesehen werden darf.

Zunächst gilt es aber, einige Grundbegriffe zu klären: der
Inhalt des Ausdruckes „Gottes Gebot" kann durch eine kurze
begriffliche Definition nicht erfaßt werden. Deshalb versucht S.,
in einem vorbereitenden Kapitel „Gottes Gebote und Gott als
Gebieter" eine kurze Charakteristik der Zusammenhänge zu geben
, in der Luther von „Gottes Gebot" spricht. Er begnügt sich
hierbei nicht, allein den Großen Katechismus daraufhin zu untersuchen
. Das gesamte Schaffen Luthers wird unter diesem Gesichtspunkt
befragt (und dae ohne ein zuverlässiges Register, das es
leider bis zum heutigen Tage noch nicht gibt! Der Registerband
von Walch* kann doch nur als ein vorläufiges Hilfsmittel angesehen
werden, und das Buchwaldsche Register in Weimar [handschriftlich
] wartet noch 6einer Bearbeitung und Durchdringung).
Schließlich kann S. feststellen, daß Luther zwar in vielen Stücken
seine Meinung revidiert hat; in dieser Frage aber ist Luthers
Auffassung in all den Jahren annähernd die gleiche geblieben.

Der erste Hauptabschnitt der eigentlichen Darstellung „Gottes
Gebieten in seinen Geboten" weist zunächst auf die Tatsache
hin, daß Luther ständig das erste Gebot ganz besonders hervorhebt
. Der Verf. greift mutig die problematische Frage des Verhältnisses
von Gott und Mensch auf; wie steht es mit den
Wechselbeziehungen zwischen Gottes Gebot und menschlicher
Erfahrung? Wenn S. auch die These aufstellt: „Die Schrift und
die Erfahrung sprechen in gewissem Sinne die gleiche Sprache"
(S. 54), so wird hier doch keineswegs einer natürlichen Theologie
bei Luther das Wort geredet (vgl. dazu die Ausführungen
bei H. Ostergaard-Nielsen, Scriptura Sacra et viva vox. Eine
Lutherstudie 1957, S. 11 ff.). An Hand einer langen Reihe von
Lutherzitaten stellt S. in steter Auseinandersetzung mit Erasmus,
bzw. De servo arbitrio fest: „Wenn Luther bei seiner Auslegung
der Gebote an die Erfahrung des Menschen anknüpft, will er sie
stets niederreißen" (S. 57). Die „Erfahrung", die der Mensch
unter der Führung Luthers macht, ist diese, daß man Gott und
sich selbst nur dadurch kennenlernen kann, daß man die Gebote
Gottes erfüllt (S. 69). Gottes Gebot ist nicht ein Sollen, das dem
menschlichen Glückseligkeitsverlangen gegenübersteht, sondern
es will den Menschen zum Leben erwecken, es ist „eine herzliche
Zuversicht alles guten", ein Ruf zum Leben (99 f.). Wohl gibt