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1958 Nr. 5

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 5

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mit dem Recht auf die Kaiserweihe, sondern auch mit der Trans-
latio Imperii zu begründen". Sein Schüler meint jedoch (S. 99),
man könne „die Formulierung dieser Idee durch Innocenz III.
nicht mehr als eine erstaunliche Neuigkeit betrachten"; er habe
nur „einen bekannten Gedanken wiederholt", der bereits vorher
weitere Verbreitung gefunden hatte; in der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts „muß er irgendwie (1) aus dem unreflektierten
Zustand einer Idee zum theoretischen Bewußtsein gekommen
sein. Die Zeit war in jeder Hinsicht reif dazu" (S. 146). Darin
wird nun freilich das Bedenkliche, ja der Trugschluß dieses Rückschau
-Verfahrens offenkundig, das von vornherein die früheren
Zeugnisse (gerade auch des 12. Jahrhunderts) nur im Hinblick
auf die spätere kirchliche Translations-Lehre sondiert. Kein Wunder
, daß da manche Äußerungen „nicht tendenziös, sondern ganz
natürlich" in diese Richtung zu weisen scheinen. Der Verf. meint,
daß die kirchliche Translations-Lehre „nicht bewußt oder systematisch
, sondern vielmehr organisch" (dieses Wort liebt er) aus
dem „von vielen Seiten her genährten und vorwärtsgetriebenen
Strom der Ideen" (S. 61), insbesondere aus einer zunehmenden
Spiritualisierung des Kaisertums „als eine prinzipielle Idee lautlos
hervorfließt" (S. 57), „als eine natürliche Frucht erwächst"
(S. 30). Sie lag bereit, um von Innocenz III. „in einer scharfen
und scholastisch-sauberen Form formuliert", juridisch-politisch
verwendet und dem Kirchenrecht einverleibt zu werden; nur
darin bestehe seine Bedeutung für die Entwicklung dieses Gedankens
(S. 99). Betrachtet man jedoch den „Strom der Ideen"
weniger finaliter (um mit Innocenz zu reden), achtet man
gleicherweise auf die anderen Möglichkeiten und Ansätze einer
Deutung des mittelalterlichen Kaisertums als Fortsetzung, Übertragung
oder Übernahme des römischen Imperiums (dessen gottgewollter
Dauer bis zum Weltende man durch Daniels Weltreich-
Traum und durch den 2. Thessalonicher-Brief gewiß war), so
wird gerade im Spiegel der Translations-Frage das vielstimmige,
spannungsreiche Ringen um ein historisch-politisches Selbstverständnis
und eine weit- und heilsgeschichtliche Einordnung der
mittelalterlichen Wirklichkeit sichtbar, dem erst Innocenz III.
— weniger unwillkürlich-harmlos, als der Verf. meint, — eine
entscheidende Wendung gab. Dessen These ist in ihrer Bedeutung
weniger aus ihren „Vorstufen" zu begreifen als im Blick auf die
Gegenpositionen, wie sie nicht lange vorher von Friedrich I. und
seinem Kreis und auch von den Römern nachdrücklich verfochten
wurden. Nur darf man dann nicht z.B. von Barbarossa sagen:
„Den Papst als Übertragenden anzuerkennen liegt ihm fern"
(S. 65), — als ob ihm „ferngelegen" hätte, was er mit aller polemischen
Entschiedenheit zurückwies wie Friedrich II. auch. Nur
weil der Verf. die kirchliche Translations-Lehre allzu isoliert betrachtet
, kommt er zu dem bescheidenen Schluß, daß sie „zu der
mittelalterlichen kirchenpolitischen Ideenentwicklung nur sehr
wenig beigetragen hat" (S. 149). Dieses negative Ergebnis hält
er sogar für das wichtigste seiner Untersuchung; es besagt aber
nur, daß die geschichtliche und symptomatische Bedeutung der
Translations-Lehre, mit der sich viele Geister noch Jahrhunderte
lang abgequält haben, nicht vornehmlich in dem Bereich beschlossen
liegt, in dem er sie untersucht, beinahe bagatellisiert und
entschuldigt. In diesem eingeengten Bereich bietet er allerdings
mancherlei beachtenswerte Zeugnisse und Beobachtungen auch
über das Verhältnis der Translations-Lehre zur Zwei-Gewalten-
Lehre, zum päpstlichen Depositions- und Approbations-Anspruch,
zur Konstantin-Schenkung usw. Seine kritisch-besonnenen Erwägungen
darüber werden jeder weiteren Behandlung des Translations
-Themas zugute kommen, das neuerding6 — wie früher
einmal der „mittelalterliche Weltherrschaftsgedanke" — als
Dissertations-Thema beliebt wurde (1950 Werner Guldenfels,
Freiburg, ungedruckt; 1955 Werner Goez, Frankfurt/M., erscheint
demnächst). So verdienstlich solche Anfänger-Beiträge sind, es
bleibt doch eine zusammenfassende Behandlung des vielschichtigen
, dem mittelalterlichen Denken eigentümlichen Problems
dringend zu wünschen.

