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Ausgabe:

1958 Nr. 5

Spalte:

342-343

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Parrot, André

Titel/Untertitel:

Le musée du Louvre et la Bible 1958

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 5

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heran wie mancherlei andere Quellen aus dem westsemitischen
Bereiche.

Nach dem Vorgang anderer Forscher und mit besonderem
Bezug auf O. Eißfeldt, EI im ugaritischen Pantheon, 1951, betont
auch Verf., daß nach Ausweis des Quellenmaterials von Ugarit
die Existenz einer semitischen Gottheit El feststeht, obwohl auch
jetzt die Frage noch nicht geklärt ist, ob in El ("ilu) primär ein
Appellativum oder ein Eigenname vorliegt. So beschränkt er sich
denn auch bei der Frage nach der Etymologie von "ilu auf ein
Referat über die bisher vorgetragenen Theorien, indem er — m. E.
wohl mit Recht — betont, daß der heutige Quellenbefund eine
tragfähige Basis für eine einigermaßen sichere Etymologie nicht
mehr abgibt (S. 18). Die mit El zusammengesetzten Eigennamen
von Ugarit schließlich, die Verf. ebenfalls in die Untersuchung
einbezieht, bestätigen, daß El vor allem unter den Westsemiten
eine wichtige und sehr alte Gottheit gewesen ist; doch betont er,
daß sich au6 diesem Sachverhalt noch keine endgültigen Schlüsse
über Wesen und Stellung dieses Gottes ziehen lassen (S. 24).

Ausführlich werden Eis Attribute besprochen (S. 25—54).
Von den elf verschiedenen Themen seien erwähnt: El als König
der Götter, wobei aber zugleich die Frage entsteht, ob er nicht
in Wirklichkeit als abgedankter Herrscher anzusehen ist; ferner
Eis Alter und Senilität, die zu seinem Beinamen „Stier" und zu
seiner erotischen Leidenschaft in gewisser Spannung stehen; außerdem
El als Vater der Götter und Menschen sowie als Schöpfergott
.

Zur Ergänzung der Wesensbestimmung Eis wird ferner das
Verhältnis Eis zu den Göttern Eljon, Baal Samern und Bethel erwogen
. Während zu letzterem keine Beziehungen erkennbar sind
(S. 60), rechnet Verf. andererseits mit der Möglichkeit, daß El
als Göttervater in eine größere Genealogie hineingehört, die in
hurritischer und phönikischer Version (Philo von Byblos) erhalten
ist und in der Eljon als 6ein Großvater erscheint (S. 56):

hurritisch phönikisch

Alalu Eljon

Anu Ouranos

Kumarbi El (Kronos)

Wettergott (Tesub) Hadad (Zeus-Demarous)

Im Rahmen dieses Schemas neigt Verf. weiterhin dazu, den
seit dem Beginn des 1. Jhdt.s v. Chr. quellenmäßig nachweisbaren
Gott Baal Samern mit Ouranos/Anu gleichzusetzen. Mehr als
wahrscheinlich sind, wie er selbst betont (S. 58), die Erwägungen
über die Vorgänger Eis innerhalb der ugaritischen Mythologie
solange nicht, wie wir nur auf die bisher vorliegenden Texte
angewiesen sind.

Außerordentlich anregend ist die Behandlung der Frage nach
dem Wohnsitz des Gottes El. Aufgrund eingehender Überprüfung
der einschlägigen Texte sowie genauer Untersuchung z. B. des
ugaritischen Begriffes fyrsn = akkadisch hursän „Unterweltsberg
" kommt Verf. zu dem Ergebnis, daß El nach der überwiegenden
Mehrzahl der Texte in der Unterwelt haust, und zwar
auf einem Unterweltsberge, der den Quellen unterirdischer, kosmischer
Gewässer unmittelbar benachbart ist; als Parallele führt
er den sumero-akkadischen Gott Enki-Ea, den „König des Apsu"
an (S. 71 f.). Darüber hinaus aber versucht Verf. auch, das syrische
Zentralheiligtum des Gottes zu bestimmen. Er vermutet
dasselbe in dem modernen Chirbet Afqa, etwa halbwegs zwischen
Byblos und Baalbek gelegen. Dabei macht Verf. wahrscheinlich,
daß der häufige Ortsname 'alqa = 'apiqu nicht, wie W. F.
Albright meint, „Festung", sondern etwa „am (Quell-) Wasser
liegender Platz" bedeutet; darüber hinaus möchte er sogar als
wahrscheinlich annehmen, daß jeder Ort namens Apheq als der
Sitz einer Gottheit betrachtet wurde, die über unterirdische, aus
der Erde hervorbrechende Quellwasser gebot (S. 75).

Das syrische Chirbet Afqa aber, an der Quelle des antiken
Adonis-FIusses (Nahr Ibrahim) gelegen, verfügte bis in die Zeiten
Konstantins über ein berühmtes Heiligtum, an dem die bekannten
syrischen Fruchtbarkeits-Orgien gefeiert wurden, und
noch heute gilt der Platz bei der syrischen Landbevölkerung als
heilig. Da nun anzunehmen ist, daß Afqa schon seit dem frühesten
Altertum sakrale Bedeutung hatte (S. 76), hält Verf. die
Annahme für nicht zu gewagt, daß, wenn El in Afqa wohnte, der

in Gordon Nr. 52 (SS) überlieferte hieros gamos des Gottes
„das antike Urbild darstellt für die Mythen und Riten, die in
Aphaca bis in christliche Zeiten bestanden und Konstantin ver-
anlaßten, das Heiligtum zu zerstören" (S. 81).

