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Ausgabe:

1958 Nr. 6

Spalte:

409-410

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Riemschneider, Margarete

Titel/Untertitel:

Homer 1958

Rezensent:

Wolterstorff, Gottfried

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Seite 1

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409

Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 6

410

Die Lektüre der vorliegenden Arbeit ist nicht besonders angenehm
, weil die umständlich abstrakte, scholastisch zugespitzte
Art der Darstellung des Verf.s in dem denkbar stärksten Gegensatz
zu der konkreten Prägnanz und wundervollen Lebensnähe
der Aussagen der hebräischen Propheten steht. Diese oft ekstatisch
inspirierten, lyrischen Dichterworte werden vom Verf. beinahe
als dogmatische Traktate interpretiert und in eine philosophische
Sprache modernen Datums transponiert. So sagt er S. 97:
„Das ist nicht so zu verstehen, als ob die Aussage von Jes. 2, 2
ganz ins Geistige verflüchtigt werden müßte, wohl aber so, daß
das Verständnis im Bildhaft-Realen ruht, d. h. in einer noch
zukünftigen idealen Realität, die eben selbst
auch ein Ereignis der eschatologischen Verwandlung sein wird."
Wie würde auf Hebräisch der Ausdruck „zukünftige ideale Realität
" wohl lauten, d. h. in der klassischen Sprache des AT?

Uppsala Geo Widengren

Riemschneider, Margarete: Homer. Entwicklung und Stil.
2., durchges. Aufl. Leipzig: Koehler & Amelang 1952. 230 S. gr. 8°.
Lw. DM 8.50.

Die Verf. stürzt in dem genannten Buch so ungefähr alles um, was
bisher über die angebliche Person Homers, über Art, Aufbau und Entstehung
der beiden homerischen Epen, im besonderen der Ilias, über
sachliche Einzelheiten, die in ihnen gebracht werden, und über die
Götterwelt jenes Zeitalters gesagt und gelehrt worden ist. „Die homerischen
Epen haben das merkwürdige Schicksal gehabt, geliebt oder
gehaßt, stets mißdeutet zu werden" (S. 163). Selbst Piaton sich überlegen
fühlend, stellt sie fest, daß er Homer „weit mehr mißversteht,
als nötig gewesen wäre" (ib.). Als sonderbare Zumutung muß man
empfinden, den Götterschwank als die beabsichtigte Grundlage der gesamten
Ilias, die trotzdem andererseits das „tränenreichste Buch der
Welt" (ib.) geworden sei, ansehen und sich einreden zu sollen, daß sie
sich aufbaue ausgerechnet auf die Aiog &ndrtj (S. 33), und parodistische
Absichten seien „Ausgangspunkt und Ziel" der homerischen Dichtung
(S. 12). In entsprechend ernstlosem, burleskem Ton wird das angeblich
Schwankhafte der von ihr ins Burleske verzerrten Ilias denn auch empfindungsgemäß
dem zumindest staunenden Leser nahezubringen versucht
: von den Göttern ist Zeus „zum Familientyrann herabgesunken"
(S. 18); die homerische Götterwelt ist nichts anderes mehr als „ein
Hausstand mit Zeus als Hausvater, mit einer sehr tugendhaften, aber
eigensinnigen Gattin, einigen widerspenstigen Kindern und Pflegekindern
, mit zwei Onkeln, zwei auf dem Altenteil sitzenden Großeltern
und viel Personal" (S. 19): Hephaistos ist „der gutmütige Taps",
„der einen kleinen Sparren zu viel hat" (S. 2 8) u.s.f.

Immerhin ist es erfreulich, daß Verf. ältere und jüngere Teile voneinander
trennt: S. 31. 49. 210 u. a. O.; S. 135 liest man die zutreffende
, mit dem vermeintlichen «wir»;-Fundament freilich kontrastierende
Bemerkung, Buch XI sei der Volleinsatz der eigentlichen Ibas.
Aber 60 unbedeutende Dinge wie Anreden zum Kriterium für kompo-
sitionelle Zeitansätze zu nehmen (S. 210 ff.), ist doch wohl übertriebene
Wägung.

Nebenbei erfährt man allerlei Biographisches über Homer: über
den jungen wie über den späten und reifen Homer; bcispielshalber
über seine Neigung, „gern ein bißchen in verstaubtem Kram" herumzuwühlen
(S. 126) u. v. a.

