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Ausgabe:

1958 Nr. 4

Spalte:

264-266

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Phylakterien aus Höhle 4 von Qumran 1958

Rezensent:

Bowman, John

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 4

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verschiedenen Kultgegenständen des Tempels beigelegt wurde. A. erkennt
überall einen „kosmischen Symbolismus", aus dem er schließt,
daß Jahwe in der Zeit Davids und Salomos als universaler Gott verstanden
wurde und „daß daneben kein Platz für einen territorialen
Henotheismus war" (172). Überraschend ist die Schlußfolgerung: „Der
kosmische Monotheismus des salomonischen Tempels macht den Monotheismus
des Moses zur conditio sine qua non, ohne die sich die frühe
israelitische Religionsgeschichte nicht begreifen läßt. Denn es ist keine
Andeutung in irgendeiner unserer Quellen, daß ein überragender geistlicher
Führer zwischen Moses und David aufgetreten wäre." Ist es an
sich schon bedenklich, der Person des Mose eine solche grundlegende
Bedeutung für die Ausgestaltung des frühen Jahweglaubens zuzuschreiben
, so wird man es vollends als unbewiesenes und unbeweisbares
Postulat bezeichnen müssen, daß das Aufkommen neuer Glaubensvorstellungen
an eine überragende geistliche Führergestalt gebunden sein
müsse. Selbst wenn man für die Zeit Salomos schon von „Monotheismus
" reden will, wogegen sich vieles einwenden läßt, muß man doch
für die ersten Jahrhunderte nach der Landnahme mit tiefgreifenden
Wandlungen im Glaubensbestand Israels rechnen, die sich notwendig
aus der Begegnung mit den kanaanäischen Kulten ergaben. Und dabei
ging es in erster Linie um die mit der Natur, mit Fruchtbarkeit und
„Schöpfung" zusammenhängenden Fragen. Es erscheint deshalb als ganz
abwegig, von einem z. Zt. Salomos erkennbaren Glauben an Jahwe als
den Schöpfer auf den „Monotheismus" Moses zurückschließen zu wollen
.

Der letzte Abschnitt (173—192) stellt die Religion des geteilten
Reiches im wesentlichen als Kampf gegen das immer wieder aufbrechende
„Heidentum" dar. Die Gefahr der Religionsmischung lag schon in der
starken syro-phönikisdien Abhängigkeit des Tempels und in den politischen
Zugeständnissen, die Salomo an die Verehrung fremder Gottheiten
in Jerusalem gemacht hatte. Im einzelnen wird diese Auseinandersetzung
sichtbar im Kampf Elias gegen die Verehrung des tyri-
schen Melkarth, den A. trotz der Bestreitung durch Alt und Eißfeldt
(man vermißt Gallings Beitrag zur Alt-Festschrift und Eißfeldts Bei-
liner Akademieabhandlung von 1953 in den Literaturangaben) im Baal
des Karmel von 1. Kön. 18 sehen will, in der Reform Asas, die die
heidnischen Tendenzen der judäischen Königsfamilie erkennen läßt, im
prophetischen Protest gegen den Kult in Bethel, im Kinderopfer „für
Moloch" (trotz Eißfeldt doch Name einer Gottheit), in den Reformen
Hiskias und Josias, in dem Bericht über Fremdkulte in Ez. 8 und schließlich
in dem, was wir aus den Papyri von Elephantine über den dortigen
Mischkult erfahren (hier sollen „Eshem-Bethel" und ,,'Anath-Bethel"
bzw. ,,'Anath-Jahu" als „Name Gottes" bzw. „Zeidien oder Wille
Gottes" nicht selbständige Gottheiten, sondern Hypostasen Jahwes
sein).

„Mit dem Sieg des Judentums über die Ketzereien der Zeit Ezechiels
und Nehemias" war dieser Kampf im wesentlichen gewonnen.
Der „orthodoxe Jahwismus", dessen Kern von Anfang an „ethischer
Monotheismus" war, war sich in seinem Wesen von Mose bis Esra
gleichgeblieben, „wenn er auch im Verlauf der langsamen Wandlung
von der primitiven Einfachheit der Richterzeit bis zum kulturellen
Hochstand des 5. Jahrhunderts v. Chr. viele Krisen durchzumachen
hatte" (192).

Im Nachwort (193—195) wird noch einmal zusammenfassend ausgesprochen
, daß es dem Verfasser um die Herausarbeitung des israelitischen
Monotheismus geht mit dem Ziel, seine Bedeutung für die Gegenwart
ins Licht zu stellen. Seine wissenschaftliche Einstellung charakterisiert
er selbst durch die Abweisung der „radikalen" und der
„ultra-konservativen" Riditung, wie er auch schon einleitend betont,
daß „eine gemäßigte konservative Haltung weniger vom neuen Material
zu fürchten" hat (sie!), „als die radikale Stellungnahme auf beiden
Seiten" (49).

In ca. 500 Anmerkungen werden nodi zahlreiche Einzelfragen erörtert
und es wird Literatur genannt. Allerdings ist die Literaturauswahl
sehr einseitig; vor allem zitiert A. überwiegend seine eigenen
Veröffentlichungen bis hin zu den häufigen Hinweisen auf von ihm
verfaßte Rezensionen.

Aufs Ganze gesehen stellt das Buch einen interessanten und
gewichtigen Beitrag zur Auswertung des archäologischen Materials
für die Kenntnis der Geschichte der israelitischen Religion
dar. Man muß aber seinen Charakter alö Diskussionsbeitrag bei
der Beurteilung betonen, denn als zusammenfassende Darstellung
der „Religion Israels" kann es nicht gelten, und man kann
auch kaum sagen, daß die einleitend zitierte Zielsetzung, den
Weg zur „Höhe durchgeistigter Einsicht und ethischen Monotheismus
" aufzuzeigen, mit diesem Buch erreicht wird.

