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Ausgabe:

1958 Nr. 4

Spalte:

291-292

Kategorie:

Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Krug, Burkard

Titel/Untertitel:

Die Rechtfertigungslehre in der finnischen Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für Seelsorge und Verkündigung 1958

Rezensent:

Israel, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 4

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über die Heiligkeit nicht deutlich wird. Hirschs sachliches Urteil
über den Wert von Tract 90 wirkt angesichts der Verschwommenheiten
hier sowohl bei Newman wie bei Sch. geradezu befreiend
. Hirschs zweifellos richtige Erkenntnis, daß mit Tract 90
die Umwandlung der bisher protestantischen anglikanischen Kirche
zu einer altkatholischen Kirche beginnt, war Sch. wohl 60
unsympathisch, daß er sie und ihren Vertreter ganz zu ignorieren
beschloß. Damit verschließt er sich aber das Verständnis der
Oxfordbewegung, auf deren Höhe Tract 90 steht, den Hirsch
mit vollem Recht „ein konfessionsgeschichtliches Ereignis ersten
Ranges" nennt (Hirsch 302).

Bei aller Verherrlichung Newmans heute sollte man nicht
vergessen, daß einige seiner größten Zeitgenossen sehr kritisch
über ihn geurteilt haben. Obgleich Lord Acton zeitlebens in
Newman den größten Theologen und Kirchenmann der nach-
reformatorischen englischen Kirchengeschichte sah, hat er nach
dessen Tode zu Gladstone geäußert, ,groß' sei Newman wie
Napoleon, Bismarck oder Hegel; seine Freunde würden entsetzt
sein, wenn „ich alles sagen würde, was ich weiß, oder die Hälfte
von dem, was ich denke über diesen glänzenden Sophisten"
(Ulrich Noack, Katholizität und Geistesfreiheit, 1936, S. 65).

Es wäre wohl gut, wenn die evangelische Theologie ihre
auffallende Zurückhaltung Newman gegenüber fahren ließe.

Rostode G. Holt*

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Krug, Burkard: Die Rechtfertigungslehre in der finnischen Erwek-
kungsbewegung im 19. Jhdt. und ihre Bedeutung für Seelsorge und
Verkündigung. Düsseldorf: Triltsch 1957. 111 S. kl. 8°.

Neben das Werk „Die Theologie J. T. Becks und ihr Einfluß
in Finnland" von G. Sentzke 1957 (vgl. ThLZ 1958, Sp. 118)
tritt Krugs Schrift, die ebenfalls einen erwünschten Einblick in
die eigenständige Frömmigkeit und den reichen Schatz der Theologie
Finnlands gewährt. Stellt Sentzke die biblizistische Richtung
mit dem Erzbischof G. Johansson in den Mittelpunkt seiner
Betrachtung, so Krug die spätere Erweckung mit dem Bauern
P. Ruotsalainen, der neuerdings einen Tag im evangelischen Kalender
(am 24. Januar) erhalten hat. Zahlreiche sonst schwer
; zugängliche Quellenbelege werden ausgezeichnet übersetzt und
verdienstlicherweise in den Anmerkungen im finnischen oder
schwedischen Urtext mitgeteilt.

Die Untersuchung schreitet in drei großen Schritten fort:
A. Voraussetzungen. I. Land und Volk Finnlands. II. Die frühere
Erweckung 1688—1796, Exkurs: Die Schlafprediger. III. Deutscher
Einfluß. — B. L Geschichte der späteren Erweckung mit dem Hauptstück
Paavo Ruotsalainen 1777—1852. II. Die Rechtfertigungslehre
als Inhalt von Seelsorge und Verkündigung bei Ruotsalainen und drei
seiner Schüler. III. Was bedeutet diese Lehre für Wesen und Form von
Seelsorge und Verkündigung? — C. Was lernen wir? I. Die freien
„Versammlungen" ergänzen die kultischen Formen. II. Die Laien
arbeiten mit. III. Das prophetische Element tritt hervor. IV. Humor
in Seelsorge und Verkündigung. V. Das Wesen der Seelsorge. VI. Die
Gefahr der Einseitigkeit muß durch größere Kulturoffenheit überwunden
werden. VII. Vergleich mit Wingrens Buch Die Predigt, Göttingen
1955.

Der Verf. betont öfter: in der finnischen Erweckung geht
es weniger um eine neue Lehre als um ein neues Leben. Warum
steht dann eine Lehre im Mittelpunkt der Arbeit? Noch dazu
die Lehre eines ungelehrten Bauern, der lesen, aber nicht schreiben
konnte? Vielleicht wäre es ertragreicher gewesen, den
Frömmigkeitstypus in den Blickpunkt zu rücken? Auf Bedenken
gegen theologische Systematik könnte mit Leibniz geantwortet
werden: Eine Straßenkarte von London ist nicht für jedermann
nützlich, wohl aber für den von Wert, der in London lebt. Lassen
wir uns also eine Straßenkarte durch die folgenreiche finnische
Erweckung schenken! Bedenklicher erscheint vielleicht manchem
der dritte Schritt. Wir sind gewarnt worden, allzuschnell von
der wissenschaftlichen Überlegung auf die Praxis zu schließen.
Hier geschieht es aber besonnen und ohne Übereilung. In der
finnischen Kirche hat sich weithin die Praxis der Erweckten durchgesetzt
, die erst im Widerspruch zum damaligen Kirchenwesen
stand. Die Krone aller theologischen Bemühungen ist es doch,
aus der Geschichte und der Theorie Grundsätze für das kirchliche
Leben abzuleiten.

