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Ausgabe:

1958 Nr. 5

Spalte:

333-340

Autor/Hrsg.:

Kraft, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der mittlere Platonismus und das Christentum 1958

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 5

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und so in ihrem Vertrauen auf Jahwe bestärkt werden. So liegt
hier der Nachdruck auf der Bestimmung, daß das Fleisch des
Mahlopfers am Tag der Opferung der Fettetücke und damit am
Tag der Schlachtung selbst verzehrt werden muß, und auf dem
Hinweis, daß das zum Mahle nötige Brot gesäuertes, in Öl getauchtes
Lochbrot oder dünne mit Olivenöl bestrichene Fladen
sein können und daß von jeder Art ein Stück als rravin dem
Priester zufällt. Es gibt demnach zwei Sorten gesäuerten Backwerks
, die — in Olivenöl entweder nachträglich getaucht oder
anscheinend mit ihm unmittelbar nach dem Backen, also wohl
heiß, bestrichen — bei einem Mahlopfer gegessen werden dürfen,
so wie etwa eine besondere Form des Weißbrotes, und nur diese,
bei den Liebesmahlen der Herrnhuter Gemeinde zu dem obligaten
Tee genossen wird.

Wenn gesäuertes Brot, und zwar in eben diesen beiden
Formen auch bei der Priesterweihe nach Ex. 29 und Lev. 8 verwendet
wird, so wohl nur, weil an diesem Tage der in sein Amt
Eingeführte mit möglichst allen später an ihn herantretenden
Aufgaben, Verpflichtungen und Rechten in Beziehung gebracht
werden soll.

Wenn dagegen der Naziräer nach Erfüllung seines Gelübdes
die gleichen Brotsorten darbringt und wiederum je ein Stück von
jeder Sorte dem amtierenden Priester zufällt, so ist trotz weniger
kleiner Unterschiede, die sofort noch bedacht werden müssen
, wohl an die übliche Brotspende bei der min zu denken,
d. h. trotz der Nichterwähnung von gesäuertem Brot. Die weiteren
Unterschiede des Rituals beziehen sich einmal darauf, daß
im Gegensatz zu den Bestimmungen über die min hier die Art
der Übereignung an den Priester nicht als Frafirii sondern als
Msiün erfolgt, und daß die Menge des gespendeten Brotes durch
die Forderung, es solle ein Korb voll sein, begrenzt wird, wie
ja in dem ganzen Ritual sichtlich auf eine nicht zu kostspielige
Form dieses Opfers gedrungen wird.

Vielleicht gehört hierher auch die Verteilung von Lochbrot,
Preßfeigen und getrockneten, in Kuchenform gepreßten Trauben
durch David aus Anlaß der Überführung der Lade nach Jerusalem
als eine Art Ersatz für ein allgemein zugängliches Mahlopfer
, wie es Salomo nach 1. K. 8, 62 ff. anläßlich der Tempelweihe
gespendet hat.

Ein jährlich wiederkehrendes Fest, das DiTDS-Fest forderte
ein Brotopfer. Hier waren nur zwei gesäuerte Brote nötig, für
deren Herstellung nur die Menge des Hartweizengrießes angegeben
war. Sie fallen nach der nsirn ebenfalls dem Priester zu.
Daß es sich bei diesem Ritus um einen aus dem Bauerntum stammenden
Brauch handelt, ist gewiß. Man wird also zuerst mit
einer Übernahme dieses Ritus von den Kanaanäern zu rechnen
haben, unbeschadet der Vermutung, daß ein analoger Brauch in
Kanaan geübt worden ist, seit der Mensch Ackerbau getrieben:
hat; denn das D^TOa-Fest will ja ebenso bezeugen, daß die Gabe
des Brotes der Gottheit zu danken ist, wie sie dadurch, daß sie
das erste Brot eben der Gottheit reicht, das übrige Getreide für
den profanen Gebrauch freistellt. Damit aber reiht sich dieses
D^Toa - Opfer in die religionsgeschichtlich vertraute Reihe des
Erstlingsopfers ein, die sich eben um ihrer weiten Verbreitung
willen der Verfolgung ihrer Herkunft entzieht.

Dürfte es sich in den eben erwähnten Fällen durchwegs um
gesäuertes Brot gehandelt haben, so ist für die nrra, soweit sie
im Ofen Gebackenes umfaßt, ausdrücklich die Verwendung von
Sauerteig ausgeschlossen (Lev. 2, 11), und dies, obwohl dieselben
beiden Sorten von Gebäck gefordert werden, wie sie als gesäuerte
im Kult Verwendung gefunden haben. Damit unterliegen
sie der gleichen Bestimmung, wie die während des siebentägigen
Massotfestes allein gestattete rtSH, die freilich nicht mit Olivenöl
bestrichen wird, wie es für die nTÖB Vorschrift ist. Die älteste
ttnua verlegt das Alte Testament bereite in die Urzeit, wo
Qain, der Ackerbauer, sie darbringt. Die Meinung des Jahwisten
war demnach die, daß die Wurzeln dieses Opfers ebenso wie die
des Brandopfers in die Urzeit zurückreichen und damit in eine
Zeit, die lange vor der Landnahme der Israeliten liegt.