Manche Einzelheiten sind zu berichtigen. Die Willehad-Vita, in
der zuerst gesagt wird, daß die imperialis potestas von den Griechen
auf die Franken übertragen wurde, ist nicht in Norddeutschland
„um 870 angeblich von S. Ansgar geschrieben" (S. 16), sondern zwischen
843 und 855 im lothringischen Echternach, s. G. Niemeyer, DA. 12
(1956) S. 17 ff. Sie wurde vom Abt Thiofried von Echternach (f 1110)

in seiner Willibrord-Vita benutzt, bei dem man daher nicht von einer
„selbständigen . . . autonomen Translationsidee" sprechen kann
(S. 40 f.). 817 war nicht „das Kaisertum schon zu einem bloßen Großkönigtum
, .einer Überherrschaft über Teilreiche' herabgesunken" (S. 4),
sondern gerade die unitas imperii sollte in der Reichsordnung Ludwigs
d. Fr. (die man nicht als „erste Reichsteilung" bezeichnen kann)
gesichert werden. S. 21 f. und 49 steht Regino von Prümm 6tatt Prüm,
S. 41 „der Annalist Saxo", als ob das sein Name wäre, S. 67 „der El-
sässer Mönche Gunther, auch ,Ligurinus' genannt" — aber so heißt
seine Dichtung. Daß Honorius Augustodunensis weder aus Augsburg
noch aus Autun stammt (S. 47), sondern aus S. Augustin in Canter-
bury, hat neuerdings R. Bauerreiß, Stud. u. Mitt. zur Gesch. d. Benediktiner
-Ordens 67 (1956) S. 306 ff. wahrscheinlich gemacht. Helmold
(nicht „aus Lübeck", sondern in Bosau) schrieb seine Slavenchronik
nicht um 1150, sondern um 1170 (S. 68). Der anonyme Traktat „De
origine ac translatione et statu Romani imperii" ist nicht von Tolomeo
von Lucca verfaßt (s. DA. 8, 1950, 195 f.), wie Mario Krammer (nicht
Kramner) 1909 in seiner Ausgabe in den Fontes iuris Germanici anti-
qui (nicht Script, rer. Germ.) meinte (stets irrig S. XVI, 123, 151).
Vollends diente Lupoid von Bebenburg (nicht: Luipold von Bebenberg)
nicht der Partei Ludwigs des Bayern (S. 151).

Münster/Westf. Herbert G ru ndm a n n

H u b a t s c h, Walther: Der Deutsche Orden und die Reichslehnschaft
über Cypern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1955. 62 S.,
5 Skizzen, 10 Abb. a. Taf. gr. 8° = Nachrichten der Akademie der
Wissenschaften in Göttingen. I. Philol.-Hist. Kl. Jg. 1955, Nr. 8.
DM 8.-.

Mit dieser, aus weit zerstreuten und zum Teil noch ungedruckten
Quellen schöpfenden Abhandlung schließt der mit
zahlreichen Arbeiten zur Deutschordensgeschichte schon hervorgetretene
Verf. eine ausgesprochene Lücke in diesem Forschungsbereich
. Er stellt die von vermutlich 1197 bis mindestens
in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts belegbaren Besitzungen
des Ordens auf Cypern, die vor allem seine wirtschaftlichen
und organisatorischen Fähigkeiten, aber auch seine Verpflichtung
zur Krankenpflege eindrucksvoll spiegeln, in den größeren
Zusammenhang der Reichs- und Ordenspolitik im östlichen
Mittelmeer hinein und lenkt damit den Blick besonders auf zwei
Wegscheiden des 13. Jahrhunderts: die von 1225—30, wo der
Hochmeister Hermann von Salza nach dem Scheitern einer
Staatsgründung im Burzenland mit dem Zusammenbruch der auf
Cypern und die dortige Reichslehnherrschaft gesetzten Hoffnungen
das Mißlingen auch des zweiten Anlaufs (vor der endgültigen
Gründung im Ordensland Preußen) erlebte, und die von
1291—1309, wo trotz des Falles von Akkon die Hochmeisterresidenz
noch nicht sogleich an die Weichsel, sondern zunächst
nach Venedig verlegt wurde — ein Schwebezustand zwischen
mittelmeerlicher Tradition und ostseeländischer Neuorientierung
, in dem auch die Stützpunkte auf Cypem einen letzten
Nachhall ihrer Bedeutung zur Stauferzeit erlebten.

Neben 10 Abbildungen und 5 Kartenskizzen sind im Anhang
ein Quellenteil von 8 Urkunden und Regesten bzw. ein
Auszug der lateinischen Reisebeschreibung des Wilbrand von
Oldenburg, ein genealogischer Ausschnitt für die Könige von
Cypern im 13. Jahrhundert sowie eine ausführliche Bibliographie
die willkommene Ergänzung der ertragreichen Darstellung.

Mainz Ludwig P et ry

Baron, R.: Le „Sacrement de la Foi" selon Hugues de Saint-Victor.
Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques XLII, 195S
S. 50—78.

Co tsonis, H. I.: Aus der Endzeit von Byzanz: Bürklüdsche Mustafa.

Ein Märtyrer für die Koexistenz zwischen Islam und Christentum.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 397—404.
D e e r, J.: Byzanz und die Herrschaftszeichen des Abendlandes.

Byzantinische Zeitschrift 50, 1957 S. 405—436.
Garzya, A.: Paraphrasis Dionysii poematis de Aucupio.

Byzantion XXV-XXVI-XXVI1, 1955-56-57 S. 195-240.
Hayen, A.: La theologie aux Xlle, XHIe et XXe siecles. II.

Nouvelle Revue Theologique 90, 1958 S. 113—132.
Karlin-Hayter, P.: Vita S. Euthymii.

Byzantion XXV-XXVI-XXV1I, 1955-56-57 S. 1-172.
Landgraf, Artur Michael: Zum Werden der Theologie des zwölften

Jahrhunderts.

Zeitschrift für katholische Theologie 79, 1957 S. 417—433.