Wer die finnische und die schwedische Literatur beherrscht,
meint vielleicht, nicht viel „Neues" in der Untersuchung zu finden
. Eigenwüchsig aber ist vor allem der Abschnitt II 4 S. 54 ff.
Exegetische Bemerkungen zu Paavos Lehre. Ergebnis: Sie ist
weithin schriftgemäß und in Luthers Sinn, wenn auch finnisch
abgeschattet.

Das Literaturverzeichnis umfaßt 8 Seiten. Trotzdem fehlt RG1»1"12
Finnland; für die frühere Erweckung: M. Ruuth: Ur de Religiösa Rö-
relsernas Historia I. u. II. Helsingfors 1915 (Urkunden/). Druckfehler:
S. 6 Z. 9 v. u. nädens. Z. 7 Mitte Historiallinen. S. 10 Z. 14 v. u. Ren-
qvist. S. 15 Z. 5 v. u. DTT steht nicht unter Abkürzungen. S. 34 Z. «
v.u. snö-drivor. S. 37 Z. 24 v. u. 29 (nicht 30). S. 41 Z. 1 v. u. gö-
relsen. S. 68 Z. 11 v. u. fordran. S. 97 Z. 2 v. u. nedgräfva. S. 100
Z. 9 v. u. pietismen.

Leipzig Friedrich Ostarhild

Borsch, Ekkehard: Zur Entstehung der „Weihnachtsfeier" von Friedrich
Schleiermacher.

Theologische Zeitschrift 13, 1957 S. 354—356.
Causse, Maurice: La Crise de Tommy Fallot.

Revue d'histoire et de philosophie religieuses XXXVII, 1957 S. 33)
bis 352.

Deliuß, Walter: Der Jurist Johannes Brunnemann (1608—1672) und
der Pietismus.

Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 1957 S. 19—22.
Schmidt, Martin: Die Interpretation der neuzeitlichen Kirchengeschichte
.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 54, 1957 S. 174—212.
W i 1 k i n s o n, J. T.: Richard Baxter's 'The Reformes Pastor'.
The Expository Times LXIX, 1957 S. 16—19.

KIRCHENKUNDE

Die lutherischen Kirchen in der Welt, Hrsg. vom Luth.

Weltbund. Berlin: Luth. Verlagshaus 1957. 229 S. gr. 8°. DM 14.80.
Lutheran Churches of the World. Minneapolis:Augsburg Publishing
House 1957. 333 S. $ 3.50.

Die deutsche Parallelausgabe bietet als besondere Beigaben ein
Sdiaubild der EKiD (S. 3 5), eine Statistik über die luth. Minderheitskirchen
in Europa (S. 96) und einen statistischen Überblick über die
luth. Kirchen in Nordamerika (S. 132—134). Dagegen fehlen in ihr der
in der engl. Ausgabe S. 90—94 gegebene Überblick über „Lutherin mi-
nority churches in communistic lands", das „Directory of Lutheran
Churches of the World" (S. 319—333), was in diesem Übersichtsbuche
gerade deutschen Lesern willkommen gewesen wäre, und es fehlen leider
auch die Bilder und die Lebensdaten derer, die das Vorwort und die
6ieben Beiträge verfaßt haben. Was immer auch die Gründe für die
sicher wohlbedachten Auslassungen gewesen sein mögen: das Fehlen der
beiden letztgenannten Angaben wie auch das Weglassen eines Index in
beiden Ausgaben sind als Mängel zu beklagen. In beiden Ausgaben fehlen
auch Artikel über die luth. Kirchen in Australien und in der UdSSR.

Das Unternehmen einer solchen (nicht erstmaligen) Übersichtsgabe
ist begrüßenswert und wird den Dank derer finden,
die hier eine nötige, ziemlich umfassende und, soweit ich zu
sehen vermag, zuverlässige Unterrichtung über die Geschichte,
die Ordnung und das Leben der Kirchen der größten evangelischen
Gruppe finden. Der von Dr. Carl Lund-Quist geschriebenen Einleitung
zufolge soll das Werk dem gegenseitigen Verständnis der
in 32 Ländern befindlichen 61 luth. Kirchen, die sich bisher dem
Luth. Weltbund angeschlossen haben, dienen und zugleich den
Lesern aus nicht angeschlossenen Kirchen „zeigen, wie wir unsere
Verantwortung in der wichtigen ökumenischen Arbeit von
heute wahrnehmen". Wie nicht anders zu erwarten war, zeigt
die Lektüre neben einer durchgehenden Einheit auch mancherlei
Verschiedenheiten in den sehr verschiedenartig gewordenen Kirchen
, die sich eigentlich jetzt erst richtig kennen lernen und immer
besser zu verstehen und auch zu beeinflussen auf dem Wege
sind. Die Darstellung ist nüchtern und vermeidet auch den leisesten
Ansatz zu einer Glorifizierung von Menschen, Kirchen oder
Leistungen; sie redet vielmehr auch und offen von Versagern
(z.B. S. 18, 41, 45, 128, 129). Die sieben Beiträge sind nach
geographischen Gesichtspunkten geordnet und werden in den
zwei Ausgaben aus mir unbekannten Gründen in verschiedener
Reihenfolge dargeboten.

Bischof Lilje behandelt das „Luthertum in Mitteleuropa"
und berührt dabei als einziger unter den Mitarbeitern auch theo-