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Ausgabe:

1958

Spalte:

339-342

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Pope, Marvin H.

Titel/Untertitel:

El in the Ugaritic texts 1958

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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ihrer Erkenntnisse benutzten. Die Analyse der Zeitvorstellungen
ergibt ein vergleichbares Ergebnis.

Hält man nun die an Kelsos gewonnenen Ergebnisse neben
diese hier, so zeigt sich, daß Kelsos sich in seiner Argumentationsweise
nicht von den anderen Platonikern seiner Zeit unterscheidet
. Kelsos hat, wie der Verf. erklärt, „eine Vielfalt zeitgenössischer
Vorstellungen philosophischer und religiöser Art
übernommen", „um seinen Geschichtslogos inhaltlich auszufüllen
" (303). Es gebe nur in einem, freilich entscheidenden Punkt
einen Unterschied: „Seine Geschichtspolemik gründet sich auf
eine grundsätzliche Geschichtsbetrachtung, für die das Phänomen
der Geschichte zu einem konstitutiven Element des Denkens geworden
ist." Zur Begründung dieser Feststellung wird abschließend
aufgeführt: a) Kelsos verwendet für seine Geschichtsbetrachtung
einen Zentralbegriff des griechischen Denkens, b) Für
Kelsos kulminiert die Geschichte nicht in Plato wie für die anderen
Platoniker. c) Kelsos ist im Gegensatz zu allen anderen
Platonikern allein zu einer positiven Bewertung der Stoa gelangt.

Gegen die Richtigkeit dieser Sätze wird man kaum etwas
einwenden können. Zu fragen ist lediglich, ob der daraus gezogene
Schluß der einzig mögliche ist.

a) So war die These, daß Kelsos für seine Geschichtsbetrachtung
den Logosbegriff angewandt habe, ursprünglich aus der Interpretation
des Titels gewonnen worden. Dabei hatte der Verf.
völlig überzeugend gezeigt, daß Kelsos 6einen wahren als einen
alten, überlieferten Logos verstanden wissen wollte. Daß Kelsos
in diesem Titel aber eine Geschichtsbetrachtung intendiert habe,
war nicht bewiesen, sondern gedeutet worden, ohne daß dabei
andere, verwandte Deutungen auszuschließen waren.

b) Es ist bewiesen, daß für Kelsos die Geschichte nicht in
Plato kulminiere, sondern daß dieser seine Autorität erst durch
seine Übereinstimmung mit seiner eigenen Vergangenheit erhalten
habe. Das läßt sich freilich eine geschichtliche Betrachtungsweise
nennen. Man kann jedoch ebensowohl konstatieren, daß
Kelsos die Vergangenheit unter einem Aspekt sieht, unter dem
sie nicht in ihrer geschichtlichen Ausdehnung von der Urzeit bis
zur Gegenwart erscheint, sondern in punktartiger Verkürzung;
m. a. W„ daß Kelsos eine eminent ungeschichtliche Betrachtungsweise
anwende, in der die Geschichte nur dadurch Sinn erhält,
daß in ihr Uroffenbarung und Urweisheit unmittelbar und zeitlos
spricht.

c) Bei der Frage, wie Kelsos die Stoa beurteilt habe, ist zwischen
seiner Verwendung stoischer Sätze und seiner Bewertung
der Schule selbst zu unterscheiden. Vielleicht genügt zur Erklärung
dessen, daß er die Schule positiv bewertet, bereits der Hinweis
auf den speziellen polemischen Zweck seiner Schrift; schließlich
kommen Piaton und Seneca bei den Kirchenvätern zumeist
auch mit einer besseren Zensur davon, als der jeweils bekämpfte
Gegner. Was aber 6eine Verwendung stoischer Sätze anlangt,
oder die höhere Einschätzung des Nomos, so kann man nicht zugeben
, daß es sich dabei um ein Novum, geschweige ein Unicum
für einen alexandrinischen Platoniker handele.

IV.

Bis dahin hatte sich gezeigt, daß Kelsos die Frage nach dem
religiösen Sinn der Geschichte nicht aus seinem Piatonismus
herausentwickelt haben kann, so daß sie also von außen an ihn
herangetragen sein muß. Woher? Der Schluß lag nahe, daß dies
durch eine Begegnung mit dem Christentum erfolgt sei. Der
Verf. unternimmt den mühevollen Beweis, daß dieses Christentum
dem Kelsos in der Person Justins begegnet wäre. In der Tat

bestehen zwischen beiden unübersehbare Ähnlichkeiten, besonders
in dem Punkt, auf den es hier ankommt, im Geschichtsdenken
. Die Ausführungen des Verf.s führen dabei Gedanken
weiter, die früher Bengt Seeberg in dem bekannten Aufsatz über
die Geschichtstheologie Justins vorgetragen hatte, die der eigentliche
Sinn seiner Logostheologie sein sollte.

