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Ausgabe:

1958 Nr. 5

Spalte:

365-368

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Brenz, Johannes

Titel/Untertitel:

Predigten des Johannes Brenz 1958

Rezensent:

Mülhaupt, Erwin

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 5

366

Loenertz, R.-J.: Notes sur lc regne de Manuel II ä Thessalonique —
1381/82—1387.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 390-396.
M e n a g e r, L. R.: Notes et Documents sur quelques monasteres de

Calabre ä l'epoque normande.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 321-361.
Mercati, S. G.: Intorno al titolo dei lessici di Suida-Suda e di Pa-

pia.

Byzantion XXV-XXVI-XXVII, 1955-56-57 S. 173-193.
Politis, L: Paläographische Miszellen vom Heiligen Berg.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 310—320.
Raedemaeker, F. de: Kroniek van Thomistisdie literatuur.

Bijdragen. Tijdschrift voor Filosofie en Theologie 19, 1958 S. 53—76.
U h 1 i r z, Mathilde: Zu dem Mitkaisertum der Ottonen. Theophanu

coimperatrix.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 383—389.
W y o n, Olive: Thomas ä Kempis' 'The Imitation of Christ'.
The Expository Times LXIX, 1957 S. 81-83.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Bizer, Ernst: Predigten des Johannes Brenz. Das Evangelium von der
Passion und Auferstehung Jesu Christi. Stuttgart: Quell - Verlag
[1955]. 206 S. 8°. Lw. DM 11.80.

Merkwürdigerweise ist es bis zum heutigen Tage noch nicht
zu einer Gesamtausgabe der Werke des bedeutendsten württembergischen
Reformators gekommen. Einen kleinen Teil dieses
Versäumnisses holt der württembergische Reformationshistoriker
an der Universität Bonn Ernst Bizer nach, indem er einen Teil
einer Brenz-Postille aufgrund einer Ausgabe von 1572 neu herausgibt
, nämlich die darin enthaltenen Passions- und Osterpredig-
ten. Man könnte freilich fragen, ob es nicht besser gewesen wäre,
einen von Brenz selbst zu seinen eigenen Lebzeiten herausgegebenen
Predigtband herauszugeben, etwa die 22 Bußpredigten anläßlich
der Türkengefahr, die 1532 erschienen und von Luther
mit einem Vorwort versehen wurden.

Es handelt sich bei der Bizerschen Ausgabe um eine Übersetzung
der ursprünglich wohl 1 550 lateinisch erschienenen Evangelienpostille,
die der Pfarrer Jacob Gretter von Michelbadi an der Bilz (bei Schwä-
bisch-Hall) 1556 herausgebracht hat; wie dieser erste Herausgeber Jakob
Gretter mitteilt, liegen der ursprünglichen lateinischen Ausgabe nur
mehr oder weniger unfertige lateinische Konzepte von Brenz zugrunde,
die er „etlichen seinen Freunden als Denkzettel zu nutz und gut aufgezeichnet
" (S. 11). Der Herausgeber Gretter macht über diese lateinischen
Unterlagen, die dann gedruckt wurden, die merkwürdige, leider
von Bizer nicht näher erläuterte Bemerkung, daß sie „mich nicht für
unnützlich angesehen, daß sie um der Kirchendiener willen unver-
teutscht blieben". Was heißt das? Heißt es, daß Gretter es zunächst
lieber gesehen hätte, wenn es bei der lateinischen Ausgabe geblieben
und bei der Benutzung derselben nur durch die Pfarrer geblieben wäre?
Im Hinblick darauf aber, daß jetzt (1 556) dem einfältigen Volk statt
des Evangeliums falsche Mensdicnlehre vorgetragen wird, hält Gretter
dann doch die Verdeutschung für „hoch vonnöten". Man kann wieder
fragen: hätte diese Begründung nidit früher viel mehr Gültigkeit gehabt
als „jetzt", wo doch seit 1552 das Evangelium in Württemberg
ungehinderten Fortgang hatte? Oder will der Herausgeber sagen: wir
Württemberger hätten die Verdeutschung nicht so dringend nötig gehabt
, aber weil sonst in deutschen Landen „Christus mit seinem Evangelium
nidit allenthalben Platz hat und öffentlich gepredigt wird", mag
die Veröffentlichung einer deutschen Ausgabe berechtigt sein? Auf jeden
Fall also enthält dies Vorwort von 1 5 56 von Jakob Gretter einige
merkwürdige Sätze, die noch näherer Erläuterung bedürften.

Was die Predigten selbst angeht, so sind sie aus verschiedenen
Zeiten. Nicht immer ist das Jahr angegeben, wann sie gehalten
wurden, z. B. nicht bei den 3 Predigten vom heiligen
Abendmahl und den 3 Predigten vom Leiden und Sterben Christi
(S. 69-124); die übrigen verteilen sich auf die Jahre 1537 bis
1548. Die Sprache hat der Herausgeber Bizer nur ganz leicht geglättet
, so daß die schwäbische Provinzialfarbe durchaus sichtbar
ist; wo Worte oder Satzbildungen zu unverständlich sind, helfen
die auf S. 202—204 beigegebenen Erläuterungen; (den Ausdruck
..wühlen" auf S. 136 im Sinne von schaffen, schäffeln, werken,
werkeln hätte man in diese sprachlichen Erläuterungen auch aufnehmen
können; denn außerhalb Schwabens weiß wohl niemand,
was dies „wuelen" ist). Schließlich sind der Bizerschen Ausgabe

auch die schlichten Holzschnittbilder beigegeben, die die Originalausgabe
enthält.

