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Ausgabe:

1958 Nr. 1

Spalte:

18-20

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Maringer, Johannes

Titel/Untertitel:

Vorgeschichtliche Religion 1958

Rezensent:

Behn, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 1

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Buonaiutis als sachlich vortrefflich und menschlich ansprechend
gerühmt werden.

Zwei Schüler und Freunde Buonaiutis, D o n i n i (ein
bekannter führender kommunistischer Politiker Italiens) und
N i c c o 1 i, haben eine Auswahl von Aufsätzen Buonaiutis aus
dem Gebiet des Neuen Testaments und der Kirchen- und Dogmengeschichte
herausgegeben, die ein deutliches Bild von der
wissenschaftlichen Arbeit des italienischen Modernisten vermitteln
". Sie sind mit der Akribie des kritischen Historikers aus den
Quellen gearbeitet und zeigen allenthalben die Vertrautheit des
Verfassers mit der deutschen protestantischen Forschung — es ist
kennzeichnend, daß die beiden meist zitierten Verfasser Adolf
von Harnack und Adolf Deißmann sind, dann folgt der belgische
Religionshistoriker Franz Ormont. Obgleich die Aufsätze, die
zerstreut erschienen sind (die Mehrzahl in den von Buonaiuti
herausgegebenen Zeitschriften), aus dem Jahr 1905—1929 stammen
, haben sie nicht an Aktualität verloren. Die lebendige Darstellung
macht die Lektüre zu einem Genuß. Diese ausgewählten
Aufsätze widerlegen in schlagender Weise die Vorwürfe mangeln-

•) B u o n a i u t i^Emestc»: Saggi di storia del Cristiancsimo a

cura di Ambrogio Donini e Mario Niccoli. Prefazione di Luigi Salva-
torelli. Viccnza: Neri Pozza Editore 1957. XV, 416 p. 8° = Biblioteca
di Cultura 17. L. 2.500.—.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Alani Kurt: Die Arbeiten der Deutschen Akademie der Wissenschaften
auf dem Gebiet der Religionsgeschichte. l.Aufl. 1955. 59 S.;
2., durch ein Register erweit. Aufl. 64 S. Berlin: Akademie-Verlag
1957. 8° = Deutsche Akademie der Wiss. zu Berlin. Vorträge und
Schriften H. 58. DM 3.80.

Diese Schrift — ein Vortrag des Verfassers, gehalten auf dem
VIII. Internationalen Kongreß für Religionsgeschichte in Rom
195 5, — wurde auf Beschluß der zuständigen Klasse in der Reihe
.Vorträge und Schriften' der Akademie zu Berlin (Heft 5 8) sofort
veröffentlicht und ist jetzt in zweiter Auflage wieder abgedruckt
unter Beifügung eines Namenregisters: ein Zeichen des
verdienten Wohlwollens, mit dem sie in der gelehrten Welt aufgenommen
worden ist.

Auf einen raschen Gesamtüberblick über die ersten 200 Jahre
des Bestehens der Berliner Akademie (bis 1900) folgt eine mehr
ins einzelne gehende Untersuchung der gegenwärtigen Epoche
unter besonderer Berücksichtigung der von der Akademie unternommenen
— oder sonst irgendwie mit ihr verbundenen — Arbeiten
und Veröffentlichungen der letzten Jahre nach Wiederaufnahme
der Tätigkeit im Jahre 1946.

Schon in der von Leibniz entworfenen Stiftungsurkunde der
Akademie (1700) findet man u.a. die Kirchengeschichte und die
missionarischen Bestrebungen erwähnt, aber diese programmatischen
Äußerungen blieben toter Buchstabe. Durch die Reform von
1744 wurde unter dem Zeichen der Aufklärung die Religion der
Zuständigkeit der Philosophie überlassen und die Theologie an
zweite Stelle verwiesen, ungeachtet der Zugehörigkeit einiger
hervorragender Vertreter wie Schleiermacher (1810). In Kürze
gewann der Geist der historisch-philologischen Forsdiung die
Oberhand und setzte sich immer mehr im Laufe des 19. Jahrhunderts
und darüber hinaus bis heute durch. Harnack, Troeltsch,
Holl, Lietzmann werden Mitglied der Akademie und wirken in
ihr nicht als Theologen, sondern als Philologen und Historiker.
Es ist die Epoche der großen Gemeinschaftsunternehmungen auf
den verschiedenen Gebieten der klassischen Altertumswissenschaft
, der Orientalistik, der Geschichte des Christentums: vom
Corpus Inscriptionum Latinarum" und von den „Inscriptiones
Graecae" bis zum „Wörterbuch der ägyptischen Sprache", von
den Veröffentlichungen der orientalistischen Kommission (Institut
für Orientforschung) bis zu denen der „Kommission für spätantike
Religionsgeschichte" („Die Griechischen Christlichen
Schriftsteller der ersten Jahrhunderte", „Texte und Untersuchungen
zur Geschichte der altchristlichen Literatur") usw. Zu diesen
6ind schließlich noch hinzugekommen die Wiederaufnahme der

der wissenschaftlicher Originalität, Objektivität und Sorgfalt,
welche gegen Buonaiuti sein Widersacher Grasso erhoben hat.