Das abschließende Kapitel (S. 82-104) behandelt Eis Stellung
und Bedeutung. Indem Verf. vor allem A. S. Kapelrud, Baal
in the Ras Shamra Texts, 1952, folgt, ergeben sich für ihn zwei
Stufen der Existenz Eis: auf der älteren (Gordon Nr. 137 [III
AB B], 19-31; Nr. 67 [I* AB VI, 24 f.]) bewohnt EI den Götterberg
, auf der jüngeren dagegen (alle übrigen Texte) i6t er durch
seinen „Sohn", den jungen Gott Baal, nach der Unterwelt verbannt
(S. 94): „Wie Kronos durch Zeus abgesetzt und Kumarbi
augenscheinlich durch den Sturmgott verdrängt wurde, so glauben
wir . . ., daß die ugaritischen Mythen eine Erzählung über Eis
Verbannung durch Baal enthielten."

Freilich muß auch Verf. zugeben, daß ein so einfaches
Schema sich nicht ganz mit dem ugaritischen Material deckt. So
betont er selbst, daß keiner der ugaritischen Götter außerhalb
der Familie Eis 6teht (S. 84) und El auch in Ugarit selbst durchaus
einen Verehrerkreis besitzt (S. 104). Sollte sich ferner die
Afqa-Hypothese des Verf.s als stichhaltig erweisen, dann hat El
sogar eine ausgesprochen volkstümliche Rolle gespielt. So sagt
denn Verf. auch mit Recht,daß man von einer Verdrängung Eis
in Ugarit her nicht auch auf eine solche in seinem übrigen Verehrungsgebiet
notwendigerweise schließen müsse und daß dort,
wo etwa Jahwe mit El konfrontiert wird, gewiß nicht von einem
durch Baal entmachteten Götterkönig — vgl. Ps. 82 — gesprochen
werden kann.

Eine Wertung des bisherigen, auf El bezüglichen Materials
scheint mir vorläufig in folgender Richtung möglich zu sein: In
Ugarit als einem Knotenpunkt verschiedener Kulturkreise wurde
von den dortigen Westsemiten El als Vater der Götter und Menschen
sowie als Schöpfer des Kosmos verehrt. Vielleicht unter
dem Einfluß der indo-irani6chen Vierperiodenlehre wurden ihm
Alalu/EIjon und Anu/Ouranos als „Großvater" und „Vater"
ebenso wie der junge sieghafte, freilich dem Wechsel der Natur
unterworfene Baal als „Sohn" zugeordnet. Allerdings setzte sich
das so entstehende Schema im westsemitischen Denken nicht voll
durch: El blieb Göttervater und Weltschöpfer selbst dort, wo er
als Herrscher der Unterwelt angesehen wurde; einen Nachfolger
in dieser Hinsicht hat er jedenfalls nach Ausweis der Quellen
nicht. Damit aber wird man in Weiterführung der von O. Eißfeldt,
El im ugaritischen Pantheon, S. 59—70, vorgetragenen Hypothese
zusammenfassend sagen dürfen, daß ein jüngeres mythologisches
Schema von der Ablösung einzelner, durch alternde Götter dargestellter
Weltperioden zwar eine ältere westsemitische Mythologie
, die man etwa als monarchischen Polytheismus bezeichnen
kann, zu modifizieren und bunter zu gestalten, aber doch nicht
grundlegend zu verändern vermochte.

Jena Rudolf M c y c r

ALTES TESTAMENT

Parrot, Andre: Lc Musee du Louvre et la Bible. Neuchätel/Paris:
Delachaux & Niestlc 1957. 166 S., 76 Abb., 12Taf. 8° = Cahiers
d'Archeologic Biblique 9. 6fr. 7.50.

Es war ein guter Gedanke des conservateur en chef des
Musees Nationaux Andre Parrot, die Stücke de« seiner Obhut
anvertrauten Departement des antiquites orientales, die zur Bibel
Beziehung haben und deren Verständnis fördern können,
in Bild und Wort den Freunden der Bibel und des Alten Vorderen
Orients darzubieten. Auch die Art der Verwirklichung
dieses Gedankens, die Anordnung des Stoffes in historischer
Folge, die sich im wesentlichen mit der Reihenfolge der biblischen
Bücher deckt - „Die Anfänge" (S. 7-20), „Die Zeit der
Patriarchen" (S. 21-32), „Die Amarna-Briefe" (S. 33-37), „Baale
und Astarten" (S. 38—83), „Die Königszeit: Israel und Juda"
(S. 84-102), „Babylon" (S. 103-111), „Die Assyrer" (S. 112-
124), „Susa und Esther" (S. 125-135), „Neutestamentliche
Epoche" (S. 136—151) — ist glücklich. Die S. 152—154 gegebene
Übersicht über die Verteilung der Monumente in den einzelnen