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Ausgabe:

1958 Nr. 6

Spalte:

435-436

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Krumwiede, Hans-Walter

Titel/Untertitel:

Das Stift Fischbeck an der Weser 1958

Rezensent:

Schmidt, Heinrich

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Seite 1

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435

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 6

436

Kirche gewidmet ist. Hier findet der Leser auch wertvolle Profile
führender Persönlichkeiten des neueren tschechischen Protestantismus
, so die besonders aufschlußreiche Interpretation der theologischen
Arbeit Hromädkas, die bereits in die neueste Zeitperiode
seit dem Beginn des zweiten Weltkrieges hinweist
(Kap. XV). Eine Bibliographie in Auswahl, doch reichhaltig genug
, um einen Überblick über die tschechische Kirchengeschichtsschreibung
dem deutschen Leser zu bieten, eine Anweisung zur
Aussprache tschechischer Namen und eine übersichtliche Orientierungskarte
von Böhmen und Mähren machen das Buch zu
einem wertvollen Wegweiser auch für ein weiteres Studium.

Die ruhige Darstellung Ricans verzichtet auf weitläufige ge-
schichtstheologische Betrachtungen. Wenn er auch stets dem bekennenden
Gedankengut der böhmischen Reformatoren nachgeht
, so gilt sein Interesse doch besonders den Lebensäußerungen
der tschechischen Kirche und der schlichten aber schwerwiegenden
Frage, inwiefern sie dem erkannten Evangelium, inmitten
wechselnder politischer und sozialer Verhältnisse, treu geblieben
ist. Nur belegbare Tatsachen führt er ins Feld. Man kann wohl
in manchem andere Interpretationswege einschlagen. Ich würde
zum Beispiel den ersten tschechischen Heiligen — Wenzel —
(S. 15—16) doch mehr als eine durch Legenden geformte Symbolgestalt
, die einem ganz gewiß feudalen Zivilisationsideal dienstbar
gemacht wurde, sehen, oder wieder die Zahl der adeligen Familien
, die nach 1620 emigrierten, geringer schätzen (128). Den
Änderungen der gesellschaftlichen Struktur und ihrer Einwirkungen
auf die soziologische Gestaltung der Gemeinden hätte
mehr Platz eingeräumt werden können. Dies sind aber meistens
Ermessensurteile, die die verläßliche Leistung des Verfassers
keineswegs entwerten können. Dem Buche ist volle Beachtung zu
wünschen, nicht nur von Lesern, denen es um ein tieferes ökumenisches
Verständnis zu tun ist, sondern auch von Kirchenhistorikern
, die um geschichtliche Wahrheit bemüht sind.

Theologische Bedenken, die im Blick auf den Titel „Reich
Gottes in den böhmischen Ländern" entstehen, sind allerdings
sehr berechtigt, sollten aber dem Verfasser, der sein Buch nüchtern
als das, was es tatsächlich ist, nämlich Geschichte des tschechischen
Protestantismus genannt hat, nicht zur Last gelegt
werden.

Einige Druckfehler in den tschechischen Namen sind wohl begreifend
zu entschuldigen, andere weniger z.B. S. 111, Z. 23 statt s c h 1 e -
s i s c h e s lies schlesischen, Z. 26 statt eine lies seine,
Z. 38 6tatt Tschechen lies T e s c h e n u. ä. m.

Prag AmedeoMolnar

Krumwied e, Hans-Walter: Das Stift Fisdibeck an der Weser. Untersuchungen
zur Frühgeschichte 955—1158. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1955. 137 S. 1 Tab. gr. 8°. Kart. DM 12.80.