Die Aufsätze, welche einen ungleichen Umfang haben, behandeln
im einzelnen folgende Gegenstände: Cäsar oder Christus? [das Problem
des Kaiserkultes] (1—8) — Der heidnische und der christliche Begriff
Parusia (9—22) — Die Bezeichnungen für Liebe im Neuen Testament
(23—39) — Paulus und Apollos (41—60) — Die frumentarii und das
römische Gefängnis des heiligen Paulus (61—70) — Der philosophische
und der religiöse Synkretismus in den ersten christlichen Jahrhunderten
(71—78) — Die Begriffe Schisma und Häresie in der urchristlichen
Literatur (89—100) — Der Chiliasmus des Irenaus (101—117) — Marcion
und das lateinische Neue Testament (119—130) — Eine religiöse
Polemik des 3. Jahrhunderts [Origenes' Werk gegen Celsusj (131—151)
— Das erste Menschenpaar im manichäischen System (153—172) —
Das Urchristentum und die Politik des kaiserlichen Rom (219—257) —
Das Christentum im römischen Afrika (259—281) — St. Augustinus als
Theoretiker des Bewußtseins (283—301) — Augustinus und die Erbschuld
(303—325) — Prolegomena zur Geschichte des Joachim von
Fiore (327—362) — Die Mystik des Joachim von Fiore (363—381) —
Der Ursprung des Christentums und die franziskanische Bewegung (383
—398).

Das Andenken an diesen mutigen Herold und leidensreichen
Kämpfer verdient in allen ökumenischen Christen lebendig gehalten
zu werden.

Arbeiten am „Corpus Hellenisticum", die Gründung des „Instituts
für Deutsche Volkskunde" und andere Neuunternehmungen.

Dieser gewaltige Arbeitsertrag, dieser unvergleichliche Schatz
an wertvollen Arbeitsmitteln und wissenschaftlich exakt erarbeiteten
Ergebnissen dient in gleicher Weise den Interessen verschiedener
Disziplinen, und nicht nur denen der Religions-
gesdüchte im besonderen. Manch einer wird sich auch fragen
können, ob nicht den spezifischen Interessen der Religionsgeschichte
das große von der „Religionsgeschichtlichen Kommission
der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen" ins Leben
gerufene — und nicht mehr fortgesetzte — Unternehmen der
„Quellen der Religionsgeschichte" näher läge. Es ist bekannt,
daß die Religionsgeschichte als solche gerade in Harnack einen
entschiedenen Gegner hatte. Bertholet war der einzige — bemerkt
der Verfasser —, der im Schoß der Akademie von Berlin mit seinen
phänomenologischen Arbeiten die Probleme und spezifischen
Erfordernisse der „Religionswissenschaft" als selbständiger Wissenschaft
vertreten sollte. Tatsache ist, daß sich die allgemeine
Religionswissenschaft immer noch im Stadium der Entwicklung
befindet. Ihre Bemühung, den ihr eigenen Charakter zu bestimmen
, eine genaue Kenntnis ihrer Aufgaben und ihrer Grenzen zu
gewinnen, für sich eine entsprechende Methode festzulegen, ist
noch immer im Gang. Die Zeiten sind anscheinend in Deutschland
wie auch anderswo noch nicht reif für das Kommen einer
neuen „Theologie" an Stelle der traditionellen Theologie, die
naturgemäß dem historischen Geist widerstreitet, der doch der
spezifischen Religionswissenschaft seinen Stempel aufdrücken
muß. In diesem Geist und durch diesen Geist kann und wird- die
Religionswissenschaft, welcher Art auch ihre gegenwärtigen oder
künftigen Orientierungen sein mögen, auf wertvolle Beiträge der
historisch - philologischen Arbeit, wie jene, durch die sich die
Akademie von Berlin bleibendes Verdienst und unvergänglichen
Ruhm erworben hat, nicht verzichten.

Rom R. Pettazzoni

M a r i n g e r, Johannes: Vorgeschichtliche Religion. Religionen im
steinzeitlichen Europa. Einsiedeln - Züridi - Köln: Benziger [1956].
328 S., 66 Abb., 23 Taf. gr. 8°. Lw. DM 20.—.

Das vorliegende Buch des z. Zt. in Tokio wirkenden Verf.s
ist eine erweiterte Bearbeitung einer 1952 in holländischer
Sprache erschienenen Fassung. Einige Punkte von grundsätzlicher
Bedeutung mögen dem Eingehen auf Einzelfragen vorausgeschickt
werden. Unter „Vorgeschichte" will der Verf. lediglich die aller-
früh esten, allerdings wichtigsten Abschnitte der Kulturgeschichte
verstanden wissen, die Steinzeit. Das hat jedoch nicht verhindert
, auf dem Umschlagblatt Felsbilder der nordischen Bronzezeit
anzubringen, was unbedingt den Eindruck erwecken muß.