Mit Kopfschütteln liest man im Vorwort des Übersetzers, daß
„ein dichter Nebel von Dogmen und Propaganda" es vielen unmöglich
gemacht habe, über das Alte Testament richtig zu urteilen, daß der
Verfasser aber zeige, „daß das Alte Testament keine Fälschung ist, wie |

man behauptet hatte", daß seine Angaben jedoch auch nicht unfehlbar
seien — „und so macht er den Weg frei für lebendige Religion". Man
wüßte gern, gegen welche imaginären Fronten der Übersetzer hier zu
kämpfen glaubt und was er unter „lebendiger Religion" versteht, für
die durch archäologisdie Erkenntnisse der Weg frei wird. Im übrigen
wäre eine sachlichere Begründung der Übersetzung dem Buche zweifellos
dienlicher gewesen.

Göttingen Rolf Rendtortf

Kuhn, Karl Georg: Phylaktcrien aus Höhle 4 von Qumrän hrsg.
Heidelberg: Winter 1957. 31 S., 25 Abb. auf Taf. gr. 8° = Abhandl.
d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philos.-Hist. Kl. Jahrg.
1957, 1. Abhandl. DM 12.80.

This very valuable monograph of thirty one pages deals
thoroughly with the Phylacteries, or more exactly the Tefillin,
from cave 4 at Qumran.

Plates of the 4 Tefillin give photographs of the actual MSS. aecor-
ding to their natural size and also when magnified three times. In addi-
tion there are plates of transcriptions of each MS. with reconstrueted
text supplied. In the body of the monograph itself, Professor Kuhn
prints on pp. 7—8 the reconstrueted text of 4 Q a Deut. V 1—32,
Deut. VI 1—3, and gives on page 9 Orthographie variant6 in its text as
against the Massoretic Hebrew. Thereafter pp. 9—10, he gives variant
readings of the text of 4 Q a. Here he shows not only the disagreement
of 4 Q a with the M. T„ but agreement or disagreement with the Sa-
maritan and the versions. On p. 14 the reconstrueted text of 4 Q b
verso and recto is given. On 4 Q b verso is the text of Deut. V 1—22
and on 4 Q b recto Ex. XIII 9—16. The orthography and textual readings
of 4 Q a and b are in close agreement.

The text of the third fragment 4 Q c, Deut. VI 10—17 is given on
p. 16. Orthographically it agrees with 4 Q a and b. On pages 18—20
Kuhn gives the text (with orthographical and textual notes) of 4 Q d.
verso Deut. V 22—33, Deut. VI 1—5, recto Ex. XIII 14—16. One would
have wished that as he did in the case of 4 Q a, he had here listed also
the relation of 4 Q d's textual variants to the Samaritan and versions.
Kuhn is convinced that 4 Q d Stands much nearer the Massoretic Tradition
than 4 Q a, b, c. That may be: while it is true that forms like
rrSPN, rP53 for ans and Ü3 are missing in 4Qd, yet, it has some Orthographie
differences and some textual differences of its own from the
M. T. not represented in the other 4 Q Tefillin MSS.

Professor Kuhn gives a careful description of eadi of the
fragments, nature of material and manner of writing. He also
attempts to estimate their original size and shape etc. Very im-
portant are the pages he devotes to the relationship of the
„Phylacteries" from Qumran to the Orthodox Rabbinic Tefillin.
This last 9ection pp. 24—31 is most important. Already it had
been said in 195 3 by Barthelemy and Milik. „Discoveries in the
Judaean Desert" O. U. P. p. 76:

„Rappeions, que au cours de 1952, quelques phylacteres ont trou-
ves dans des depöts datant de la Revolte de Ben Koseba et dans la 4'
grotte de Qumran. Attendons la publication de cet important materiel
de comparison pour tirer des conclusions sur la Constitution des phy-
lacteres au debut de 1'ere chretienne. Notons seulement que les phylacteres
de Qumran et ceux de la Seconde Revolte appartienment a des
types nettement distinets."

It will be recalled that the Murabba'at „phylactery" con-
tained Ex. XIII 1—10, 11-16, and Deut. XI 13—21 on one long
narrow parchment strip, and Deut. VI 4—9 on another (cf. Kuhn
p. 30).

The Orthodox Rabbinic Tefillin have exactly the same
sections, whereas the Qumran Tefillin from 4 Qumran had
Deut. V1-VI9, Deut. X 12-XI 21, Ex. XIII 1-10 and Ex.
XIII 11—16. Kuhn's conclusion, ibid p. 31 is important, signifi-
cant as it is for the Untergang of Moore's Normative Judaism:

„Entscheidend ist der Unterschied im Text. Die Qumränphylacte-
rien gehören alle der Zeit vor 70 n. Chr. (wahrscheinlich erheblich davor
) an: das Phylakterion aus dem Wadi Murabba'at gehört in die Zeit
bis spätestens 135 n.Chr. Man sieht: Nach dem Jahre 70 n.Chr., genauer
in der Zeit um 90—100 n.Chr., in der Zeit nämlich der Synode
zu Jabne, setzt sich die phari6äisch-rabbinische Richtung im Judentum
als alleinherrschende durch und konstituiert sich als das orthodoxe Judentum
, das alle anderen Richtunijen die vor dem Jahre 70 n. Chr. noch
gleichwertig neben ihnen bestanden — und so auch die Essener unserer
Qumräntexte — als Häretiker unterdrückt und ebenso auch die Textform
der Tefillin, wie die seitdem im Judentum als Vorschrift gültig
ist."