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Ausgabe:

1958 Nr. 4

Spalte:

257-259

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ratschow, Carl Heinz

Titel/Untertitel:

Magie und Religion 1958

Rezensent:

Beth, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 4

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In der Analyse von De Sp. S. treten schließlich die einzelnen
Momente im Denken des Basilius über den hl. Geist und
seine Stellung innerhalb der göttlichen Trinität in ihrer Gesamtheit
zu Tage und fügen sich zusammen, obgleich auch in diesem
Stadium ein eigentliches System nicht erstrebt ist. Dafür
hält Basilius sich zu eng an die hl. Schrift und ihre Aussagen
über den Geist wie an sein sonstiges Vorkommen in der Kirche
und ihrer gottesdienstlichen Überlieferung; waren doch auch
von den Gegnern der Gottheit des hl. Geistes diese selben Faktoren
geltend gemacht worden. Obgleich wir kein Dokument
ihrer Ansicht besitzen, das dem schriftlich niedergelegten Denken
des Basilius und der orthodoxen Gruppe zu vergleichen ist,
gewinnen wir doch ein Bild ihrer Argumente und ihres Ethos aus
der Polemik der Gegenseite, wenn ihre Beweisführung auch nicht
Satz für Satz rekonstruierbar ist, wie das in der Polemik des
Gregor von Nyssa gegen Eunomius und Apollinaris der Fall ist.
Die Polemik des Gregor von Nyssa, der auf dem Konzil von
Konstantinopel eine Rolle spielte, wie ich früher ausgeführt habe,
läßt sich aus seinen Schriften und verstreuten Äußerungen gegen
die Pneumatomachen noch deutlich nachzeichnen und fügt sich
dem Bilde des Streites, das hier entworfen wird, genauestens ein.

Gregors wichtigster Versuch einer mehr philosophischen Ableitung
der basilianischen Lehre vom hl. Geiste ist in der Schrift
gegen die Makedonianer enthalten, deren bisher verlorenen
Schlußteil wir soeben in der kritischen Neuausgabe (Leiden, Brill
195 8) erstmals veröffentlichen. Der Hinweis auf diesen Unterschied
in der Behandlung des Problems ist von besonderem Interesse
angesichts des berühmten Kapitels IX von Basilius Schrift
De Sp. S., das Verf. in einer langen Anmerkung S. 53—54 erörtert
. Im Gegensatz zu seiner sonstigen biblisch-theologischen
Methode und in bewußter Ergänzung zu ihr bespricht Basilius
in diesem Kapitel den hl. Geist vom Standpunkt der xoival
evvotai und wendet eine Anzahl platonischer ontologischer
Kategorien auf ihn an, die sich sonst bei ihm so nicht finden.
Seltsam ist, daß gerade dieses Kapitel in den Handschriften teils
unter das geistige Eigentum des sog. Makarios aufgenommen erscheint
, teils sogar ganz losgelöst von seinem Zusammenhang
in der Schrift De Sp. S. auftritt, wenn dies auch nur vereinzelt
der Fall ist. Dies ist ohne Zweifel seinem philosophischen Sondercharakter
zuzuschreiben, der es Späteren besonders wertvoll
machte, teils aber und besonders der in ihm vorkommenden Anschauung
von der Vergottung als Ziel der christlichen Askese.
Gerade dieser Zug (&eov yeviodat), der aus der neuplatonischen
Tradition 6tammt, findet sich in der mystisch-asketischen Theologie
des Nysseners wieder und hat spätere Pneumatiker angezogen
, so den Ps.-Makarios und seinen Anhang. Die Diskussion

dieses überlieferungs- und dogmengeschichtlichen Kuriosums bei
D. ist sehr vorsichtig und er behält sicherlich Recht mit seiner
Zurückweisung der Theorie früherer Forscher, daß die Lehre vom
hl. Geist hier unmittelbar an die neuplatonische Weltseele angeknüpft
werde. Aber in der Eikonlehre und in der asketischen
Theologie des Basilius und Gregor finden wir ähnliche wörtliche
Anlehnungen an neuplatonische Schriften und es bleibt zu beachten
, daß der moderne horror vor jeder Berührung mit den Erkenntnissen
der Philosophie, in denen jene Männer dachten und
sich ständig bewegten, für sie nicht gültig war. D. weist nach,
daß das Kapitel im Zusammenhang der Schrift De Sp. S. äußerlich
fest verwurzelt ist, dennoch steht es inhaltlich recht isoliert da
und fällt stark aus dem Zusammenhang; so könnte man an seine
nachträgliche Einfügung durch Basilius denken, der sich hier ausnahmsweise
in den Bahnen der Gedanken seines philosophischen
jüngeren Bruders bewegt, mit dem ihn enge geistige und Kampfgemeinschaft
verband. Solche nachträglichen Zusätze sind im
Epilog der Schrift De Sp. S. 60gar ausdrücklich vorbehalten. Mehr
aber kann man schwerlich sagen. Daß die Gedanken von Kapitel
IX denen der übrigen Schrift nicht widersprechen, wird man
itn Sinne des Basilius und Gregor dem Verf. sicher zugeben müssen
. Die eigenartige Doppelgleisigkeit des Denkens einmal aus
der Bibel und dann wieder aus den xoival Svvoiai der philosophischen
Vernunft findet sich namentlich bei Gregor von Ny6sa
auch sonst öfter und ist für ihn charakteristisch. Es ist sehr wohl
"möglich, daß das Kapitel von Basilius im Hinblick auf die Tatsache
geschrieben und an seiner Stelle eingelegt worden ist, daß
die Gegner vielfach aus rationalistischen Gründen und im Anschluß
an die griechische philosophische Tradition die Wesensgleichheit
des Geistes mit dem Sohne und dem Vater bestritten.