Da6 Buch, veranlaßt durch das tausendjährige Jubiläum des
einstigen Kanonissenstiftes, jetzigen evangelischen Damenstiftes
Fischbeck 1955, will angesichts der nur wenigen vorhandenen
Urkunden zur Stiftsgeschichte im früheren Mittelalter bewußt
keine zusammenhängende Darstellung geben, sondern reiht mehrere
Untersuchungen zu bestimmten, durch die Quellen aufgegebenen
Problemen aneinander. K. macht aus der Not der dürftigen
Quellenüberlieferung einer der Interpretation dienende
Tugend: Die Geschichte spreche nur dort vernehmbar, „wo der
Kampf um Recht und Macht entbrennt, wo Gefährdetes gesichert
werden, wo Veraltetes zerschlagen werden soll", und also seien
die dem Historiker aufgegebenen Probleme des Stiftes Fischbeck
in seiner Frühzeit „in erster Linie Probleme seiner Rechtsstellung
" (S. 77). So handelt von dem Stift als geistlicher Anstalt
nur das — überwiegend auf der allgemeinen Literatur über die
Kanonissenstifter beruhende — 4. Kapitel des Buches. Durch die
insgesamt 7 Kapitel verfolgt K. die Tendenz, die sich vom „monotonen
Grau der Rechtssystematik" abhebende, „in den Quellen
sich abzeichnende historische Individualität in ihrem eigenen
Sein zu erfassen" (S. 127). Er sieht die historische Individualität
des am 10. 1. 95 5 gegründeten (Kap. l), kaum noch in den Zusammenhang
der vom Kloster Fulda ausgehenden Sachsenmission
gehörenden (Kap. 2) Kanonissenstiftes Fischbeck angelegt in seiner
Gründung durch die Matrone Helmburg, die in einer umfangreichen
, komplizierten genealogischen Untersuchung als Angehörige
der in der fränkisch-sächsischen Geschichte des 9. Jhdt.s
mächtigen Sippe der Ecbertiner wahrscheinlich gemacht wird
(Kap. 3). Macht und Einfluß dieser Sippe in Sachsen waren im
10. Jhdt. an die Liudolfinger (Ottonen) übergegangen; so konnte
die ecbertinische Gründung Fischbeck nur mit relativ geringem
Besitz ausgestattet werden und erreichte niemals die Bedeutung,
wie sie etwa die liudolfingischen Stiftungen Gandersheim und
Quedlinburg hatten. Dies Gesetz, nach dem es angetreten —
Stiftung einer sinkenden Familie zu sein —, bestätigt sich in seiner
Rechtsstellung. In seiner ausgreifenden Untersuchung über
die Problematik von Immunität, Vogtei und Unabhängigkeit
(Kap. 5) kommt K. zu dem Ergebnis, das Stift sei, unabhängig
unter den König gestellt, wegen seiner Schwäche besonders
schutzbedürftig gewesen; die Gründungsurkunde Ottos des Großen
von 955 erweise es daher als ein „königliches Schutzkloster
im speziellen Sinne". Diese besondere Form der Königsvogtei
wird unterschieden von der Bestimmung über den König als
Vogt des Stiftes Quedlinburg in der Urkunde Ottos I. für
Quedlinburg 936: Hier sei vor allem daran gedacht, ottonische
Königsherrschaft und Besitz des Familienstiftes ungeschieden zu
erhalten. So ansprechend der Gedanke ist, die besondere Situation
Fischbecks bedinge eine besondere Form der Königsvogtei,
so wenig dürfte freilich die — auf einem offensichtlichen Mißverständnis
des Textes beruhende — Interpretation der Quedlinburger
Urkunde allgemeine Anerkennung finden. Seine besondere
Rechtsstellung rettet die Unabhängigkeit Fischbecks noch zwei
Jahrhunderte nach seiner Gründung: Als König Konrad III. die
Stifter Fischbeck und Kemnade 1147 dem Kloster Korvey schenkte,
Kemnade als abbatia regalis auch in dessen Besitz überging,
konnten der Obervogt Fischbecks, Heinrich der Löwe, und der
Untervogt Graf Adolf von Schaumburg die Unabhängigkeit des
Stiftes vermutlich mit Hinweis auf den ihr gegebenen speziellen
Königsschutz bewahren. Eine bestechende These, welche die
Frage nicht ausschließt, ob nicht auch näherliegende Motive die
Vögte zum Kampf um Fischbecks Unabhängigkeit bewogen haben
könnten — die Äbtissin war mit Graf Adolf verwandt! Abschließend
(Kap. 7) untersucht K. das von einigen als Fälschung
angesehene, von H. Goetting als echt verteidigte Exemtionspri-
vileg Papst Hadrians IV. für das Stift vom 11. Mai 1158, hält
es, Goettings Gesichtspunkte verstärkend, für echt und versteht
es als eine das Stift zwar nicht aus dem Diözesanverband des
Bistums Minden herauslösende, aber seine Immunität gegen den
Mindener Bischof sichernde Privilegierung.

K.s Arbeit ist eine wertvolle Zusammenstellung und Interpretation
der Quellen zur Frühgeschichte eines kleinen Stiftes,
ein bereichernder Beitrag zur Kirchengeschichte Niedersachsens
im früheren Mittelalter. Darüberhinaus greift sie in origineller
Weise allgemein wichtige Probleme der kirchlichen und „staatlichen
" Verfassungsgeschichte jener Zeit auf und zieht ihren
Wert nicht zuletzt aus den in ständigem Gefecht mit der Fachliteratur
gewonnenen, im Bemühen um die Erfassung historischer
Individualität formulierten, gelegentlich eigenwilligen und stets
anregenden Thesen des Verfassers.

Marburg/Lahn Heinridi S c h m i d t

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Blaise, Albert: Manuel du Latin Chretien. Strasbourg: Le Latin
Chretien 1955. 221 S. 8°. ffr. 650.—.

Dieses hübsche Handbüchlein war ursprünglich als Einführung
zu des Verfassers „Dictionnaire latin-francais des auteurs
chretiens" (Straßburg 1955) geplant. Aber wegen der Fülle des
Materials wurde zuletzt eine Separat-Ausgabe bevorzugt.

351 kleine Abschnitte beschreiben kurz, in welchen Fällen
die christlichen Schriftsteller von den Normen der klassischen
lateinischen Grammatik und klassischen Stilgesetzen abweichen:
der Unterschied zwischen klassischen und christlichen (oder spätantiken
) Schriftstellern wird in einigen prägnanten Zeilen angedeutet
; es folgen einige genaue Belegstellen aus den lateinischen
Bibelübersetzungen oder den Werken der Kirchenväter, wenn