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Ausgabe:

1958 Nr. 6

Spalte:

407-409

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Groß, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Idee des ewigen und allgemeinen Weltfriedens im alten Orient und im alten Testament 1958

Rezensent:

Widengren, Geo

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 6

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und daß umgekehrt in der Heimkehr des Sohnes der Mensch aus
seiner Gnadenfeindschaft heimgebracht wird, ist nach Berkouwer
in ihrem ersten Teil ein „neuer Theopaschitismus". Die Geschichtlichkeit
des Mittlers wird von außerhalb der Geschichte
her aufgehoben. Damit aber geschieht nach Berkouwer letztlich
eine „Theodizee des Kreuzes" (291): der Gottesbegriff, der Leiden
und Erniedrigung bereits mit umschließt, macht das Kreuz
zum logisch einsehbaren Ereignis, dem keine „Antinomie" mehr
anhaftet. Berkouwer verfolgt diesen Gedanken bis in das Problem
„Evangelium und Gesetz" zurück — im Grunde ist seine
Vorstellung die, daß die „Theodizee des Kreuzes" das Gesetz um
seinen für den Menschen wirksamen und a n dem Gekreuzigten
sich austobenden Ernst bringen würde.

Wollte man die bisher kurz erwähnten Einwände Berkouwers
zusammenfassen, so müßte man sagen, daß er bei Barth die volle
Beachtung der geschichtlichen Tat Gottes und der geschichtlichen
Antwort des Menschen vermißt und befürchtet, es könne hier
alles in einem außergeschichtlichen Objektivismus aufgehen.
Diese Besorgnis zeigt sich schließlich und erst recht, wenn Berkouwer
über den „eschatologischen Triumph" spricht. Barths Widerspruch
gegen die überkommene Unsterblichkeitsanschauung
gründet sich einerseits darauf, daß Jesus Christus, indem er
Mensch war, sterblich war — ist die Anthropologie an der Chri-
stologie gewonnen, so kann die These von der Unsterblichkeit
der Seele nicht christologisch begründet werden, und sie ist also
falsch. Wichtiger findet jedoch Berkouwer, daß für Barth der
Tod überhaupt zur Geschöpflichkeit des Menschen gehört und
sich damit die biblische Beziehung zwischen Tod und Sünde löst.
Berkouwer wehrt sich mit aller Kraft und einer Fülle von biblischen
Argumenten gegen das, was er bei Barth „Begrenzungsproblematik
" nennt. Er findet, daß die Zuordnung des Todes zur
guten Geschöpflichkeit notwendig den „Triumph" Jesu Christi
über den Tod als Macht verdecken müsse. Wieder geht es Berkouwer
um das innerzeitliche Geschehen und um dessen eschato-
logische Überwindung. Er faßt zum Schluß — unter der Überschrift
: „Der Triumph und das Königreich" — seine Bedenken
zusammen: Barths apriorische und insofern objektivistische Gesamtsicht
macht das Kerygma entgegen seinem Sinn zu einer Mitteilung
, ja, entwertet es überhaupt. Wo aber das Kerygma vom
Reich in dieser Weise verblaßt, da ist das Reich schon vorweg da,
und die Überwindung des Dämonischen im Geschehen der Aufrichtung
des Reiches verliert ihren Sinn, weil das Dämonische
selbst vorweg zur ontologischen Unmöglichkeit gemacht ist.

Dem Urteil Barths ist im Blick auf Berkouwer ebensowenig
etwas hinzuzufügen wie im Blick auf Küng. Beide Autoren haben
es verdient, mit ganzem Ernst zu Gehör zu gelangen und die
Ausführlichkeit des Berichts mag sich von daher rechtfertigen.
Berkouwer hat sehr tief gebohrt — nicht selten Konsequenzen
ausgezogen, die bei Barth in dieser Weise schwerlich gemeint
sind —, aber er hat auf Gefahren der Konzeption Barths hingewiesen
, ohne deren Grundmotiv in Frage zu ziehen. Er hat das
„Gespräch" über Barth in ungewöhnlicher Weise gefördert. Es
wäre freilich gut, er hätte schon Barths ausführliche Pneumatolo-
gie und Ekklesiologie vor Augen gehabt (KD IV, 2 hat er nicht
mehr berücksichtigen können). Es hätte sich ihm dann wohl gezeigt
, daß und in welcher Weise Barth auch seiner eigenen Kritik
positiv antwortet. Man kann hoffen, daß nach KD IV, 2 jedenfalls
manche Konsequenz nicht mehr gezogen werden wird, die
sich vorher nahelegte und ja auch von anderen vorgebracht worden
ist.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Gross, Heinrich, Prof. Dr. Lic. bibl.: Die Idee des ewigen und allgemeinen
Weltfriedens im Alten Orient und im Alten Testament.

Trier: Paulinus-Verlag 1956. XVIII, 185 S. gr. 8° = Trierer Theol.
Studien Bd. 7. DM 19.80.

