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1958 Nr. 4

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 4

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R e u c h 1 i n, der im ersten Viertel des Jahrhunderts in Stuttgart und
Tübingen Anstellung fand, während um ihn von Köln und Erfurt bis
Basel der Streit um die „Dunkelmännerbriefe" ausgefochten wurde.
Die Hodischätzung der Predigt und die Stiftung zahlreicher „Prädika-
turen" muß als erfreulicher Zug jener Zeit in der Geschichte der religiösen
Volksbildung registriert werden. Ein offenbarer Mangel dagegen
ist es, daß die religiöse Unterweisung der Jugend gar nicht gepflegt
wird. Die Entwicklung der Buchdruckerkunst, die das Zeitalt ;r
des Humanismus begleitet, kommt auch in Schwaben der Verbreitung
der Bibel in erster Linie zu gute. Daneben wurde, durch Hie schwarze
Kunst unterstützt, die von der amtlichen Kirche in Auftrag gegebene
Herstellung von liturgischen Büchern, sowie der der Volksfrömmigkeit
dienenden Traktate, wie die „Armenbibeln", „Sterbebüchlein", „See-
lengärtlein" („Hortulus animae") u. a. von Wichtigkeit für das Zeitalter
der kommenden Kämpfe.

Das Schlußkapitel über „das religiöse Volksleben"
beginnt mit dem Hinweis auf bedenkliche Erscheinungen der spätmittelalterlichen
Frömmigkeit. Neben der „subjektivistischen Gefühlsbetonung
" und der „individualistischen Auflösung der kirchlichen Gemeinschaft
" wird besonders die Überbewertung der Zahl im religiösen Leben
genannt. Tausend Messen verlangt Graf Werner von Zimmern
(gest. 1483) für seine arme Seele; Millionen Jahre Ablaß kann man sich
aus der Reliquiensammlung des Landesherren von Luther, Friedrich dem
Weisen holen. Die Heiligenverehrung wächst ins Ungemessene. Auch
die Verehrung von Maria und ihrer Mutter Anna mit einigen neuen
Feiertagen, mit Ausbildung der Gebetsformen des „Salve Regina" und
des Rosenkranzes setzt sich von den Dominikanern ausgehend in allen
Teilen der Kirche durch. Zugleich breitet sich das Reliquienwesen ins
Ungemessene aus. Die Wallfahrtsziele erweitern sich: das heilige Land,
Rom, der heilige Jakobus von Compostella bekommen Rivalen in allen
Territorien. Mit viel Einzelheiten über das Brauchtum gerade auch in
Schwaben, wird nun das Kirchenjahr durchwandert (S. 409 bis 428K
Sodann werden die sieben Sakramente mit ihrem landläufigen
Brauchtum durchgesprochen (S. 428 bis 448). Auch hier wieder ist das
Material, das zusammengetragen ist, staunenswert.

Man kann den Verfasser der beiden ansprechenden und mit
vielen Bildern geschmückten Bände nur beglückwünschen, daß
ihm dieses Werk gelungen ist. Natürlich wird die Beurteilung in
manchen Partien infolge der konfessionellen Gegensätze verschieden
ausfallen. Tüchle selbst zeigt ein starkes apologetisches
Interesse, das durch das ganze Werk sich deutlich bemerkbar
macht. In dieser Beziehung kann man, wie schon zu Eingang gesagt
wurde, darauf gespannt sein, wie die noch zu erwartenden
Bände gestaltet sein werden. Das Schwabentum wird sich als ein
die konfessionellen Gegensätze überbrückendes Element geltend
machen müssen. Man möchte wünschen, daß es die Kräfte dazu
aufbringen könne.

München Heinrich H e r m e 1 i n k |

Beckmann, Joachim: Der Feiertag in der Geschichte der Kirche.
Kirche in der Zeit XII, 1957 S. 145—147.

Burr, Viktor: Zur Geschichte des Wahlspruches: In necessariis unitas,
in dubiis libertas, in Omnibus Caritas.

Unitas. Monatsschrift des Verbandes der wissenschaftlichen katholischen
Studentenvereine Unitas 97, 1957 S. 123—130.

Frick, Robert: Neuere Literatur zur Kirchengeschichte.
Monatschrift für Pastoraltheologie 46, 1957 S. 346—360.

Hamman. Adalbert: Eine patristische Renaissance: das Werk des
Abbe Migne.

Das Altertum 3, 1957 S. 234—246.

Laslowski, Ernst, u. Hermann R o 1 f e s : Die Caritasbibliothek
in Freiburg 1896—1956. Freiburg/Br.: Lambertus-Verlag in Komm.
1956. 88 S. 8°. DM 1.50.

Pauly, F.: Springiersbach 1107—1957.
Trierer Theologische Zeitschrift 66, 1957 S. 241—247.

Weisz, Leo: Die wirtschaftliche Bedeutung der Tessiner Glaubensflüchtlinge
für die deutsche Schweiz (Schluß).
Zwingliana X, 1957 S. 506—536.

