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1958 Nr. 3

Kategorie:

Praktische Theologie

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Theologische Literaturzeitung 1958 Nr. 3

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Ereignis des Glauben oder Unglauben wirkenden Wortes verwischen
könnten; oder auch der Protest gegen den „pädagogischen
Bezug" der Predigt, von dem behauptet wird, daß er sich „meist
verhängnisvoll" auswirke (S. 6). Nun müßte man sich wahrscheinlich
erst über den Begriff des „Pädagogischen" einigen. Ich würde
jedenfalls weite Partien der Predigten St.s, zumal die eingestreuten
Jugendpredigten, als im besten Sinne christlich pädagogisch
bezeichnen, da sie uns von der Bibel her Führung und Geleit zum
Glauben und im Glauben zu geben bemüht sind.

Wenn nach dem Vorgang von Geyer und Rittelmeyer zwei
Prediger in einem Bande vereinigt sind, reizt das natürlich zum
Vergleich. Die Predigten beider Autoren sind bei deutlicher Bemühung
um textnahe Interpretation auch ohne ausdrückliche
Nennung eine6 Themas stark thematisch bestimmt. Der Blick
wendet sich sofort dem Ganzen des Textes zu, G. rechnet stärker
mit Einwendungen und Widerstand (z.B. S. 39, S. 40, S. 140).
Das gibt seinen Predigten mitunter eine ausgesprochen dialektische
Profilierung (z.B. der Predigt über 2. Kor. 1, 19—22), in
der die dialektische Beziehung des großen Ja Gottes in Jesus
Christus zum Nein und zum Ja und Nein der Welt geradezu
pointiert durchgeführt wird (S. 144 ff.). St.s Predigten sind bewußt
undialektisch. Sie sind rein thetisch biblisch belehrend und
rechnen in einem viel höheren Maße mit einer hier selbstverständlich
zustimmenden Gemeinde. Obwohl „Wir" natürlich in
den Text einbezogen sind und von ihm her zur Entscheidung
gerufen werden, bleiben sie m. E. zu sehr dem biblischen Milieu
verhaftet und stoßen daher vielfach nicht zu einer Übertragung
vor, die im Interesse einer Begegnung mit der heutigen konkreten
Situation wünschenswert wäre. Wo es allerdings geschieht,
wie z.B. in der Osterpredigt 1945 in Hannover (S. 94 ff.), gewinnt
die Verkündigung St.s sehr an Kraft und unmittelbarer
Empfundenheit. So heißt es auf S. 96: „Christus lebt, damit gilt
es ernst zu machen ... beim Heulen der Sirenen, in der Not
und Sorge des Lebens. Heute kann man nicht mehr sagen: Ringet
um die Begegnung mit Christus, und wenn er euch als der Auferstandene
begegnet ist, dann kommt alles andere von selbst.
Sondern heute kann man nur sagen: Wagt es, euch an den Auferstandenen
zu klammern. Kommt zu ihm mit allem, was euch
bedrückt, mit der Angst vor dem Tode, aber auch mit der Angst
vor dem Leben. Man weiß ja nicht, was heute größer ist: die
Angst vor dem Tode oder die Angst vor dem Leben. Tot zu
sein ist noch kein Trost. Ein Trost ist immer nur, in Gemeinschaft
mit dem Auferstandenen und dem in Ewigkeit Lebendigen
zu stehen."

Wenn man die aufgrund von Nachschriften herausgegebenen
zwanzig Predigten von T r i 11 h a a s charakterisieren will, muß
man von ihrer Form ausgehen: sie sind lapidarI Lapidar in ihrer
Themastellung und Gliederung, in ihrer Art den Text anzufassen
, in ihrer Vereinfachung auf die Grundlinien hin, in der Art
Einwände anzupacken und ihnen zu begegnen und lapidar im
Stil der Erzählung, der Veranschaulichung, aber auch unserer
Einbeziehung in die Sache, der Zusammenfassung und schließlich
auch der Kürze. (Predigten von zweieinhalb bis drei Druckseiten
sind eine Rarität in unserer Predigtliteraturl). Hier wird nicht
ängstlich Vers für Vers nachgestrichelt, sondern vom Blick aufs
Ganze aus mit der Spachtel gemalt. Und man wird — mit gelegentlicher
Einschränkung! — sagen dürfen: die Distanz vom Buchstaben
läßt diese Predigten gerade dem „Wort" nahekommen.
Die herangetragenen, bzw. herausgeholten thematischen Aspekte
sind Brücken „zu einer Begegnung unseres modernen Bewußtseins
mit dem Evangelium". Es ist wichtig, das heute wieder homiletisch
zu begreifen, ohne es etwa als Freibrief für Willkür
mißzuverstehen. Man kann die Predigten von Tr. in wenigen
Worten zusammenfassen: (Luk. 5, 1—11) So wie den Petrus
braucht Jesus auch dich. Oder „Die Arbeiter im Weinberg"
(Matth. 20, 1—15): 1- ..man bekommt etwas zu tun", 2. man
darf etwas empfangen, 3. da es im Reich Gottes anders zugeht
als auf Erden, „hoffe ich auf das Unverdiente". Oder „Der verlorene
Sohn" wird uns als die Geschichte von der zweifachen
Freiheit erzählt: zu gehen und heimzukehren. Jesus ruft uns,
die wir die Erinnerung an unser Vaterhaus verloren haben, in
die Freiheit heimzukehren zurück. Oder „Der Jüngling zu Nain"
(Luk. 7, 11—17): „die Geschichte hat zwei Seiten: eine erste