Durch den Tod des Basilius wurde es ihm unmöglich gemacht
, auf dem kommenden großen Konzil von Konstantinopel
seine Sache zum Triumph zu führen, es fehlt daher der von D.
geschilderten Entwicklung von Kirche und Dogma der logische
Abschluß, diese Phase hat Rez. in Kürze darzustellen die Absicht
; in ihr tritt Gregor von Nyssa als Vollstrecker des geistigen
Testaments seines Bruders und als dessen echter Erbe, doch zugleich
in voller individueller Eigenart, in den Vordergrund.

Es war nicht möglich, den Reichtum des vorliegenden Buches
an Beobachtungen und Einsichten aller Art auf engem Raum
erschöpfend zu würdigen. Seine Hauptlinien dürften bestehen
bleiben, auch wenn es der Ergänzung fähig ist. Möge es den Anstoß
geben zu weiterer spezieller Beschäftigung mit dem weltgeschichtlich
so folgenreichen geistigen Drama der hier geschilderten
Jahrzehnte des 4. Jhdts.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Ratschow, Carl Heinz: Magie und Religion. Gütersloh: Bertelsmann
11955]. 164S.gr. 8°. Lw. DM 11.50.

Dieses ansprechende und eindringliche Büchlein verfolgt
die Wandlungen menschlichen Lebensgefühls durch drei Stadien:
die Epoche der „Unio magica", die der selbstverständlichen
Alleinheit, in welcher der Mensch alles von der sicheren und
sichernden Mitte aus beurteilt, wird abgelöst von der Epoche der
Religion, wo der Mensch die Fremdheit der sachlichen Welt kennen
lernt, wo er einzeln und vereinzelt der Gottheit gegenübersteht
und sich ihr zu nähern versucht; endlich folgt der Versuch
der Aufhebung der Getrenntheit, Gegensätzlichkeit, Fremdheit
durch Erlangung der Unio mystica, wo der Mensch auf der Suche
nach „Allheit" die Individualität preisgibt, um das All zu
schaffen.

In den Bemühungen des Verf.s um eine Charakterisierung
des in der ersten Epoche befangenen vor- und außerhistorischen
Menschen ist von besonderem Interesse, was man seine Auseinandersetzung
mit Levy-Bruhl nennen könnte. Ihm liegt daran
zu zeigen, daß das Denken des vorgeschichtlichen Menschen

nicht so ist, daß es kurzerhand prälogisch genannt werden
könnte. Dieser Mensch könnte sehr wohl in den sachlich logischen
Koordinaten denken, die wir als die gegebenen erachten. Aber
das tut dieser Mensch nicht; oder richtiger, er vermeidet diese
Kategorien zumindest in sehr vielen Fällen, weil „heterogene
Einflüsse" ihn daran hindern. Es ist eben das ureigene Lebensgefühl
, aus dem sich begreifen läßt, daß und wieso jene Völker
den „düsteren und sinnlosen Riten" (I) einen Sinn verleihen,
durch den sie integrierender Teil der Weltanschauung werden.

Dies führt R. zu einer Auseinandersetzung über die Rolle,
welche Geburt und Tod im Leben des primitiven Menschen spielen
. Mit guten Beispielen zeigt er auf, daß die vitale Geburt
nicht zureichend befunden wird, um „Leben" zu veranlassen; daß
vielmehr Leben im engeren, nämlich „magischen" Sinne den Kindern
, Frauen, Sklaven abgeht, während nicht minder wichtig ist,
daß die Toten, wenigstens die des eigenen Stammes „leben".
Ihnen eignet das wahre Leben; sie sind ja eben auch Mitglieder
des Stammes, der Stammesmitte, jener Mitte, auf die alles bezogen
wird. Von hier aus fällt neues Licht auf die oft mächtigere
Stellung der Toten (Ahnen- und Heroen-Verehrung). Jedoch wer
nicht Mitglied der Mitte der Gemeinschaft ist, zu der alles Einzelne
unmittelbar fließt, dem fehlt Leben. Sein Sein geht im