Zell er, Winfried: Marburg und seine Bedeutung für die Theologie.
"Deutsches Pfarrerblatt 57, 1957 S. 389—393.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch
zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt.
Begründet von Frz. Jos. Dölger, Th. Klauser, H. Kruse, H. Lietzmann,
J. H. Waszink, hrsg. v. Theodor Kl aus er. Lfg. 20—24. Sp. 481
bis 1272. 4". Stuttgart: Hiersemann 1956/57. Je DM 12.50.

Mit der 20. Lieferung ist der dritte Band des RAC, dessen
Gesamtumfang jetzt auf 18 Bände geschätzt wird, zum Abschluß
gekommen. Es ist überflüssig, noch einmal über die Ziele und
die hervorragende Bedeutung dieses Unternehmens zu berichten.
Die Leser der ThLZ wurden schon wiederholt darauf hingewiesen
, und jedem auf diesem Gebiet arbeitenden Kollegen ist das
Werk ohnehin längst unentbehrlich geworden. Nur dies sei gesagt
, daß das Lexikon im Fortschreiten sich ganz und gar nicht
zu erschöpfen beginnt (was an sich wohl denkbar wäre), sondern,
wie mir scheint, von Band zu Band seinem Zweck nur immer
besser gerecht wird. Es hat seinen Stil gefunden, Anlage und
Gestalt der einzelnen Artikel entsprechen einander ohne schematische
Uniformität, und die Fülle des gebotenen Materials ist
immer gleich groß, was eine lebendige, fesselnde Darstellung in
vielen Fällen keineswegs ausschließt. Wir können dem Herausgeber
nur dankbar sein, daß er die Forderung der Qualität unter
allen Umständen entscheidend sein läßt und mitunter lieber die
Verschiebung unter ein späteres, vielleicht seltsam anmutendes
Stichwort in Kauf nimmt, als dem Alphabet zu liebe Unfertiges
oder gar Unzulängliches zu publizieren.

„Um den regelmäßigen Fortgang und die schließliche Vollendung
des .Reallexikons für Antike und Christentum' sicherzustellen
", heißt es im Vorwort, „ist im Jahre 1955 an der Universität
Bonn das .Franz Joseph Dölger-Institut zur Erforschung
der Spätantike' errichtet worden. Gleichzeitig trat dem Herausgeber
des Lexikons, der als Direktor des Instituts fungiert, ein
wissenschaftlicher Beirat zur Seite, dem Gelehrte verschiedener
Fachrichtungen der Altertumswissenschaft aus der Bundesrepublik
und aus dem Ausland angehören. Als Träger des Instituts
wurde ein Fördererverein ins Leben gerufen. Gestützt auf die
verständnisvolle Mitwirkung dieser beiden Gremien und seines
vergrößerten Mitarbeiterstabes, gestützt aber auch auf die großzügige
Hilfe der .Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen', des Düsseldorfer Kultusministeriums und
der .Deutschen Forschungsgemeinschaft', darf der Herausgeber
zuversichtlich hoffen, die weiteren Lieferungen des .Reallexikons'
in dichterer Folge und gesteigerter Qualität vorlegen zu können.
Um das Lexikon zu entlasten und die bereits erschienenen Teile
durch Nachträge auf der Höhe der Forschung zu halten, wird das
F. J. Dölger-Institut vom Jahre 195 8 an ein Jahrbuch für Antike
und Christentum' herausgeben".

Im folgenden werden die Stichworte in sachlicher Ordnung
genannt. Die Bemerkungen dazu ergaben sich gelegentlich, nach
den mehr oder weniger zufälligen Kenntnissen des Rezensenten;
die größere oder geringere Ausführlichkeit besagt also nichts
über den Wert der einzelnen Beiträge.

Zwei solide geographische Übersichten verdanken wir wieder E.
Kirsten. „Cypern" bietet mit seinen Angaben über die Barnabasreliquien
und den Barnabaskult noch eine Ergänzung zu dem älteren
Artikel über diesen Heiligen. Die komplizierten Bevölkerungsproblcmc
der „Dada" werden durch die modernen nationalistischen Interessen
noch mehr verwirrt. Der Verf. bringt die Buntheit der Kulte in diesem
Gebiet mit seiner Buntscheckigkeit (und nicht bloß mit militärischem
Import) in Zusammenhang. Den Angaben über dacischc Christen bei
Tertullian und Origenes steht er indessen skeptisch gegenüber.

Bei den biographischen Artikeln behält die Auswahl der Persönlichkeiten
mitunter etwas Rätselhaftes. Warum hat von den mancherlei
Kyrillen beispielsweise nur der alexandrinische Patriarch eine —
übrigens ausgezeichnete — Behandlung (Jouassard) gefunden? Eine
schöne, klare Darstellung Diocletians bietet (in einem leider schlecht
übersetzten Beitrag) S e s t o n. In der alten, wohl niemals sicher zu beantworteten
Frage nach den Motiven der Christenverfolgung kommt
der Verf. zu dem Urteil, sie sei „die logische Konsequenz des zur Vollendung
gelangten tetrarchischen Systems" gewesen, eine für D.
„schmerzliche, aber jedenfalls unvermeidliche Pflicht". Interessant sind
die neuen Hinweise auf die die Verfolgung vorbereitende Propaganda.
Dagegen ist die Auslegung von can. 3 des Arier Konzils (314) m. E.