Damit sind, wenn ich recht sehe, die verschiedenen Verwendungen
des Brotes und des Wortes Dnb. zu deren Untersuchung
Nu. 28,2 Anlaß gab, untersucht. Es ist ein vielgestaltiges
Bild. Die einzelnen Riten stammen offensichtlich aus ganz
verschiedenen Bereichen, die wenigstens vermutungsweise angedeutet
wurden. Es zeigt sich auch hier, daß das alte Israel es
verstanden hat, mancherlei kultische Anregungen aufzugreifen,
indem es sie alle dem fordernden Willen Jahwes mit seinem
,,Du sollst" und „Hüte dich" unterordnet. Eben damit aber sind
diese Begehungen herausgenommen aus den alten, sicher oft
magischen Zusammenhängen, und eingeordnet in die Gottesordnungen
, die den Menschen als Täter des Wortes und nicht
Hörer allein fordern; denn der fordernde Gott will als der Gott
der Verheißung „Ich will euer Gott sein", keine anderen Götter
neben sich haben.

Zu den aktuellsten Aufgaben der dogmengeschichtlichen
Forschung unserer Zeit gehört die Ermittlung des Einflusses, den
der mittlere Piatonismus auf die Anfänge der christlichen Lehrbildung
ausgeübt hat. Hier scheint ein echter Fortschritt sich anzubahnen
, und die größere Nähe, in die Philosophie, Gnosis und
kirchliche Theologie zueinander für unsern Blick getreten sind,
liefert Ergebnisse, die allein aus den patristischen Zeugnissen
nicht zu gewinnen waren. Unter diesen Umständen verdient jede
Arbeit, die sich mit den Beziehungen zwischen mittlerem Pla-
tonismus und Christentum im zweiten Jahrhundert befaßt, von
vornherein größtes Interesse, ganz besonders aber eine neue Untersuchung
der Gedankenwelt des Kelsos. Denn dieselbe philosophische
Überzeugung von der Angewiesenheit des Menschen
auf Offenbarung, die die Philosophie zunehmend zur Religion
werden läßt, die die Apologeten zum Christentum und Apuleius
zum Isisdienst getrieben hatte, verwies den Kelsos auf die Offenbarungen
des Logos in der griechischen Geistesgeschichte, so daß
seine Bestreitung des Christentums aus denselben Wurzeln
sprießt wie die Verteidigung durch Justin. Ja, die Parallele geht
noch weiter: die Rolle, die bei Justin die Heilsgeschichte spielt,
wird bei Kelsos durch die großen Leistungen der griechischen
Vergangenheit übernommen. C. Andresen in seinem hier zu besprechenden
Werk1 nennt es das Geschichtsdenken des Kelsos,

*) Andresen, Carl: Logos und Nomos. Die Polemik des Kelsos
wider das Christentum. Berlin: de Gruyter 1955. VII, 415 S. gr. 8° =

Der mittlere Piatonismus und das Christentum

Von H. Kraft- Heidelberg

und ein Teil ist der Aufgabe gewidmet, dieses Geschichtsdenken
nachzuweisen und zu illustrieren. Es handelt sich um eine ungemein
sorgfältige und gründliche Untersuchung, die nach der
Fülle des beigebrachten Materials wie der Behutsamkeit der Interpretation
gleich vorbildlich ist. Wiewohl wir im Folgenden
Stellen erwähnen, an denen uns auch eine andere Interpretation
möglich scheint und gelegentlich Korrekturen anbringen, mindert
das doch keineswegs die Bedeutung dieses Buches für die genannte
Problematik. Wenn man das Wort vom Markstein der
Forschung auf ein Buch angewandt so versteht, daß dadurch die
Auseinandersetzung mit allen früheren Untersuchungen entbehrlich
wird, so ist es hier durchaus am Platz,

Die Arbeit behandelt in ihren vier Teilen 1.) die bisherigen
Probleme der Kelsosforschung (8—107), 2.) die Polemik des Kelsos
wider das Christentum (108—238), 3.) das Problem der Geschichte
im mittleren Piatonismus (239—307), 4.) Kelsos und
Justin (308-400).

I.

Ausgangspunkt ist der Text des Kelsos, dessen Abgrenzung
gegen den Kontext des Origenes ja vielfach problematisch ist.
Dazu gelingen eine Reihe neuer, durchweg überzeugender Einzelergebnisse
. Unbequem ist aber, daß der Kelsostext nicht, we-

Arbeiten zur Kirchengeschichte, begr. v. K. Holl f u. H. Lietzmann f,
hrsg. v. Kurt Aland, Walther Eltester u. Hanns Rücken, 30. DM 32.—.