Luther hat bekanntlich in seiner Vorrede zu Brenzens Amos-
kommentar von 1530 (WA 30 II, 649 f.) ein hohes Lob über
Brenz abgegeben, indem er sagte:

„Meine Schriften kommen mir sehr gering vor, wenn ich sie mit
deinen und deinesgleichen vergleiche. Ich schmeidile nicht, auch dichte
ich nicht, ich scherze aber auch nicht und täusche mich nicht. Ich lobe
dabei nicht Brenz, sondern den Geist, der in dir lieblicher, freundlicher,
ruhiger ist, auch redegewandter klarer und glänzender dahinfließt und
darum auch mehr packt und erfreut. Mein Geist aber, abgesehen davon,
daß ich im Reden unerfahrener und unkultivierter bin, sprudelt immer
ein ganzes Chaos und einen ganzen Wald von Wörtern hervor, außerdem
hat er das Schicksal, daß er wild und ungestüm immer kämpfen
muß wie einer, der mit zahllosen Ungeheuern ringen muß. Wenn ich
Kleines mit Großem vergleichen darf, so ist mir von dem vierfachen
Geist des Elia der Sturm, das Erdbeben und das Feuer gegeben, die die
Berge bewegen und Felsen zerschmeißen, dir aber und deinesgleichen
ist das sanfte zarte Sausen zuteil geworden, das erquickt. Darum sind
Eure Worte und Schriften nicht nur andern Leuten, sondern auch mir
selbst angenehmer."

Wer die vorliegenden Brenzpredigten liest, wird dies Urteil
Luthers freilich nur zu einem Teil bestätigt finden. Von glänzendem
, irgendwie brillantem Redestil kann bei Brenz keine Rede
sein, es ist vielmehr ein ausgesprochen hausbackenes schlichtes
Deutsch, in dem sie dahergehen. Bild und Sprichwort z. B. sind
selten vertreten, die doch Luther so leicht und reichlich zu Gebote
stehen. Selten einmal eine kurze prägnante Redensart; doch
fehlen sie nicht ganz, z. B. S. 24: „wer nicht Lust hat, in die Predigt
zu gehn, mag draußen bleiben und seine Gefahr darob bestehen
!" oder das schöne Wort S. 185: „die Notdurft erfordert
nit, daß man Ruh und Frieden habe; das erfordert sie aber, daß
ein jeder sein Amt ausrichte" oder das resignierte Wort über den
zweifelhaften Erfolg so vieler Reichstage S. 189: „je mehr man
tagt, je mehr es nacht!" (= nachtet). — Dagegen bewahrheitet
sich Luthers Urteil hinsichtlich des Freundlichen und Verbindlichen
in Brenzens Sprache und Anschauungen. Hermelink hat in seiner
Festrede auf Joh. Brenz 1949 darauf hingewiesen, daß Brenz an
der Eigenart teilhabe, die man den Schwaben nachsage, „daß sie
nicht fähig seien zu einem entschiedenen Ja oder entschiedenen
Nein; sie sehen alles unter dem Gesichtspunkt des Sowohl-
als auch". Wer z. B. weiß, wie Luther über die bekannten Worte
aus Hebr. 6 und 10 von der Unmöglichkeit einer zweiten Buße
gedacht hat: „welchs wider alle Evangelien und Episteln St Pauli
ist" (Vorrede zum Hebräerbrief, WDB 7, 344), — der findet dagegen
bei Brenz in der Predigt S. 25—29 einen glättenden Harmonisierungsversuch
. Für diese Verbindlichkeit selbst gegenüber
seinerzeit von Luther schwer angegriffenen katholischen Thesen
mag es auch bezeichnend sein, daß Brenz in einer Vorbereitungspredigt
fürs heilige Abendmahl S. 85—91 als Voraussetzung rechten
Abendmahlsempfangs die alte Trias contritio-confessio- satis-
factio zugrunde legt: „so wollen wir solche Wort gleichwohl auch
gebrauchen, aber wollen sie nach der heiligen Schrift Meinung
auslegen" (S. 86). Gewiß biegt er die Begriffe dann evangelisch
zurecht, besonders kurz und bündig die satisfactio: „doch wird
auch unsre Genugtuung zur Büß erfordert, aber nicht als ein Büß
und Genugtuung für die Sünd, sondern als ein Dankbarkeit"
(S. 90). Dennoch möcht man sagen: Semper aliquid haeret! Es ist
schließlich doch nimmer ganz Luther, wenn Brenz von der con-
tritio 6agt: „solche Reu und Leid über die Sünd muß man aus
Gottes Wort und aus dem Gesetz zuwegen bringen" (87);
bei Luther hatte es geheißen: „Proinde fides ante omnia
docenda et provocanda est, fide autem obtenta contritio et con-
solatio . .. sua sponte venient" (WA 6, 545,6). Vielleicht ist
die Tatsache, daß Brenz als Vorbereitung der Passions- und
Osterverkündigung eine Reihe von besonderen und als solche
bezeichneten Bußpredigten hielt (S. 21—68), schon an sich das
Zeichen einer gewissen Akzentverschiebung gegenüber Luther.
Es spricht sich darin, wie der Herausgeber Gretter ausdrücklich
bemerkt (S. 20), die Überzeugung aus, daß „die Lehre von der
Büß immerdar ... vor anderer Lehre den Vorzug
haben soll". Mit Melanchthon ist dies in guter Übereinstimmung,
der ja tatsächlich die Lehre von der Buße als „die Summe des
Evangeliums" hat bezeichnen können (CR 25, 184). Luther hat
demgegenüber in der Fastenzeit lieber die Passionsgeschichte