Diese Schrift bietet den folgenden Inhalt: Zuerst wird die
Idee des Weltfriedens im Alten Orient untersucht, und zwar in
1. Ägypten, 2. Sumer, 3. Babel-Assur, 4. Ugarit, 5. Hettiter-
Reich, mit einem Anhang über die Weltfriedensidee in der klassischen
Antike, insbesondere in Virgils 4. Ekloge. Was dieser
Anhang hier zu schaffen hat, ist indessen nicht leicht einzusehen,
da ja keine geschichtlichen Verbindungen zwischen dem alten Israel
und dem augusteischen Rom jemals existiert haben. Es ist
für eine mit exakten Methoden arbeitende religionsgeschichtliche
Wissenschaft selbstverständlich, daß das wirre Zusammenraffen
von allerlei sogen, religionsgeschichtlichen Parallelen für einen
geschichtlich-genetischen Vergleich nichts zu bieten hat.

Anderseits sucht man vergebens eine Analyse der iranischen
Gedanken über ein Friedensreich, Gedanken, die doch offenbar
für die spätere Entwicklung der Idee des Weltfriedens von großer
Bedeutung gewesen sind. Der Hinweis des Verf.s (S. 157,
Anm. 8) auf die jetzt veraltete Arbeit von Dürr, Ursprung und
Ausbau der israelitisch-jüdischen Heilserwartung, entschädigt dafür
wahrlich nicht, da 6ie eben, was den iranischen Stoff betrifft,
sehr unzureichend ist. Man versteht wirklich nicht, warum der
Verf. dem Problem der iranischen Einwirkungen aus dem Wege
gegangen ist (doch vgl. eine Vermutung am Ende dieser Besprechung
). Übrigens vermißt man in diesem Abschnitt u. a. einige
Werke, die für das behandelte Thema doch grundlegende Bedeutung
besitzen, nämlich Dhorme, La religion assyro-babylonienne;
Pallis, The Babylonian Akitu-Festival; Zimmern, Zum babylonischen
Neujahrsfest 1—2; Das babylonische Neujahrsfest; und
Jeanmaire, La Sibylle et le retour de l'äge d'or. In der „überreichen
Bibliothek" „des Päpstlichen Bibelinstitutes in Bonn"
(S. V) dürften wohl doch diese Bücher vorhanden sein, es sei
denn, das dieser Bibliothek gespendete Lob sei etwas übertrieben.

Der zweite Abschnitt behandelt den Weltfrieden nach den
Vorstellungen des Alten Testaments, und zwar erstens die Vorstellung
selbst vom Frieden mit Untersuchung der Ausdrucksformeln
und der inhaltlichen Bestimmungen, um dann eine Darstellung
des at.-lichen Friedensbildes und eine Analyse der Herkunft
der Motive geben zu wollen. Der Verf. geht dann dazu
über, den Gedanken der Verwirklichung des Friedens zu untersuchen
. Hier beschäftigt er sich mit den Gestalten der verschiedenen
Friedensbringer, mit der Erlangung des Friedens in der
Eschatologie und mit den Bedingungen zur Erlangung und Erhaltung
des Weltfriedens. Das Ergebnis der Untersuchung wird
zuletzt gegeben: u. a. wird hervorgehoben — was nicht gerade
original ist — daß die ausgeprägt eschatologische Orientierung
des israelitisch-jüdischen Friedensgedankens ihn von den entsprechenden
ägyptisch-orientalischen Ideen unterscheidet. Da die
iranischen Einwirkungen eben in dieser Hinsicht seit mehr als
50 Jahren als anerkanntes Resultat feststehen, fragt man sich,
ob nicht die schon erwähnte Unterlassung doch etwas verdächtig
aussieht.

Auch in diesem Abschnitt sind die Hinweise auf die wissenschaftliche
Literatur, zumal die skandinavische, voller Mängel,
weil gar zu allgemein und unexakt gehalten, vgl. z.B. S. 91,
Anm. 71—72; S. 93, Anm. 77. Nicht ohne Erstaunen und Lächeln
bekommt der Referent zu wissen, daß er „in der Gefolgschaft"
von Engneil aufgetreten ist. Wenn der Verf. einen Blick auf die
Jahreszahlen der von ihm S. 2, Anm. 7 erwähnten Arbeiten (übrigens
eine recht dürftige Bibliographie) geworfen hätte, wäre es
ihm leicht gewesen festzustellen, daß die Schrift des Ref. über
Ps. 110 und das sakrale Königtum in Israel (beiläufig gesagt ist
der schwedische Titel falsch gedruckt) schon 1941 erschien (übrigens
als Zusammenfassung von im Jahre 1938 an der Universität
Uppsala gehaltenen Vorlesungen), während die Dissertation
Engnells im Jahre 1943 publiziert wurde. Hätte er noch dazu
das Vorwort Engnells gelesen, hätte er schon finden können,
in wessen Gefolgschaft wer aufgetreten ist.

Eine Auseinandersetzung mit Zielsetzung und Methode
des Verf.s kann hier nicht gegeben werden, das würde zu weit
führen. Nur sei hier wenigstens bemerkt, daß der Verf. sich nicht
mehr um den geschichtlichen Zusammenhang der verschiedenen
at.-lichen Aussagen als um den wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang
kümmert.