menschliche, nämlich Jesu Erbarmen mit der Witwe und eine
zweite: es gibt noch etwas über irdisches Leben und Sterben
hinaus ... wir sehen dem ins Auge, der selber die Auferstehung
und das Leben ist." Die Beschränkung auf solche Grundaspekte
bedeutet einerseits eine Dynamisierung, andererseits aber auch
ein Überfahren vieler Einzelzüge der Texte. Die lutherische Predigtweise
hat das Herausgreifen von Hauptpunkten gestattet und
geübt. Darauf kann sich Tr. einer hier naheliegenden Kritik gegenüber
berufen. Die Predigten vermeiden jeden theologischen
Jargon, obwohl sie natürlich exegetisch und theologisch durchdacht
sind. Manches 6ähe man aber gern bestimmter formuliert,
audi wenn ihre Überschrift „von den Geheimnissen Gottes" sie
in berechtigte Abwehr gegen unsere heute übliche intellektuelle
Zudringlichkeit stellt.

Als besonders wertvolle Hilfe werden für uns die 10 „Alt-
testamentlichen Predigten" von Hans Walter W o 1 f f zu gelten
haben, zumal ihnen in knappster Form „hermeneutische Erwägungen
" vorangestellt sind, die uns kritisch und dogmatisch
wohlfundierte Wege für die homiletische Auslegung des „umstrittenen
Alten Testaments" aufzuweisen bemüht sind. W., der
sich in diesen exemplarisch herausgestellten Predigten als ebenso
zuverlässiger Exeget wie ausgezeichneter Praedikant erweist, will
uns neue Lu6t zur Predigt über Texte des arg vernachlässigten
ATs machen.

Die von W. geübte typologische Auslegung (typikos
1-Kor. 10, 11) verfährt nach 3 Regeln: „1. möglichst sorgfältig
den geschichtlichen Sinn des Textes erfragen, damit die Situation
des Zeugen und seiner Hörer und vor allem das Treffende seiner
Botschaft exakt und profiliert erfaßt werden; 2. den Vergleich
mit entsprechenden neutestamentlichen Texten und der Mitte
ihres Kerygmas durchführen, damit deutlich wird, inwiefern das
at-liche Zeugnis vom nt-lichen überholt ist; 3. den vom Text
angesprochenen Hörer unter den Hörern der Predigt mit der
Botschaft des Textes aufzusuchen, damit der ursprüngliche Verkündigungswille
des Textes und so der Wille des lebendigen
Gottes heute weder unter Historie noch unter Philosophie begraben
wird" (S. 11). Es geht also um geschichtliche, vergleichende
und verkündigende Auslegung. Das „Gültige im Vorläufigen
" wie das „Gegensätzliche im Fortgang des lebendigen
Gotteshandelns" ist kerygmatisch herauszustellen. Bei allem
Positiven, das W. hier exemplarisch durchgeführt uns wichtig
macht, bleibt selbstverständlich noch ein Rest von „offenen Fragen
", z. B. welche Bedeutung die „erledigten" Stücke des ATs
(z. B. Zeremonialgesetz, Beschneidung!) noch für uns haben könnten
; oder auch, welche „Kontrollinstanz" zu suchen wäre, die
uns „Entsprechungen" und „Kontrastparallelen" sauber zu unterscheiden
gestattet. So, wie die unter dem Titel „Vergegenwärtigung
" zusammengefaßten „Aufsätze zur Auslegung des ATs"
(ed. Urner, Berlin 1955) bedeutet die hier vorliegende Bemühung
, Brücken von der at-lichen Exegese zur Homiletik zu schlagen
, eine heute besonders wichtige Aufgabe. Bei seinen exemplarischen
Predigten findet W. eine knappe, gegenwartsmächtige
Sprache bis hin zur sentenzenartigen Konzentration. Klarheit
und Einfachheit, mitunter eine rhythmisch gegliederte Tektonik
im Aufbau, eine drastisch zupackende Diktion und überzeugender
Ernst in der Zuwendung machen uns diese Art at-licher Verkündigung
besonders wertvoll.

Bona Joachim Ko n ra d

Allmen, Jean-Jacques von: Remarques actuelles sur le culte de
l'figlise.

Verbum Caro XI, 1957 S. 113-126.
Barnikol, Ernst: Biblisch-Reformatorische Glaubenslehre für den
Menschen der Gegenwart. Das heilsgeschichtliche, undogmatische und
überkonfessionelle Offenbarungs-Bekenntnis der Bibel, bezeugt in
den reformatorischen Bekenntnisschriften, vornehmlich in Luthers
Katediismen.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin - Luther - Universität Halle-
Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe VI,
1956/57 S. 611—620.
Barth, Gerhard: Zur Frage der Einzclbeichte.

Monatschrift für Pastoraltheologie 46, 1957 S. 365—371.