Nun ist es sicher, daß man von Justins Geschichtsverständnis
nicht absehen kann, gleich wie man ihn auch deutet. Vielleicht
wird man ihm wirklich am besten gerecht, wenn man ihn
als die große christliche Persönlichkeit würdigt, die in ihrem Bestreben
, die christliche Botschaft philosophisch und theologisch
zu durchdringen, allen anderen Apologeten weit überlegen ist.
Justin hat den Versuch gemacht, die Heilsgeschichte theologisch
zu deuten. — Geht man aber von Justins geistigen Voraussetzungen
aus, so kann man wohl auch zeigen, wie die heilsgeschichtlichen
Traditionen, die er als Christ übernommen hatte, mit
seinem ursprünglichen platonischen Denken ringen, und wie beide
sich gegenseitig zersetzen, wie die Heilsgeschichte ihn bei seiner
Logostheologie behindert, und wie die Logostheologie einem
konsequenten heilsgeschichtlichen Verständnis dauernd im Wege
ist. Zweifellos wäre der Vergleich des Kelsos mit Justin, auch
wenn man diesen auf diese Weise anpackte, ebenfalls nicht unfruchtbar
. Der Grund dafür ist, daß beide Platoniker mit starken
religiösen Interessen sind.

Der Verf. geht den ersten Weg und versucht, das Werk des
Kelsos als Antwort auf die Logostheologie Justins zu verstehen,
nämlich nicht die Logostheologie als solche, sondern auf den
heilsgeschichtlichen Sinn, den ihr Justin zu geben versucht hatte.
Es geht dabei um die These Justins, daß die Offenbarungen des
Logos in der griechischen Geistesgeschichte gleich dem Reden des
Logos aus den alttestamentlichen Propheten nur Vorbereitungen
seien auf die volle Offenbarung des Logos in Christus. In schöner
und klarer Darlegung deutet der Verf. Justins Gedankengänge
als Angriff auf die griechische Vergangenheit; die Abwehr
durch Kelsos 6ei dementsprechend gezwungen gewesen, die
Geschichtsbezogenheit ihres ursprünglichen Logosbegriffs zu beweisen
.

Diesen Satz hat der Verf., wenn wir im Augenblick von der
Zuspitzung auf Justin absehen wollen, unsrer Meinung nach
schlagend bewiesen. Nur scheint uns, die Deutung der von Kelsos
gegebenen Antwort vertrüge eine leichte Verschiebung:
Kelsos stellt dem Satz, daß die Offenbarung geschichtlich sei und
in der Christusoffenbarung kulminiere, den andern Satz entgegen
, daß die Offenbarung ungeschichtlich sei, und daß die Geschichte
des Christentums als eine Dekadenzerscheinung, eine
Depravation des Logos angesehen werden müsse. Damit bleibt
aber, weil die Deutung der Geschichte als einer Dekadenzerscheinung
nicht von vornherein als heidnisch, jüdisch oder christlich
bestimmt ist, die Frage offen, ob Kelsos sich hierin seinen Gegnern
angepaßt habe, oder ob er einen Schultopos anwende.

Die Frage, ob Kelsos sich gerade gegen Justin wende,
oder wenigstens durch ihn am stärksten beeinflußt sei, ist vielleicht
noch nicht als endgültig entschieden anzusehen. Es ist
nicht möglich, die zahlreichen Argumente einzeln zu referieren
und zu besprechen, denn das hieße ein neues Buch schreiben.
Der Rez. glaubt aber, dem Verf. beipflichten zu können.

Wir fassen unser Urteil zusammen: Es handelt sich um ein
materialreiches, ungemein zuverlässig gearbeitetes Buch über ein
aktuelles und zentrales Thema, das alle früheren Arbeiten weit
hinter 6ich läßt, und das im Grundsätzlichen anregend, in den
Einzelheiten zumeist überzeugend wirkt.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Pope, Marvin H., Prof.: El in the Ugariric Texts. Leiden: Brill 1955.
VIII, 116 S. gr. 8° = Supplements to Vetus Testamcntum II.
hfl. 14.—.

Unter den Abhandlungen über die Mythologie von Ugarit
verdient die vorliegende, übersichtlich angelegte Studie, die das
bisherige Quellenmaterial über den ugaritischen Gott El von

neuem erhebt, für die alttestamentliche Theologie und Religionsgeschichte
besondere Beachtung.

Verf. gehört derjenigen Richtung unter den Ugaritologen
an, die die Frage einer engeren Beziehung zwischen Ugarit und
Kanaan auf historischem, kulturellem und sprachlichem Gebiet
eher verneinen als bejahen (S. 5). Immerhin verengt ihm diese
Skepsis nicht den Blick für die größeren Zusammenhänge; vielmehr
zieht er laufend die Religion des Alten Testaments ebenso