Zum Schluß der umwälzenden Deutungen aber scheint die Spannkraft
der Verfasserin doch nachzulassen: nachdem schon S. 2 5 „Hermeshymnus
519" statt 516 zu lesen gewesen ist, mehren sich die Setz-,
Sach- und Druckfehler am Ende des Buches: S. 187, Z. 11 ist „Ilias"
zu lesen statt „Odyssee"; S. 202, Z. 11 evre statt evyr'; S. 204, Z. 8
v- u. i&elcov e&eXovaav statt heXcov hclovaav, das gar noch als
figura etymologica gedeutet werden soll; S. 208, Anm. 1, wo Verf.
fälschlich aus Cicero, Cat. I, und das gar erst durch Vermittlung ihres
immer und immer wieder zitierten (ich zähle 24 Zitierungen) Lehrers
Franz D o r n s e i f f, als „Triade" das berühmte, auf den aus Rom
entwichenen Catilina bezogene Wort effugit, evasit, erupit anführt,
statt zu wissen und zu bedenken, daß dieses doch erst nach Catilinas
Fortgang, nicht also schon in Cat. I hat gesprochen werden können,
drum frühestens erst in Cat. II stehen konnte und dort II, 1 steht, dort
aber, wie früher jeder Sekundaner wußte, lautet: exiit, excessit,
evasit, erupit, demnach auch gar keine „Triade", sondern viergliedrig
(also etwa eine „Quadriade"!) ist. Im übrigen sind „Triaden" nichts
Seltenes; man lese nur eifrig Cicero! — Auch der Schluß der Einführung
D o r n s e i f f' s (S. 5) enthält einen schweren, gewiß auch von M.
Riemschneider verschuldeten Irrtum: „Ibas Buch 11, die sog.
Doloneia" statt: „Buch 10". — Falsch hat Verf. S. 167 Ilias 1, 2 übersetzt
: „Achilleus..., welcher ungezählten Achaiern Kummer bereitete"

statt: „ . . . welcher den Achaiern ungezählte Leiden (unendlichen Kummer
) bereitete".

Man legt das Buch unzufrieden und mit Unbehagen ab.

Erfurt Gottfried Wolterstorff

Chung-Yuan Chang: Tao as inner experience.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte X, 1958 S. 15—23.
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Biblica 38, 1957 S. 113—129.

ALTES TESTAMENT

Les manuscrits de la Mer Morte. Colloque de Strasbourg 25—27 mai '
'955. Paris: Presses Universitäres de France 1957. IV, 139 S. gr. 8°
Bibliotheque des Centres d'Etudes superieures specialises. Tra-
vaux du centre d'etudes superieures specialise d'histoire des Religions
de Strasbourg, ffr. 500.—.

Gegenstand des 195 5 in Straßburg geführten religionsgeschichtlichen
Kolloquiums war der am Toten Meer gemachte
Handschriftenfund, der mit Recht seit einem Jahrzehnt die Augen
der ganzen Welt auf sich lenkt. Die bei diesem Kolloquium gehaltenen
Referate, 8 an der Zahl, werden in dem vorliegenden
Buche wiedergegeben (S. 1—125), samt einer Zusammenfassung
«er Aussprachen, die auf sie gefolgt sind (S. 127—138). Ein näheres
Eingehen auf die in den Referaten und in den Debatten
vorgetragenen Auffassungen ist leider unmöglich. Vielmehr muß
es hier bei der bloßen Nennung der Referenten und ihrer Themen
sein Bewenden haben, und es kann dem nur noch die Bemerkung
hinzugefügt werden, daß alle acht Vorträge zu dem von
j"en behandelten Gegenstand Bedeutsames zu sagen haben und
daß die Aussprache-Berichte sie nach manchen Seiten hin erfreulich
ergänzen. Der Genuß, den das vorliegende Buch im übrigen
dem Leser auf jeder Seite bereitet, wird leider dadurch etwas beeinträchtigt
, daß der Druck der hebräischen und der griechischen
Wörter und Sätze, die mitgeteilt werden, stellenweis, etwa auf
S. 77 f. 89 sehr fehlerhaft ist; hier scheint irgendein Mißgeschick
gewaltet zu haben. Indes ist das doch nur ein äußerlicher Schönheitsfehler
. Der Dank für das, was der vorliegende Bericht inhaltlich
bietet, kann dadurch nicht verdunkelt werden. Dies die
Namen der Vortragenden und die Titel ihrer Beiträge im einzelnen
: A. Dupont-Sommer, Les recherches sur les manuscrits
de la Mer Morte (1948—1955) avec reference speciale aux
rouleaux recemment publies en Israel (S. 1—23); J. v a n der
P 1 o e g, L'usage du parfait et de l'imparfait comme moyen de
datation dans le commentaire d'Habacuc (S. 25—35); Bo
R e i c k e, Remarques sur l'histoire de la forme (Formgeschichte)
des textes de Qumran (S. 37—44); Andre N e h e r, Echos de la
secte de Qumran dans la litterature talmudique (S. 45—60);
Oscar C u 11 mann, Secte de Qumran, Hellenistes des Actes et
Quatrieme Evangile (S. 61—74); K. G. Kuhn, Repas cultuel
es6enien et cene chretienne (S. 75—92); J. Schmitt, Contri-
bution ä I'etude de la diseipline penitentielle dans l'Eglise primitive
ä la lumiere des textes de Qumran (S. 93-109); Jean
D a n i e 1 o u, Eschatologie sadocite et e6chatologie chretienne
(S. 111-125).

Halle/Saale Otto EiBfeldt